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Alsdorf

Seit Jahrzehnten ein Teil von Deutschland: Als vor 60 Jahren die ersten Gastarbeiter aus der Türkei ins AK-Land kamen

Von Daniel Weber
Sevki Uyanik mit seiner Arbeitserlaubnis vor seiner ersten Arbeitsstelle, den Hallen der ehemaligen Firma Jung-Jungenthal in Kirchen. Vor 50 Jahren kam der heute 73-Jährige als junger Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Und aus diesen fünf Jahrzehnten weiß er viel zu erzählen.
Sevki Uyanik mit seiner Arbeitserlaubnis vor seiner ersten Arbeitsstelle, den Hallen der ehemaligen Firma Jung-Jungenthal in Kirchen. Vor 50 Jahren kam der heute 73-Jährige als junger Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Und aus diesen fünf Jahrzehnten weiß er viel zu erzählen. Foto: Markus Döring

„Ein Deutschland ohne Sie ist schlicht nicht mehr vorstellbar.“ Diesen Satz, adressiert an die Millionen türkischstämmigen Mitbürger in der Bundesrepublik, sagte vor einiger Zeit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer Feierstunde in Berlin. Anlass war das vor 60 Jahren geschlossene Anwerbeabkommen, im Zuge dessen 1961 die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Einer dieser Menschen ist Sevki Uyanik aus Alsdorf.

Lesezeit: 8 Minuten
Der 73-Jährige feiert 2021 ein ganz persönliches Jubiläum, denn er ist seit nunmehr 50 Jahren in Deutschland. Mit gerade mal 23 kam er 1971 als junger türkischer Gastarbeiter an die Sieg. Etliche Jahre arbeitete er als Maschinenschlosser bei Jung-Jungenthal in Kirchen, später auch bei den Firmen Robert Thomas in Neunkirchen, ...
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„Das waren Zeiten“: Ein Zeitungsbeitrag von Sevki Uyanik

1995, in einer Zeit, als sich in Deutschland fremdenfeindliche Übergriffe häuften, schrieb Sevki Uyanik diesen nachdenklich stimmenden Beitrag in der türkischen Zeitung „Hürriyet“:

„Es war Anfang der 1960er-Jahre. Sie sagten, es gäbe Arbeit und Brot in Europa. Wir alle haben losgelegt. Einige von uns sind sieben Stockwerke unter der Erde Bergleute geworden, andere Monteure, fünfzig Meter über dem Boden. Wir haben gearbeitet, wir haben Geld verdient. Wir gingen auf Urlaub. Wir stellten zwei Ochsen vor unseren kaputten Mercedes und ließen ihn ziehen.

Wir wurden in den Augen der Öffentlichkeit zum Deutschländer und in den Augen der Politiker zu Devisen legenden Hühnern. Unsere Heiratsabenteuer mit blonden Mädchen in Europa wurden Gegenstand von Filmen und Romanen. Am Flughafen ließen sie eine Band spielen, sagten „Sie sind der millionste Türke!“ – und haben uns einen Kranz um den Hals gehängt. Dann brachen die Dinge zusammen.

Wir wurden plötzlich gedemütigt: Wir wurden als „nach Knoblauch riechende, schmutzige Türken“ gesehen. Wir wurden als Menschen zweiter oder dritter Klasse eingestuft und beleidigt. Nicht genug damit: Sie fingen an, unsere Häuser in Brand zu setzen. Wir haben Mölln und Solingen erlebt. Sogar unsere Babys waren darunter, wir haben Opfer gebracht. Wir haben das alles gesehen und erlebt. Aber wir wurden nicht entmutigt, wir wurden nicht verängstigt, wir haben keine Angst. Weil wir Deutschland als Heimat sehen, mit ihnen zusammenleben und Deutschland in Zukunft gemeinsam aufbauen wollen.“

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