Euteneuen

Euteneuen: 8000 Unterschriften für das alte Siegwehr

Von Peter Seel
Das alte Siegwehr bei Euteneuen. Hier möchte ein Privatinvestor Strom aus Wasserkraft gewinnen, doch die Behörden stellen sich quer.
Das alte Siegwehr bei Euteneuen. Hier möchte ein Privatinvestor Strom aus Wasserkraft gewinnen, doch die Behörden stellen sich quer. Foto: Markus Döring

Dass der Fall des alten Siegwehrs bei Euteneuen eines Tages noch mal Wellen schlagen würde, das hätte keiner gedacht. Und dass es Hoffnung geben könnte, hier eines Tages wieder Strom aus Wasserkraft gewinnen zu können (und zugleich die Sieg hier für Fische durchgängig zu halten und den Auwald zu retten) schon gar nicht.

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Denn das Umweltministerium in Mainz scheint entschlossen, das Wehr abzureißen und den privaten Investor Richard Kail aus Rittersdorf in der Eifel nicht an die Wasserrechte heranzulassen. Vielleicht gerade deswegen gerät das idyllisch im Auwald gelegene Wehr nun in den Fokus der Öffentlichkeit: An die 8000 Unterschriften haben die Zwillinge David und Constantin Schneider (25) aus Frankfurt mit einer großen Internetaktion für die Reaktivierung der Turbine in Euteneuen gesammelt:

„Sage ja zur Energiewende und unterschreibe!“, heißt es da. Wenn es mindestens 10.000 sind, wollen die Brüder ihre Liste Umweltministerin Ulrike Höfken vorlegen. Doch es sollen weit mehr werden, die sie auffordern: „Frau Höfken, bitte betreiben Sie das Genehmigungsverfahren endlich mit der notwendigen Transparenz und ermöglichen Sie die Inbetriebnahme des Kraftwerks.“

Wie kommen zwei Studenten der Architektur beziehungsweise Finanzwirtschaft, die den Westerwald kaum kennen und mit dem Investor weder verwandt noch verschwägert sind, auf die Idee, sich hier zu engagieren? Ganz einfach: Weil sie ökologisch engagiert sind. „Wir lieben die Natur“, sagen sie, „und setzen uns für den Klimaschutz ein.“

Eher durch Zufall hätten sie vom „Fall Euteneuen“ gehört, erzählen sie im RZ-Gespräch, von dem alten Kraftwerk der Familie Albrecht aus Köln, wo das Wasserrecht erloschen ist. David Schneider: „Ein Bekannter aus der Nähe von Koblenz, der in der Wasserkraft aktiv ist, hat uns von Euteneuen erzählt – und dass da einiges schief läuft.

Es mangelt offensichtlich bei der Politik an der Akzeptanz für die Wasserkraft. Wir haben im Internet recherchiert, einige RZ-Artikel dazu gelesen und MdL Michael Wäschenbach angerufen, der deswegen schon bei Frau Höfken war.“

Bei der internationalen Internet-Platform „Change.org“ brachten die Zwillinge den Fall unter. Hier wird mit Petitionen zu Menschenrechten, Umweltschutz, Minderheitenrechten und vielem mehr für einen „Change“, einen Wandel hin zu einer ökologischen, pazifistischen und sozial gerechteren Welt geworben: Gegen die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung, gegen die Ölgewinnung durch Fracking in Kanada und vieles mehr werden in aller Welt Unterschriften gesammelt.

David (links) und Constantin Schneider, zwei Studenten aus Frankfurt, zeigen, was Globalisierung bedeutet: Per Internet setzen sie sich für das Wasserkraftwerk an der Sieg und regenerative Energien ein.
David (links) und Constantin Schneider, zwei Studenten aus Frankfurt, zeigen, was Globalisierung bedeutet: Per Internet setzen sie sich für das Wasserkraftwerk an der Sieg und regenerative Energien ein.
Foto: privat

„Der Investor von Euteneuen“, sagt Constantin, „hat in Mainz alle Antragsunterlagen geliefert, und es gibt ein Gutachten, das besagt, dass sie vollständig sind. Aber die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord widerspricht dem – doch was fehlt, das weiß keiner.“ Auch das Argument, dass mit einer Turbine die Fischdurchgängigkeit nicht gewährleistet sei, lässt das Duo nicht gelten: Längst lägen Pläne vor, die den Wanderfischen den Weg siegaufwärts möglich machen.

David: „Rheinland-Pfalz wird seiner Verantwortung in der Energiewende nicht gerecht. Das Wasserkraftwerk in Euteneuen steht seit Jahren still, der umliegende Auwald verkommt. Das Umweltministerium muss endlich handeln. Wir fordern grünen Strom aus Rheinland-Pfalz und gleichzeitig die Rettung des naturgeschützten Auwaldes in Euteneuen! Wir sind überzeugt davon, dass man hier den Spagat zwischen ökologischen und ökonomischen Belangen schaffen kann.“

In Euteneuen, rechnen die beiden vor, könnten jedes Jahr 1200 Tonnen CO2 eingespart sowie 1,2 Millionen Kilowattstunden sauberer, grüner Strom gewonnen werden, genug für 375 Haushalte. „Das Bizarre ist“, sagt David, „dass der Genehmigungsprozess seit beinahe drei Jahren läuft. Bei der SGD Nord besteht offensichtlich wenig Interesse daran, die Wasserkraft zu unterstützen.“

Auf der Webseite heißt es weiter: „Zugleich hat das Land das Wehr zur Stauung des Wassers heruntergefahren und damit den anliegenden, unter Naturschutz stehenden Auwald trocken gelegt. Weitere Rückbaumaßnahmen des Wehres durch das Land sind bereits ausgeschrieben – obwohl gar nicht geklärt ist, wer sein Eigentümer ist. Der Auwald hat sich über mehrere Jahrhunderte zu einem Biotop für viele Tierarten entwickelt. Ihr Lebensraum ist bedroht beziehungsweise wird bei einer weiteren Wehrabsenkung zerstört.“

Zudem würden die örtliche Feuerwehr und der im Siegtal ansässige Anglerverband die Reaktivierung der Wasserkraftanlage befürworten. Die Zwillinge setzen sich generell für umweltfreundliche Projekte ein, etwa gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4. „Unverschämt, dass die Bevölkerung nicht mitkriegt, wie in Euteneuen mit undurchsichtigen bürokratischen Hürden die alternative Stromgewinnung verhindert wird. Wir wollen unseren Kindern keine Altlasten hinterlassen. Deswegen setzen wir uns für erneuerbare Energien ein, vor unserer Haustür und in Euteneuen.“

Mehr Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.change.org/energiewende

Von unserem Redakteur Peter Seel