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Betzdorf/Mainz

Wo Förderschüler langsam untergehen: Politiker reagieren auf Betzdorfer Brandbrief an Ministerium

Von Johannes Mario Löhr, Carsten Zillmann
Die Lehrer der Bertha-von-Suttner-Schule hatten einen Hilferuf nach Mainz gesendet. Der RZ-Bericht vom Freitag schlug hohe Wellen.  Foto: Markus Döring
Die Lehrer der Bertha-von-Suttner-Schule hatten einen Hilferuf nach Mainz gesendet. Der RZ-Bericht vom Freitag schlug hohe Wellen. Foto: Markus Döring

Für Prävention ist es in manchen Klassen der Bertha-von-Suttner-Realschule plus in Betzdorf zu spät. „Fünf Schüler haben bereits Einträge in die Polizeiakte (meist wegen Körperverletzung)“, heißt es in einer Überlastungsanzeige an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), die ein besorgniserregendes Bild der Schule „Auf dem Bühl“ zeichnet.

Lesezeit: 5 Minuten
Diese Schüler müssen auch im Schulalltag besonders behandelt werden – wegen „ihrer Gewaltbereitschaft“ und ihrem Hang zur „Selbstjustiz“. In der gleichen Klasse kümmert sich eine Lehrkraft derweil seit Jahren um einen jungen Flüchtling, begleitet ihn sogar zur psychiatrischen Behandlung, weil die „in seinem Kulturkreis sehr negativ bewertet wird“. Der Schüler ...
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Kommentar zur Überlastungsanzeige der Betzdorfer Schule: Berlin-Gefühl mitten im Westerwald

Was die Lehrer der Bertha-von-Suttner Realschule plus in ihrem Schreiben an Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) auflisten, klingt fast zu drastisch, um wahr zu sein: In einer Klasse haben alle 16 Kinder eine Lern- oder Verhaltensauffälligkeit.

Nebenan schmeißt sich ein Schüler regelmäßig auf den Boden, schreit, tritt und schlägt um sich. „Das hat man nur aus Berlin gekannt“, stellt der GEW-Chef Klaus-Peter Hammer fest. Doch die Überlastungsanzeige aus dem Westerwald reiht sich nicht einfach in die lange Serie von Brandbriefen ein. Sie hat eine neue Qualität. Bisher wurde – bisweilen kleinlich – über (Definitionen von) Unterrichtsausfall und Sollstärken diskutiert. Diesmal scheitern zwei politisch gewollte Ziele an unzureichenden Ressourcen: Inklusion und Integration.

Ein Beispiel: In Betzdorf sollen 16 Fünftklässler mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten eine Bildungskarriere, idealerweise mit Realschulabschluss starten. Nun sollte man meinen, dass in einem Land, das gern den Slogan „Rheinland-Pfalz ist Bildungsland“ in Pressemitteilungen druckt, mindestens zwei Lehrkräfte in einer solch speziellen Klasse unterrichten. Dazu Sprachlehrer, Förderlehrkräfte, Sozialarbeiter und pädagogische Fachkräfte. Dann wären Inklusion und Integration wohl kein Problem. Die Realität: Eine reguläre Lehrkraft quält sich durch 30 Unterrichtsstunden pro Woche. Nur in sieben Stunden ist eine pädagogische Fachkraft anwesend. Förderlehrer? Fehlanzeige! Doch damit nicht genug: Als ein Schüler zu Beginn des Schuljahrs nicht auftauchte und ein anderer dem Unterricht plötzlich fernblieb, ermittelten die Lehrer. Behörden konnten keine Auskunft geben.

Dieses Vorgehen ist unverantwortlich. Wenn ein Handwerker keine Angestellten hat, kann er keine Aufträge annehmen. Hubig vergibt Inklusions- und Integrationsaufträge ohne genügend Förderlehrer. Da hilft auch der Verweis auf die Anstrengungen in der Ausbildung nicht. Der Status Quo ist Berlin-Gefühl von seiner unangenehmsten Seite – mitten im Westerwald.

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