Cochem-Zell

Im Ahrtal unterwegs, um Menschen zu helfen: Cochem-Zeller Blaulichtfamilie im Dauereinsatz

Von Kevin Rühle
Das THW Zell pumpt ein Gymnasium und ein Altenheim leer.  Foto: THW Zell
Das THW Zell pumpt ein Gymnasium und ein Altenheim leer. Foto: THW Zell

Am späten Mittwochabend vergangener Woche erreicht Tim Etzkorn, Wehrleiter der Verbandsgemeinde Kaisersesch, der erste Anruf. Zu drei verschiedenen Einsätzen rücken die Feuerwehrleute aus Kaisersesch und Umgebung in dieser Nacht aus: Mayen, Moselkern und Ahrweiler. Seitdem ist das Feuerwehrhaus in Kaisersesch fast durchgehend besetzt, täglich rücken Kräfte in Richtung Ahrtal aus. Das gilt auch für alle anderen Einheiten der Blaulichtfamilie aus dem Kreis: Feuerwehr, THW, DRK, sie alle versuchen, den Menschen im Katastrophengebiet zu helfen.

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Schon am ersten Abend melden sich 100 Freiwillige aus der VG Kaisersesch. „Wir waren anfangs hauptsächlich als Erkundungstrupps unterwegs“, schildert Etzkorn die Lage zu Beginn des Einsatzes. Privatpersonen stellten dafür geländegängige Fahrzeuge zur Verfügung. Am Freitag helfen die Feuerwehrleute bei der Evakuierung der Gemeinde Altenburg, durchsuchen Häuser, bergen Menschen, die den Fluten nicht entkommen konnten. „Das beschäftigt uns enorm“, sagt Daniel Hermes, stellvertretender Wehrleiter in Kaisersesch. Aber jeder der vor Ort war, hat sich auch bereit erklärt, wieder mitzufahren, ergänzt der Feuerwehrmann. Hand anlegen, die Straßen räumen, das sind die Aufgaben der Helfer in den nächsten Tagen.

Drei Tage lang waren zwölf Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) aus Zell in Bad Neuenahr im Einsatz, nachdem sie zuvor in Wittlich das Wasser aus einer Tiefgarage gepumpt hatten. 300 Meter von der Ahr entfernt stand während der Flut das Wasser 2,5 Meter hoch in den Straßen. Mit einer Großpumpe beförderten die Helfer des THW das Wasser aus den Kellern eines Gymnasiums und eines Altenheims, berichtet Thorsten Treis, Ortsbeauftragter des THW in Zell. Der Anblick der Zerstörung war beängstigend, berichtet der 45-jährige Zeller, der schon beim Elbehochwasser 2013 im Einsatz war. Eine Ausnahmesituation.

Die Feuerwehren aus der VG Ulmen helfen mit schwerem Gerät. Im Ahrtal sind die Eifler Feuerwehrmänner vor allem in Sinzig und in Mariental im Einsatz. Obwohl so viele Wehren vor Ort helfen, bleibt der Grundschutz im Kreis Cochem-Zell erhalten.  Foto: Feuerwehr Ulmen
Die Feuerwehren aus der VG Ulmen helfen mit schwerem Gerät. Im Ahrtal sind die Eifler Feuerwehrmänner vor allem in Sinzig und in Mariental im Einsatz. Obwohl so viele Wehren vor Ort helfen, bleibt der Grundschutz im Kreis Cochem-Zell erhalten.
Foto: Feuerwehr Ulmen

Seit Samstag koordinieren die Feuerwehrkameraden aus Cochem einen Abschnitt des von der Flut betroffenen Gebietes von der Gemeinde Kalenborn (VG Altenahr) aus. „Wir sind Tag und Nacht vor Ort und unterstützen die technische Einsatzleitung“, erklärt Bernd Löffler, stellvertretender Wehrleiter der VG Cochem. Die Aufträge aus der Leitstelle gehen bei den Cochemern ein, die Mitarbeiter geben diese dann an Einsatzkräfte aus ganz Deutschland weiter. Am Samstag endet vorerst der Einsatz für die Cochemer, sie übergeben die Leitung an das THW. Zusätzlich entlasten Feuerwehren aus der VG Cochem die Kollegen in den betroffenen Gebieten. „Am Donnerstagabend übernimmt ein Einsatzzug die Brandwache in Ahrweiler, damit die Feuerwehr vor Ort durchatmen kann“, erklärt Wolfgang Lambertz, Bürgermeister der VG Cochem. Auch in den kommenden Tagen soll die Unterstützung fortgesetzt werden, die Feuerwehr Briedern steht bereit.

Seit mehr als einer Woche ist nun die Feuerwehr aus der VG Ulmen an der Ahr im Einsatz. So zum Beispiel der Gerätewagen für Gefahrgut aus Lutzerath. Wie sehr dieser Einsatz die Helfer beansprucht, zeigt auch eine Meldung der Lutzerather Feuerwehr. So wird die geplante Kirmes in Lutzerath, die Anfang August stattfinden sollte, abgesagt. „Seit über einer Woche sind nun schon Kameradinnen und Kameraden unserer Wehr täglich in fordernden Einsätzen an der Ahr“, heißt es. Aus Respekt vor den Opfern, aber auch aus organisatorischen Gründen, wolle und könne man den Aufwand für die Kirmes nicht leisten. Auch die Wehren aus Meiserich, Büchel, Weiler, Gevenich und Ulmen waren bereits an der Ahr im Einsatz, berichtet Thomas Kerpen, Wehrleiter der VG Ulmen. Hauptsächlich leiste man Hilfe in Sinzig und Marienthal. Bei einer Erkundung habe man erkannt, dass in dem Ort Marienthal noch niemand geholfen hatte, „deshalb haben wir uns entschieden, genau dort zu helfen“, sagt Kerpen. Dabei wird die Ulmener Feuerwehr auch von Unternehmern begleitet. Elektro Münch aus Ulmen hat sich den Hilfskräften angeschlossen, Heizungsbauer Marco Wolf aus Ulmen begleitete die Feuerwehr mit einem Radlader.

Ebenfalls vor Ort waren Helfer der Feuerwehr aus Zell. „Ein Einsatz, bei dem ich extrem froh bin, dass alle Helfer wohlbehalten und gesund wieder zu Hause angekommen sind“, sagt Karl Heinz Simon, Bürgermeister der VG Zell. Der Einsatz sei kräftezehrend gewesen, aber man sei bei den betroffenen Menschen an der Ahr auf sehr viel Dankbarkeit gestoßen, so Simon. Die Wehren aus Zell waren in Kreuzberg im Einsatz, „den Ort hat es besonders schlimm getroffen“, schreibt die Zeller Feuerwehr auf ihrer Facebookseite. Auch das THW aus Cochem ist derzeit vor Ort und hilft in Altenahr. Das Deutsche Rote Kreuz aus Cochem-Zell rückte mit 14 Einsatzfahrzeugen und 38 Einsatzkräften in das Katastrophengebiet aus – zuerst in den Landkreis Vulkaneifel, dann nach Ahrweiler. Mit einem Unimog der Bergwacht und dessen Wattiefe von 1,2 Metern konnten die Retter Einsatzorte anfahren, die für andere Retter nicht erreichbar waren. Die Sanitäter brachten Menschen in Krankenhäuser und errichteten in Remagen eine Betreuungsstelle, berichtet der Ortsverband Cochem. „Wir sind froh, dass all unsere Einsatzkräfte zwar erschöpft, aber gesund aus dem Einsatz zurückgekehrt sind.“

Von unserem Redakteur Kevin Rühle

Was private Helfer an der Ahr leisten

Nicht nur die Blaulichtfamilie hilft an der Ahr. Viele Menschen aus Cochem-Zell wollen anpacken und den Menschen im Ahrtal helfen. So zum Beispiel Freunde und Bekannte von Rabea Bretz. Die junge Frau stammt aus Landkern und wohnt seit fünf Jahren in Freisheim, wenige Kilometer von Altenahr entfernt. Am Abend des Unwetters machen sie und ihr Lebensgefährte sich mit Sandsäcken und Pumpen auf den Weg ins Tal, um Freunden zu helfen. „Eine hirnrissige Idee“, sagt Rabea Bretz rückblickend, man habe sich damit in Gefahr gebracht. Doch der Wille zu helfen bleibt ungebrochen. „Wir haben so viele Menschen wie möglich zu uns nach Hause gebracht“, sagt Bretz. An den folgenden Tagen fahren die Helfer nach Altenburg, „retten, was zu retten ist“. Bis Montag sei man in dem Gebiet ganz alleine gewesen, nach und nach rücken Unternehmer an – dann erreicht professionelles Gerät des THW den Einsatzort. Ein junger Mann bricht am Freitag mit seinem Trecker aus Düren auf und hilft bei der Beseitigung von Schutt. Derweil entsteht auf dem Grundstück in Freisheim eine Feldküche, Equipment für die Einsätze stapelt sich. Mit Freunden und ihrer Schwester Rebecca Bretz aus Landkern gehen sie von Haus zu Haus, fragen, ob Hilfe gebraucht wird. Sie schippen Schlamm, räumen Häuser leer. „Wir brauchen den Einsatz von privaten Helfern, damit wir weiterkommen“, betont Rabea Bretz und verweist auf das Christliche diakonische Hilfswerk Stephanus, das mit 300 Leuten in Altenahr „Unfassbares leistet“, die abends in Ulmen untergebracht sind. Rabea Bretz koordiniert ihre Arbeit mittlerweile mit einer Gruppe namens „Krälingen hilft“, organisiert von der Eventmanagerin Missy Motown. Ich schicke die Leute jetzt dorthin, „es gibt ein Shuttle, alles ist super koordiniert“, sagt die Landkernerin.

Was aus Sicht von Rabea Bretz momentan fehlt, sind feste Ansprechpartner, um sich mit THW und Feuerwehr besser koordinieren zu können. Diese wechseln zu häufig, zudem gebe es immer noch Dörfer, wo bisher niemand war, sagt Bretz. Und der Einsatz schlaucht. „Die Leute sind mit den Nerven am Ende. Was uns hochhält, ist, dass hier aus ganz Deutschland dauernd frische Leute kommen und helfen wollen“, lobt Rabea Bretz den Einsatz der Menschen im Ahrtal. ker

Flutkatastrophe im Ahrtal
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