Burbach

Potpourri kultureller Vielfalt: Burbachs erstes internationales Kochbuch ist da

Heijida Ahmet (links) und Aisha Tursun sind staatenlos. Die von ihnen vorgestellten Gerichte gehören für die beiden uigurischen Frauen zu den Schätzen ihrer Kultur.
Heijida Ahmet (links) und Aisha Tursun sind staatenlos. Die von ihnen vorgestellten Gerichte gehören für die beiden uigurischen Frauen zu den Schätzen ihrer Kultur. Foto: Gemeinde Burbach

Liebe geht durch den Magen, sagt der Volksmund. Integration auch: Das beweist „Kürbis, Kraut & Koriander“, das erste internationale Kochbuch des Burbacher Sprachcafés.

Lesezeit: 3 Minuten
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Gleich versierten Köchen, die ganz unterschiedliche Zutaten, Öle und Gewürze zu einem köstlichen Ganzen zubereiten, verarbeiteten Susanne und Werner Riderer 28 Rezepte aus 16 Ländern zu einem aufregenden Potpourri, das neugierig auf exotische Küche macht und Lust zum Nachkochen weckt.

Der Clou der 64 Seiten starken Broschüre im praktischen DIN-A-5-Querformat: Die Ingredienzien sind nicht nur mengenmäßig in Listenform übersichtlich aufgeführt, sondern sind auf einem Foto gesammelt abgebildet – so wird die Sprachbarriere beim Einkauf überwunden.

Im Januar hatte für die engagierte Flüchtlingsbegleiterin Susanne Riderer die Corona-Tristesse ihren Höhepunkt erreicht. Über Wochen und Monate hatten keine Treffen des Sprachcafés im Vereinshaus der Evangelischen Gemeinschaft Burbach stattfinden können. Das lastete schwer auf ihr und ihrem Mann Werner. „Wir sagten uns, wir müssen irgendetwas tun. Ein Projekt, das auch auf Distanz funktioniert.“

Inspiration bot dann eine eher negative Statistik. Sie habe gelesen, die Menschen in Deutschland hätten im Schnitt fünf Kilo während der Pandemie zugenommen, so Susanne Riderer und folgerte: „Das Thema Essen hat offenbar viele beschäftigt.“ Dass der Akt des Kochens überdies eine schöne und passende Allegorie für den Integrationsprozess selbst ist, war quasi das sprichwörtliche Salz in der Suppe dieser Idee, die schnell auf fruchtbaren Boden fiel.

Die Begeisterung für das „Kraut und Rüben“-Projekt war groß. Zugereiste aus Aserbaidschan, Äthiopien, Bosnien, Eritrea, Guinea, Indonesien, Lettland, Marokko, Somalia, Syrien und der Türkei sowie aus dem Irak und dem Iran waren Feuer und Flamme. Ergänzt wurde das internationale Buffet durch vier deutsche Gerichte ehrenamtlicher Mitarbeiter. Gekocht, fotografiert und aufgeschrieben wurde in Kleingruppen, damit es wenigstens während der Zubereitung zu Begegnungen, Kontakten und Gesprächen kam.

Das Kochbuch ist für die in Burbach lebenden Migranten ein Ausdruck der Verbundenheit zu ihren Heimatländern. Speziell für die staatenlosen kurdischen und uigurischen Flüchtlinge hatte die Teilnahme an dem Gemeinschaftsprojekt eine spezielle Bedeutung. „Ich wollte meine Sprache und meine Flagge in das Buch einbringen“, sagt Aisha Tursun.

„Das kennen alle Uiguren, und wenn es irgendwo angeboten wird, wissen sie, hier gibt es noch andere von uns.“

Hedijie Ahmet steuerte das uigurische Nationalgericht Zangsa zur Rezeptsammlung bei.

Beides gehöre zum „Schatz“ ihrer Kultur. Die 35-Jährige kam Ende 2019 aus dem Gebiet, das sie Ostturkeastan nennt und das aktuell zu China gehört. „Viele Leute kennen uns Uiguren gar nicht“, erklärt sie bedauernd und betont sogleich das Selbstverständnis ihres Volkes: „Wir gehören nicht zu China!“ Und so wünscht sie gleich mit zwei Gerichten in ihrer Muttersprache „Aschbolsun“ – „Guten Appetit“: mit Kawa Polo (gefüllter Kürbis) sowie mit Mante und Samsa (Kürbis-Fleisch-Taschen).

Ihre Landsmännin Hedijie Ahmet steuerte das uigurische Nationalgericht Zangsa (frittiertes Gebäck) bei. „Das kennen alle Uiguren, und wenn es irgendwo angeboten wird, wissen sie, hier gibt es noch andere von uns.“ Es werde bei jeder größeren Feier serviert, und so steht die süße Nascherei selbst für Gemeinschaft, Begegnung und Glück, meint die 26-Jährige.

„Ihr Weg nach Deutschland war nicht einfach und oft steinig“, sagte Heide Heinecke-Henrichs, Burbachs erste stellvertretende Bürgermeisterin, mit Blick auf solche und ähnliche Geschichten und Gedanken hinter den Rezepten bei der Vorstellung von „Kürbis, Kraut & Koriander“.

Umso bewundernswerter sei es, dass man mit diesem Kochbuch ein echtes Zeichen des Zusammenseins und Zusammenwachsens gesetzt habe, zumal in einer so traurigen Zeit wie der Corona-Krise. Es sei Ausdruck der „Empathie, die wir alle mitbringen. Jeder gehört dazu!“ Ihr Dank für das gelungene und wichtige Projekt galt vor allem den engagierten Ehrenamtlichen des Burbacher Sprachcafés sowie den Köchinnen und Köchen.

Integration, das betonte Susanne Riderer, sei nicht einfach, weder für die Ausländer noch für die Deutschen. „Beide Seiten müssen zuhören, beide müssen die Türen aufmachen, besonders aber wir Deutschen.“ Keinen Platz für Diskussion und Toleranz aber böte das gesellschaftliche Erbe, dem man sich in Deutschland verpflichtet habe: der Demokratie und den Menschenrechten. Nur auf dieser Basis sei Integration möglich.

Sie beschrieb den integrativen Prozess mit einem Zitat aus dem Rezept für iranisches Dolme Kalam (Krautwickel): „Damit sich der Geschmack der unterschiedlichen Zutaten gut vermischt, braten wir das Ganze noch ein bisschen, aber nicht zu lange, um den frischen Geschmack zu erhalten.“ Ihre Lesart: Integration ja, Assimilation nein!

„Kürbis, Kraut & Koriander“ ist für 5 Euro im Weltladen Hickengrund in Niederdresselndorf, Westerwaldstraße 54, und bei Spiel & Buch in Burbach, Nassauische Straße 27, erhältlich.