Verfallener Sensationsfund auf Speicher: Fünfzig „Blaue Hunderter“ aufgetaucht
Hält man heute den so genannten „Blauen Hunderter“ in Händen, so drängt sich die Frage auf, wie eigentlich dieser Geldschein mit seiner Größe von 20,7 mal 11,2 Zentimeter einst in ein normales Portemonnaie unserer Altvorderen passte. Sicherlich nicht. Denn im Jahr 1908 hatten die wenigsten Menschen einen Hundertmarkschein beim täglichen Einkauf in ihrer Geldbörse, denn die damaligen Löhne lagen je nach Berufsstand zwischen 40 und 120 Mark im Monat. Am 7. Februar 1908, also vor 114 Jahren, war der Tag der Erstausgabe des Hundertmarkscheins.
Ausgabezeitraum in Zeit von Kaiser Wilhelm II
Sein Ausgabezeitraum erstreckte sich hauptsächlich in der Zeit der Regentschaft von Kaiser Wilhelm II. Schnell hatte der Volksmund für die Geldnote eine Bezeichnung gefunden. Sie wurde „Der Blaue Hunderter“ genannt. Die Ursache seiner Namensbezeichnung liegt darin begründet, dass seit der Gründung des Deutschen Reiches von 1871 der Hundertmarkschein eine blaue Farbe hatte.
Selten gab es einen so mit Bildern und Symbolen überladenen Geldschein, wie es in den Interpretationen von Geldnoten in „Metzlers aktuell“ zu lesen ist. Auf der Vorderseite der Reichsbanknote mit dem roten Siegel sind nicht nur mehrfach wiederholte Wertangaben in Zahlen zu sehen, sondern linksseitig der Mercuriuskopf, der „Götterbote“, der auch als Gott der Händler und Diebe gilt, ist dargestellt.
Ceres ist die römische Göttin des Wachstums der Ackerfrüchte
Ihm wurde in Rom als Beschützer des für die Stadt so wichtigen Kornhandels ein öffentlicher Kultus eingerichtet. Im Jahre 495 v. Chr. weihten die Römer für ihn sogar einen Tempel ein. Rechtsseitig zeigt die Banknote den Kopf der Ceres. Sie ist die römische Göttin des Wachstums der Ackerfrüchte, der Fruchtbarkeit und der Ehe. Unter den beiden Köpfen, deren Blickrichtung zur Mitte geht, befindet sich je ein Adler mit einem Brustschild, auf dem die Zahl 100 steht.
In beiden unteren Ecken des Geldscheines, unter den Krallen der Adler, befindet sich, jedoch nur mit einer Lupe lesbar, der Hinweis: „Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht oder nachgemacht verfälschte sich verschafft und in den Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.“ Im mittleren Feld zeigt sich die Reichskrone, leider schwach erkennbar, unter ihr kreuzen sich Schwert und Zepter. Hoch über der Mitte ist der Reichsapfel zu erkennen. Umrahmt werden die Reichsinsignien von einem Strahlenkranz.
Germania trägt die Reichskrone
Schmuckvoll gedruckt sind jedoch die Initialen der Anfangsbuchstuben, des Schriftzuges „Ein Hundert Mark“. Unter ihm steht der Text geschrieben: „Ein Hundert Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin ohne Legitimationsprüfung dem Einlieferer dieser Banknote. Berlin, den 7. Februar 1908 Reichsbankdirektorium.“ Zwischen zwei roten Siegeln haben zehn Mitglieder des Reichsbankdirektoriums ihre Unterschriften gesetzt.
Hält man den Geldschein gegen das Licht, ist im linken freien Feld als Wasserzeichen das Porträt Kaiser Wilhelm I., und die Zahl 100, oval umkränzt mit Leuchtpunkten, zu erkennen. Auf der Rückseite der Banknote befindet sich eine sitzende Germania. Mit der Reichskrone und Krönungsmantel geschmückt hält sie in ihrer rechten Hand ein Schwert, dass ein Stück aus der Scheide gezogen ist. Ihr linker Arm ruht auf einem Schild, das den Reichsadler ziert.
Die plastische Darstellung der Germania wurde seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 als Symbol für nationale Einheit auf vielen Sieges- und Kriegsdenkmälern verwendet. In der Bildmitte nehmen zwei mächtige Eichenstämme mit ausladenden beschützenden Ästen und starkem Wurzelwerk den Platz ein. Die Eiche, bei den Germanen dem obersten Gott Donar geweiht, galt als Sinnbild der Stärke im 18. Jahrhundert. Als Symbole der Landwirtschaft und der Schwerindustrie befindet sich linksseitig ein Pflug sowie ein Amboss mit Schmiedehammer.
Ferner ist ein Zahnrad, ein Symbol für die Feinmechanik, und ein verpackter Warenballen als Symbol für den Handel zu sehen. Von zwei Schlangen umwindet, soll der Heroldstab des Merkurs, keine dekorative Aussage haben, sicherlich ist ihm eine symbolische Funktion zugedacht. Drei Kampfschiffe, die im Bildhintergrund aufs hohe Meer hinausfahren, sollen auf die Flottenrüstung des Deutschen Reichs deuten.
Aufgrund der Vorliebe des Kaisers für die Marine wurde die Geldnote auch „Flottenhunderter“ genannt. Nach Ende des Ersten Weltkrieges mussten, nach dem Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918, alle Banknoten, die zur Zeit des Krieges im Ausland waren, von der Reichsbank in Gold umgewechselt werden.