Kreis Altenkirchen

Flüchtlingspolitik: Landrat des Kreises Altenkirchen schreibt an Malu Dreyer

Mit Ortsbürgermeister Wolfgang Hörter (Mitte) und der Ersten Beigeordneten Annette Roßbach inspizierte Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, kürzlich das Gelände in Isert, wo Containerunterkünfte für Flüchtlinge entstehen sollen. Auch in Jüngerichs Namen hat nun Landrat Peter Enders einen Brief zur Flüchtlingsfrage an Ministerpräsidentin Malu Dreyer verfasst.
Mit Ortsbürgermeister Wolfgang Hörter (Mitte) und der Ersten Beigeordneten Annette Roßbach inspizierte Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, kürzlich das Gelände in Isert, wo Containerunterkünfte für Flüchtlinge entstehen sollen. Auch in Jüngerichs Namen hat nun Landrat Peter Enders einen Brief zur Flüchtlingsfrage an Ministerpräsidentin Malu Dreyer verfasst. Foto: Archiv Markus Kratzer

Das Bekanntwerden der Pläne des Kreises Altenkirchen, Asylbewerber in 14 Containern auf einem Gelände in Isert unterzubringen, war ein klares Signal: Die Probleme bei der Flüchtlingsaufnahme sind auch im AK-Land angekommen, die Kapazitäten sind erschöpft. Vor diesem Hintergrund wendet sich nun Landrat Peter Enders mit einem Schreiben zur Flüchtlingspolitik an Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

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Der unserer Zeitung vorliegende Text sei eng mit den Bürgermeistern der sechs VG-Bürgermeister Fred Jüngerich (Altenkirchen-Flammersfeld), Bernd Brato (Betzdorf-Gebhardshain), Helmut Stühn (Daaden-Herdorf), Dietmar Henrich (Hamm), Andreas Hundhausen (Kirchen) und Berno Neuhoff (Wissen) abgestimmt und auch in ihrem Namen verfasst, teilt die Kreisverwaltung mit.

Eingangs betont Enders die großen Herausforderungen für Länder und Kommunen „durch den immer noch sehr hohen Zustrom von Flüchtlingen in die Bundesrepublik“. Trotz Aufstockung der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes seien diese nach wie vor mit mehr als 90 Prozent ausgelastet – mit der Konsequenz, dass seit Oktober die Zuweisungszahlen auf die Kommunen kontinuierlich gesteigert werden mussten, zuletzt auf 550 Personen pro Woche.

„Nach der aktuellen Verteilquote macht dies für den Landkreis Altenkirchen rund 22 Personen pro Woche aus“, rechnet Enders vor. Gemeinsam mit den Verbandsgemeinden setze man alles daran, den ankommenden Flüchtlingen – „fast ausschließlich nur noch männliche junge Alleinreisende“, wie der Landrat betont – adäquaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Allerdings gebe der Markt tatsächlich nichts mehr her, die Kapazitäten in der Region seien faktisch aufgebraucht. Auch der mit Datum vom 29. November angekündigte leichte Rückgang von Asylbegehrenden werde hier nicht für Entspannung sorgen können.

Als „Ultima Ratio“ bezeichnet Enders für den Kreis die Nutzung von Dorfgemeinschaftshäusern, Sporthallen und anderen öffentlichen Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen, verbunden mit der Hoffnung, diese letzte Option nicht ziehen zu müssen. „Nach den Entbehrungen und Einschränkungen für den Schul- und Vereinssport in den Corona-Jahren gibt es für einen solchen Schritt keine Akzeptanz in der Bevölkerung“, so Enders deutlich.

Zudem verweist er auf die weiterhin hohe Unterstützungsbereitschaft im AK-Land gegenüber geflüchteten Menschen aus der Ukraine. 2630 Flüchtlinge wurden seit Februar 2022 aufgenommen, aktuell halten sich davon noch rund 2000 Ukrainer im Kreis auf. Damit liegt der Kreis fast 41 Prozent über dem durch ein spezielles Verteilkonzept des Landes vorgegebenem Soll. Daraus würde sich laut Enders für den Kreis zwar ein temporärer Verteilstopp ergeben, jedoch finde dies nach wie vor keine Berücksichtigung bei den Zuweisungen nach dem Verteilstrang für Asylbewerber. Dringend solle daher ab dem Jahreswechsel „auf ein Gleichgewicht unter den Kommunen hingewirkt werden“.

Ebenso dringend mahnt der Landrat im Namen der Bürgermeister aufgrund des Wohnraummangels grundsätzliche Änderungen in der Flüchtlingspolitik bei der Ministerpräsidentin an. „Vielerorts werden zwar unter Druck und äußerster Kraftanstrengung neue Wohnplätze geschaffen, die jedoch bereits vor Bezugsfertigkeit verplant sind. Darüber hinaus sind Infrastruktur und Angebote zur Integration der Flüchtlinge erschöpft beziehungsweise nicht mehr realisierbar“, berichtet Enders. Die zuständigen Mitarbeiter der VG-Verwaltungen seien „mittlerweile dauerhaft enormen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die wir kaum noch kompensieren können“.

„Eine Einreise dieses Personenkreises ist nicht mehr akzeptabel.“

Gegenüber Migranten, die aufgrund ihrer Herkunftsländer kaum eine Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber haben, macht Landrat Peter Enders eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung aus.

Nicht außer Acht lassen dürfe man schließlich auch das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. „Wo immer in diesen Wochen und Monaten über die Einrichtung einer Unterkunft für Flüchtlinge nachgedacht wird, äußern sich Bedenken in Vokabeln wie ,Angstgefühl' oder ,Sicherheitsrisiko'. Auch wenn dem mehr Vorurteile und subjektives Empfinden als objektiv nachvollziehbare Erfahrungen zugrunde liegen, gehört auch dieser Aspekt zur Gesamtbetrachtung der schwindenden Akzeptanz für die Flüchtlingspolitik innerhalb der Bevölkerung“, so Enders. Mangelnde Polizeipräsenz und ebenfalls teilweise überlastete Ordnungsämter trügen dabei leider zum Eindruck der Menschen bei.

Dabei macht Enders eine Differenzierung aus. Die Unterstützungsbereitschaft gegenüber Menschen, die aufgrund von Angst um Leib und Leben ihre Heimat verlassen mussten, sei nach wie vor sehr hoch. Eine immer angespanntere und kritischere Stimmung innerhalb der Bevölkerung sei aber auszumachen, wenn es um die Aufnahme und Unterbringung von Personen aus den Herkunftsländern gehe, bei denen von vorn herein feststehe, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit als Asylbewerber nicht anerkannt würden. „Eine Einreise dieses Personenkreises ist nicht mehr akzeptabel. Es muss schnellstmöglich gehandelt werden“, äußert sich der Landrat unmissverständlich.

Die Perspektivlosigkeit eines immer weiter fortschreitenden Zustroms von Menschen ohne echte und dauerhafte Integrationsperspektive führe zu einer Entmutigung bei Bevölkerung und Beschäftigten. Daher appelliert Enders abschließend an Dreyer: „Nehmen Sie bitte die Sorgen und Nöte der kommunalen Ebene ernst, und setzen Sie sich mit Nachdruck auf Bundesebene dafür ein, dass entsprechend notwendige und kurzfristig umsetzbare Maßnahmen endlich getroffen werden.“