Dickendorf

Gepflanzt, geschaut, geerntet: Gemüseanbau mit Mulch in Dickendorf ist eine Erfolgsgeschichte

Der Gemüsehof live2give in Dickendorf setzt bei seinem Mulchanbauverfahren selbst entwickelte Maschinen ein.
Der Gemüsehof live2give in Dickendorf setzt bei seinem Mulchanbauverfahren selbst entwickelte Maschinen ein. Foto: live2give gGmbH Dickendorf

Mit einem selbst entwickelten Verfahren zum Mulchanbau ist es dem Gemüsehof live2give in Dickendorf gelungen, seine Erträge um 25 Prozent zu steigern. Und das bei reduziertem Düngereinsatz und weniger Aufwand für die Unkrautkontrolle.

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Zu kalt und zu nass – der Westerwald gilt nicht gerade als Hochburg des Gemüseanbaus. Hinzu kommen meist flachgründige, wenig fruchtbare Böden. Diese ungünstigen Voraussetzungen haben Johannes Storch aber nicht davon abgehalten, seinen Zehn-Hektar-Betrieb in Dickendorf auf ökologischen Gemüseanbau auszurichten.

Dass dies erfolgreich ist, beruht nicht zuletzt auf einem selbst entwickelten Mulchsystem auf Basis von Zwischenfrüchten, mit dem der Betrieb seit 2011 arbeitet. Im professionellen Gemüseanbau ist der Anbau mit Mulch kaum verbreitet, auch nicht im Bio-Bereich. Denn der Einsatz von Mulch gilt als anspruchsvoll und hat den Ruf, die Verunkrautung und die Ausbreitung von Mäusen und Schnecken auf den Flächen zu erhöhen.

Maschinen selbst entwickelt

Storch sagt nicht, dass Mulchanbau einfach ist. Er kann bestätigen, dass die Unkrautkontrolle eine besondere Herausforderung darstellt, insbesondere im ökologischen Anbau. Denn die aufliegende Mulchschicht macht den Einsatz herkömmlicher Hacktechnik unmöglich. „Wer auf Mulchanbau setzt, gibt immer etwas Kontrolle ab“, sagt Storch. „Man muss sehr genau hinschauen und einen guten Blick für die Natur entwickeln, für den Bodenzustand und die Zwischenfrucht.“ Aber grundsätzlich hält er es für machbar, wenn das Konzept stimmt und alle Arbeitsschritte sauber umgesetzt werden.

Der Schlüssel ist nach seiner Ansicht die richtige Technik. „Aber die gibt es nicht am Markt“, sagt der Bio-Landwirt. Deshalb hat er die benötigten Maschinen selbst entwickelt, gemeinsam mit einem technikbegeisterten Mitarbeiter. Die entscheidenden Geräte sind eine Mulchpflanzmaschine und eine Umkehrfräse, mit der er die Zwischenfrucht nach der Ernte sät. Beide baut der Betrieb inzwischen auch in Kleinserie und verkauft sie.

Die Grundidee des Mulchsystems beruht darauf, den Boden möglichst ganzjährig bedeckt zu halten, entweder mit einer Mulchschicht oder einer Zwischenfrucht. Letztere ist ein zentraler Baustein des Konzepts. Denn das Gemenge aus Roggen oder Triticale, Wicke und Erbse bindet die Nährstoffe über den Winter und bildet vor der Anbausaison das Ausgangsmaterial für die Mulchauflage.

Etwa einen Tag vor dem Pflanzen der Gemüsekultur wird der Zwischenfruchtbestand mit einem Schlegelmulcher gehäckselt. „Ziel ist es dabei, eine lockere und zugleich lichtundurchlässige Schicht abzulegen, mit der die Keimung der Samenunkräuter unterdrückt wird. Dafür ist der bis zu 2,50 Meter lange Roggen ideal“, erklärt Storch. Insgesamt wird laut Presseinfo eine organische Auflage von 15 Tonnen Trockenmasse pro Hektar benötigt.

Nur die Hälfte an Düngereinsatz

Ist die Mulchschicht auf der Fläche verteilt, beginnt das Pflanzen mit dem selbst entwickelten Mulchtec-Planter. „Entscheidend bei der Maschine ist das elektrisch angetriebene Schneidwerk vor jedem Pflanzschar, das die Mulchschicht aufschneidet. Sonst würde das Ganze nicht funktionieren“, sagt Storch. Nach dem Setzen der Jungpflanzen wird der Mulch über Andruckrollen wieder geschlossen und der Boden verfestigt. Der Druck der Rollen lässt sich pneumatisch bis auf 200 Kilogramm pro Schar regulieren, je nach Härte des Bodens.

Zusätzlich legt die Maschine einen Unterfußdünger ab, in der Regel Pellets aus Leinsamen oder Soja. Dieser schnell wirkende Stickstoffdünger ist entscheidend für eine zügige Jugendentwicklung. Denn die Düngerwirkung des Mulchs setzt nach etwa vier Wochen ein. Dann reichen die in der Auflage gebundenen Nährstoffe aus, um die spätere Kopf- und Ertragsdüngung vollständig abzudecken. So spart man etwa die Hälfte der benötigten Düngermenge.

Nach der Ernte kommt im Herbst die zweite Maschine zum Einsatz: der Roto-Seeder. Die Umkehrfräse schält die oberste Bodenschicht zwei bis vier Zentimeter tief ab, um bei Kulturen wie Kohl die Wurzel vom Strunk zu trennen. Unter dem Gemisch aus organischem Material und Boden wird dabei das Saatgut der Zwischenfrucht abgelegt. Mit diesem Konzept auf Mulchbasis erzielt der Bio-Landwirt erstaunliche Ergebnisse. „Bei allen Kulturen konnten wir im Schnitt einen 25 Prozent höheren Ertrag erzielen, egal, ob die Witterung sehr trocken oder feucht war.“

Der Ertragszuwachs beruht laut Storch auf den vielfältigen positiven Wirkungen des Mulchs. So verdunstet auf den Flächen etwa 90 Prozent weniger Wasser, was den Pflanzen besonders in trockenen Jahren zugutekommt. Zudem verbesserte sich die Bodenstruktur und das Bodenleben. „Humusabbau gibt es auf den Mulchflächen gar nicht mehr“, freut sich Storch. Stattdessen beobachtet er bei intensivem Mulchgemüsebau sogar jährlich einen leichten Zuwachs.

Das Team um Johannes Storch (2. von rechts) kann seit dem Einstieg in den Mulchanbau Ertragssteigerungen um rund 25 Prozent verbuchen.
Das Team um Johannes Storch (2. von rechts) kann seit dem Einstieg in den Mulchanbau Ertragssteigerungen um rund 25 Prozent verbuchen.
Foto: Johannes Storch

Gute Effekte auf den Pflanzenschutz

Der Einfluss des Mulchsystems auf die Regenwurmpopulation wurde vom Dienstleistungszentrum Rheinland-Pfalz (DLR) wissenschaftlich untersucht – mit erstaunlichem Ergebnis: Nur 20 Wochen nach der Mulchausbringung zählte das Forscherteam die dreifache Menge an Regenwürmern im Vergleich zur Bewirtschaftung ohne Mulch. Auch der Pflanzenschutz wird durch die Mulchauflage einfacher.

Die Zahl der Schnecken und Mäuse habe nicht zugenommen, sagt Storch. Stattdessen beobachtet er bei den meisten Kulturen eine bessere Blattgesundheit und vitalere Pflanzen. Bei Versuchen des DLR auf Kohlrabiflächen ohne Netz sei dies besonders deutlich geworden. Während die Parzellen ohne Mulch massiv vom Kohlweißling befallen waren, blieben die angrenzenden Mulchflächen nahezu unangetastet vom Schädling. Eine wissenschaftliche Erklärung für diesen Effekt gibt es noch nicht.

Eine größere Herausforderung sind Wurzelunkräuter wie die Waldsumpfkresse. Wegen der Mulchauflage muss das Unkraut per Hand entfernt werden. Laut Storch liegt der Aufwand dafür aber meist unter 50 Stunden pro Hektar und ist damit wirtschaftlich. Zudem setzt er inzwischen eine Standard-Rotorhacke ein, was die Handarbeit deutlich reduziert.

Ein Nachteil der Mulchauflage ist die langsamere Erwärmung der Böden im Frühjahr. Bei Spätfrösten erreicht die Wärmeabstrahlung des Bodens nicht mehr die Blätter, und das Risiko für Frostschäden steigt. Bei sehr frühen Salat- oder Zucchinisätzen wird deshalb auf eine Mulchauflage verzichtet. Unempfindlichere Kulturen wie Zwiebeln kommen aber mit dem erhöhten Frostrisiko gut klar. Insgesamt überwiegen nach Storchs Erfahrungen die Vorteile des Systems bei Weitem. Für die konsequente Umsetzung und die Entwicklung der benötigten Pflanz- und Mulchsaattechnik wurde sein Betrieb beim diesjährigen Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet (siehe Bericht Seite 15).

Die Vorzüge des Systems haben sich in der Branche herumgesprochen, immer häufiger erhält Storch Anfragen für das Pflanzen im Lohn, auch in weit entfernten Betrieben. Die Nachfrage nach den selbst entwickelten und in kleiner Stückzahl gebauten Maschinen wächst ebenfalls. Für das Team von live2give ist die Entwicklung mit dem bisher Erreichten aber noch nicht abgeschlossen: Nachdem der Mulchanbau für alle Pflanzkulturen etabliert ist, wird an einem System für Sämereien wie Möhren und Rote Bete gearbeitet. red