Dickendorf

Visionärer Mulchtechnik: Biogemüsehof aus Dickendorf erhält Bundespreis

Von Julia Hilgeroth-Buchner
Stellvertretend für das ganze Team nahm Johannes Storch vom Dickendorfer Bio-Gemüsehof „Live2give GmbH“ (Bildmitte) in Villmar den „Bundespreis Ökologischer Landbau 2022“ von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir entgegen.
Stellvertretend für das ganze Team nahm Johannes Storch vom Dickendorfer Bio-Gemüsehof „Live2give GmbH“ (Bildmitte) in Villmar den „Bundespreis Ökologischer Landbau 2022“ von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir entgegen. Foto: live2give GmbH

Der Biohof in Dickendorf baut sein Gemüse auf besondere Art und Weise an. Dafür wurde Betreiber Johannes Storch nun ausgezeichnet. Was hinter dem neuartigen Konzept des Bauern steckt.

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Man schreibt das Jahr 2011, als Johannes Storch eine Vision entwickelt. Zwar studiert er gerade noch Ökologische Agrarwissenschaften in Kassel und zählt erst 21 Lenze, aber er weiß bereits, dass er sich mit Herz und Hand der Erhaltung eines lebensspendenden Ackerbodens widmen möchte.

Und er hat eine sehr klare Vorstellung davon, dass Humusaufbau, Erosionsschutz und Wasserspeicherung nur mit einer Technik wirklich verlässlich möglich ist – mit dem ganzjährigen Aufbringen von organischem Material auf den Ackerboden, kurz, dem Mulchen. Da er zu diesem Zeitpunkt neben dem Studium bereits seinen eigenen ökologisch bewirtschafteten Betrieb in Dickendorf leitet, beginnt der junge Agrarwissenschaftler zu experimentieren …

Montag, 27. Juni 2022: Als die RZ Johannes Storch an diesem Morgen auf dem Handy erreicht, ist der inzwischen 32-jährige Bio-Landwirt ziemlich beschäftigt. Ja, das Gemüse hat gerade Hochsaison, diese Woche steht jedoch noch etwas ganz Außerordentliches auf dem Plan.

Was hinter dem Mulchsystem steckt

Am Dienstagnachmittag soll der Dickendorfer Bio-Gemüsehof „Live2give GmbH“ neben zwei anderen Betrieben den „Bundespreis Ökologischer Landbau 2022“ erhalten, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Rahmen der Öko-Feldtage in Villmar überreichen soll. Die Entwicklung des Dickendorfer „Anbausystems mit dauerhafter Durchwurzelung und organischer Bodenbedeckung und der dafür benötigten Maschinen“ hat die Fachjury vollends überzeugt.

Welche bahnbrechende Expertise steckt nun genau hinter diesem Preis? „Ich hatte das Mulch-Thema schon während des Studiums im kleinen Stil kennengelernt. Es war damals technisch noch gar nicht umsetzbar. Ich wollte das gerne auf unserem Gemüsebetrieb umsetzen, und wir haben das ein Jahr lang per Hand probiert. Dann war schnell klar, dass das Ganze mechanisiert werden muss, wenn man seinen Lebensunterhalt damit verdienen möchte“, berichtet Johannes Storch. „Gemeinsam mit unserem Werkstattleiter Marek Mezyk habe ich die erste Maschine entwickelt.“

Das ausgeklügelte Mulchsystem des Bio-Gemüsehofs basiert auf dem Anbau einer Winterzwischenfrucht, die sich aus Roggen, Wicken und Erbsen zusammensetzt. Im Frühjahr wird der Bestand gemulcht. Das grob zerkleinerte Material bildet die organische Auflage für die folgende Pflanzkultur.

Beim Pflanzen in die acht Zentimeter dicke Mulchdecke arbeitet der Betrieb mit dem selbst entwickelten „MulchTec-Planter“, der mit einem Schneidwerk die Mulchschicht aufschneidet, anschließend die Pflanzen mit Revolverpflanztechnik hineinsetzt und den Boden und die Mulchdecke wieder schließt. Auch ein Depotdünger kann im gleichen Arbeitsgang eingebracht werden. Nach der Ernte werden die Ernterückstände und der Restmulch mit dem ebenfalls selbst entwickelten „MulchTec-Rotoseeder“ flach unterschnitten. Zugleich wird die Zwischenfrucht für die nächste Anbausaison unter dieser Schicht ausgesät. Beide Maschinen werden inzwischen in Kleinserie gebaut, erfolgreich vertrieben und auch in der Lohnarbeit eingesetzt.

Konzept soll noch weiterentwickelt werden

„Die Frage ist immer, welchen Weg man gehen möchte – den, der Gesundheit für den Boden und für die Menschen bringt und den Klimawandel berücksichtigt, oder den, der Probleme in Bezug auf die Wetterextreme nach sich zieht“, gibt Storch zu bedenken, der seinen Gemüseanbau im Sinne der Schöpfung ganzheitlich betreibt. Dabei kann er voll und ganz auf sein Team zählen, das wie eine „berufliche Familie“ ist.

Diese war gestern natürlich auch mit bei der Preisverleihung, denn es wird vor Ort bei Weitem nicht nur gefeiert. „Wir sind eh mit unseren Ständen auf den Öko-Feldtagen in Villmar. Die Maschinen werden ausgestellt, das ganze Werkstatt-Team ist dort. Außerdem sind wir noch mit einem Burger- und mit einem Eisstand vertreten“, schmunzelt der Mulch-Experte.

Es wäre nicht Johannes Storch, wenn er seine Vision nicht weiterführen würde. „Wir wollen den Pioniergeist nicht aufgeben. Als nächstes folgen eine Maschine zur exakten Mulchausbringung und eine weitere zur Aussaat von Feinsämereien. Parallel wird mit einer anderen Firma Hacktechnik für Mulchauflagen entwickelt.“

Die Ehrung macht ihn stolz, im Fokus steht für ihn aber nach wie vor die Sache selbst. „Die Auszeichnung gilt eigentlich nicht uns, sondern dem System, das damit Aufmerksamkeit erhält. Das ist wichtiger als unsere Leistung. Die hätten wir auch jenseits des Preises gebracht.“