Herdorf

Kultursaison in Herdorf: Abschlusskonzert feiert das vielfältige Europa

Die Künstler auf der Bühne beeindruckten mit ihrem Spiel das Publikum.  Foto: Simon Patt
Die Künstler auf der Bühne beeindruckten mit ihrem Spiel das Publikum. Foto: Simon Patt

Das letzte Konzert der aktuellen Spielsaison der Kulturfreunde Herdorf hatte es noch einmal so richtig in sich. Weltklasse-Violinist Svetlin Roussev, die begnadete Pianistin Yeol Eum Son und hochtalentierte Stipendiaten der Villa Musica hatten Stücke einer recht kontroversen Epoche dabei: der Spätromantik.

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Gemeinsam mit Villa Musica Rheinland-Pfalz war es erneut gelungen, hochkarätige Musiker und Musikerinnen ins Hellerstädtchen zu holen. Spätromantik – das hört sich zunächst einmal recht anheimelnd und beschwingt an. Kein Wunder, denn aus der Perspektive heutiger Zuhörer wandern wir quasi völlig zwanglos zwischen Paris, Wien oder Prag und erfreuen uns des musikalischen Facettenreichtums.

Zerissene Welt, zerissene Zeit

Zeitgenossen sahen das jedoch völlig anders. Nichts war mehr übrig geblieben von der gesamteuropäischen Idee der Hochromantik, der sich Interpreten wie Mendelssohn, Chopin oder Liszt verschrieben hatten. Ganz im Gegenteil standen sich die nachfolgenden Protagonisten mit teils völlig gegensätzlichen Ansätzen und landesspezifischen Idealen scheinbar unüberbrückbar gegenüber. Tschaikowskys abschätzige Titulierung von Brahms c-Moll-Klaviertrio als „Geschmacklosigkeit“ steht sinnbildlich für eine absurde künstlerische und politische Zerissenheit dieser Zeit.

Die Europareise startete in Frankreich mit einem Stück, welches 1877 in den Pariser Konzertsälen so begeistert begrüßt wurde wie kein anderes Erstlingswerk zuvor. Die Rede ist von Faurés Violinsonate Nr. 1 A-Dur, op. 13. Svetlin Roussev und Yeol Eum Son leiteten den Abend in einer begeisternden Symbiose ihres Spiels ein. In bestechender Sicherheit, scheinbar gänzlich mühelos durchliefen sie das hochdynamische und dialogische Stück. Die beiden Könner ihres Fachs brillierten in jeder Hinsicht – etwa mit Gesängen venezianischer Gondolieri oder kraftvollen Klavieroktaven. Die koreanische Pianistin bestach dabei mit einem so leichthändigen wie klaren Anschlag, während Roussev flirrende Pizzicati aufbot und ein geigerisches Kabinettstück hinlegte.

Musikalische Speisekarte

In völliger Perfektion und eindrucksvoller Harmonie der Musiker ging es auch weiter, als Irena Josifoska sich mit ihrem Violoncello mit auf die Bühne begab. Wären Konzerte wie Restaurantbesuche, bei denen man „Einmal Brahms mit allem“ bestellen könnte, so bekäme man besagtes Klaviertrio Nr. 3 c-Moll, op. 101 serviert. Zu einem einzigen Stück verdichtet, finden sich darin alle Charakterzüge und Vorlieben des Norddeutschen: mürrische Wucht, jovialer Humor und tiefste Melancholie. Allein schon der erste c-Moll-Akkord, der aufs Piano niedersauste, war derartig eindeutig, als habe der Interpret sagen sollen „Das habe ich gemeint!“.

Es folgte ein orchestral anmutendes Trio, da die Instrumente zunächst fast vollständig unisono auftraten. Auch beim Rest des Stücks hatten die Musiker allerlei Möglichkeiten, ihre Virtuosität unter Beweis zu stellen. So gaben sich Josifoska und Roussev im zweiten Satz einem himmlischen Pizzicato Wechselspiel hin, während Yeol Eum Son im sentimentalen Andante zartfühlig einen leichten Moll-Anflug zu vertreiben wusste.

Nach der Pause ging es mit Dvoráks Klavierquintett A-Dur, op. 81 ebenso epochal weiter. Indes kamen auch der Bratschist Claudio Laureti und die Violinistin Albina Khaibulina hinzu. Der erste Satz bestach durch eine Fülle melodischer Einfälle und höchst abwechslungsreich platzierter Stimmungen. Düstere Mollharmonien überlagerten zunächst das Dur-Hauptthema, welches derweil von Piano und Violinen geradezu schwärmerisch wiederholt wurde.

Im zweiten Satz wurde ein Dumka dargeboten – ein ukrainischer Volkstanz, den eigentlich der Wechsel zwischen langsamen, melancholischen Passagen und schnellen, fröhlichen Tanzabschnitten charakterisiert. Dvorák hingegen inszeniert diesen durch das Hinzufügen eines halbschnellen Zwischenteils äußerst originell und innovativ. Ein unwiderstehlich schönes Bratschenthema und immer wieder Zwischentöne des Klaviers, die sanft wie Vogelrufe daherkamen, wurden von den Interpreten perfekt in Szene gesetzt. Doch immer wieder war es die Melancholie, die den Übermut des Munteren überstieg, bis am Ende Grabesstille herrschte. In beeindruckender Weise ließen die Musiker das fis-Moll-Hauptthema herabsteigen, als liege es in einer Gruft.

Im flinken dritten Satz zupften dann nicht nur Cello und Bratsche gekonnt ihre Saiten, sondern überraschend fand sich das Publikum in einem lyrischen Stück im Stile Edvard Griegs wieder. Zum Schluss wurde es noch einmal fulminant, als die Musiker immer schneller wurden und in einem Accelerando ihre Darbietung effektvoll zum Abschluss brachten.