Kreis Ahrweiler

Wohin fließen die Millionenspenden für das Ahrtal? Ein Überblick

Von Tim Saynisch
Symbolbild
Symbolbild Foto: picture alliance/dpa

Es sind gigantische Summen, die sich mittlerweile auf den Spendenkonten von Hilfsorganisationen, Vereinen, Verbänden und privaten Initiativen angesammelt haben und die von großer Solidarität zeugen. Immer mehr Menschen fragen sich nun, was mit den Geldern passiert und wann und wie sie bei den Bedürftigen ankommen. RZ-Recherchen zeigen: Bisher werden vor allem Soforthilfemaßnahmen im Sinne der Notversorgung unterstützt, direkte Auszahlungen an Betroffene stehen noch hinten an.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Allein „Aktion Deutschland Hilft“, ein Zusammenschluss verschiedener deutscher Hilfsorganisationen mit Sitz in Bonn, gibt seinen Spendenstand auf RZ-Anfrage am Dienstag mit 91 Millionen Euro an.

Das Land Rheinland-Pfalz hatte am Montag beispielsweise noch keinen Cent aus dem eigenen Soforthilfeprogramm an Betroffene der Katastrophe ausgezahlt. Bis Montagmittag seien rund 5000 Anträge auf Soforthilfe eingegangen, von denen 90 Prozent in die „automatisierte Bearbeitung“ überführt worden seien, heißt es vom für die Abwicklung zuständigen Statistischen Landesamt. Die Anträge würden jetzt abgearbeitet, „die Auszahlungen erfolgen von Mitte dieser Woche an. Zur Bearbeitung gehört eine automatische Plausibilisierung, etwa auf Doubletten. Außerdem müssen Anträge, die nicht aus dem Landkreis Ahrweiler stammen, herausgefiltert werden“, erklärt Jürgen Hammerl, Pressesprecher des Landesamts.

Die Kreisverwaltung Ahrweiler ist schon rege mit der Auszahlung der Mittel aus ihrem, vom Land unabhängigen und parallel zu beantragbaren Soforthilfeprogramm beschäftigt. Seit vergangenem Mittwoch sind bereits 2,5 Millionen Euro an die Flutopfer ausgezahlt worden, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Kreishaus. Je nach Personenzahl erhalten betroffene Haushalte 1000 bis 2000 Euro. Die Mittel kommen vom bei der Kreissparkasse Ahrweiler eingerichteten Spendenkonto des Kreises. Die Sparkasse hat auf RZ-Anfrage angekündigt, dass dort wohl zeitnah noch einiges eingehen wird. Es „werden in Kürze weitere namhafte Spendenbeträge auf diesem Konto erwartet. Aus einer Spendenaktion, die die Sparkassenfinanzgruppe bundesweit ins Leben gerufen hat, sind anfänglich schon mehr als 1 Million Euro avisiert“, kommentiert Achim Gemein von der Sparkasse.

Das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“, dessen Spendenkonto meist in den Programmen von ARD und ZDF genannt wird, betont, dass man sofort, mittelfristig und langfristig helfen möchte. Direkte Auszahlungen an Betroffene nimmt der Verein laut Satzung nicht vor. Dort steht unter Paragraf 2: „Der Verein fördert die Arbeit deutscher humanitärer Hilfsorganisationen.“

Das Bündnis ist weltweit in Krisenregionen aktiv, garantiert aber, dass Gelder, die für die Hochwasseropfer gegeben werden, definitiv nur in den Katastrophengebieten, beispielsweise an Erft und Ahr, ankommen. „Alle Spenden, die auf dem Spendenkonto von ,Aktion Deutschland Hilft' unter dem Stichwort ,ARD Hochwasser' oder ,Hochwasser Deutschland' eingehen, dürfen ausschließlich für diese Zwecke eingesetzt werden“, versichert Manuela Roßbach, geschäftsführende Vorständin von „Aktion Deutschland Hilft“. Auch das zweite große und ähnlich organisierte Aktionsbündnis Kata-strophenhilfe (AKH) beteuert auf RZ-Anfrage, dass alle Spenden, die über die Stichworte „Hochwasser“, „Hochwasser Deutschland“ oder Ähnliches eingehen, mit dieser Zweckbestimmung an die Mitgliedsorganisationen weitergeleitet würden. Nach eigenen Angaben hatte das AKH bis Montag bereits mehr als 44 Millionen Euro gesammelt.

„Aktion Deutschland Hilft“, das mehr als den doppelten Betrag zur Verfügung hat, unterstützt seine Mitgliedsorganisationen, wie etwa den Arbeiter-Samariter-Bund, den Malteser Hilfsdienst oder die Johanniter-Unfall-Hilfe, nach eigenen Angaben nun vor allem bei der sofortigen Notfallhilfe. Dazu zähle die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln, außerdem müssten medizinische Produkte, wie Impfstoffe gegen Tetanus, gekauft und bereitgestellt werden. Auch psychosoziale Dienste, Trinkwasser und Trinkwasseraufbereitungsanlagen würden finanziert.

Mittelfristige Hilfe in Form von durch die Organisationen bereitgestellten Bautrocknern, Notstromaggregaten und Räumgeräten würde ebenfalls bezuschusst. Auch langfristige Hilfen für den Wiederaufbau von Altenheimen, Kindergärten, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen seien in Planung.

Planung ist das Wort der Stunde: Viele Hilfsorganisationen wissen nämlich noch nicht, wohin Spendengelder fließen sollen. Vielfach beraten nun interne Gremien darüber, wie es mit der gerechten und gleichen Hilfe weitergehen kann. Der rheinland-pfälzische Landesverband Deutsches Rotes Kreuz (DRK) arbeitet beispielsweise an einem Konzept zur Verteilung der Spendengelder. „Über unsere landesweite Spendenhotline und auch das seit Sonntag geschaltete Spendenportal www.hilfe.drk-web.de eruieren wir derzeit, was betroffene Menschen in den Hochwassergebieten brauchen“, erklärt eine Sprecherin des DRK-Landesverbandes. Bundesweit hat das DRK nach eigenen Angaben schon mehr als 20 Millionen Euro an Spenden generieren können.

Beim Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr berät man nach RZ-Informationen derzeit auch noch über ein Konzept zur Verteilung der Mittel. Man arbeite daran, eine eigene E-Mail-Adresse nur für formlose Soforthilfeanfragen einzurichten, heißt es aus Verbandskreisen. Auch auf überregionaler Ebene sucht die Caritas noch eine Lösung. Es würden in Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden „derzeit Antragsverfahren ausgearbeitet, die aber auch mit anderen Trägern abgestimmt werden müssen, um zum Beispiel Dopplungen zu vermeiden“, legt Achim Reinke, Sprecher von Caritas international, den Sachsstand dar.

Auf das Spendenkonto von Caritas international, dem Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, sind nach eigenen Angaben bislang 17 Millionen Euro geflossen. Davon sind bereits 1,5 Millionen Euro für Maßnahmen verwendet worden, beispielsweise für die Leihe von Wandtrocknern oder Dienstleistungen wie psychosoziale Beratung. Die weiteren Spendengelder „gehen über die regionalen Caritasverbände direkt an die Ortscaritasverbände, die am nächsten an den betroffenen Menschen dran sind. Dort werden die Spenden je nach dringendstem Bedarf und Bedürftigkeit den Betroffenen zur Verfügung gestellt“, erklärt Reinke.

Um eine möglichst gerechte Verteilung von Spenden und Hilfen ist auch die Volksbank Rhein AhrEifel bemüht, die über eine hauseigene Crowdfunding-Plattform Gelder sammelt, als Bank Mittel aus einem hauseigenen Spendentopf zu Verfügung stellt und auch über ihre Bürgerstiftung ein Spendenkonto eingerichtet hat. Insgesamt konnte das Kreditinstitut so nach eigenen Angaben bislang 2,6 Millionen Euro an Spenden sammeln. Andere betroffene Landkreise wurden mit Spenden und Pauschalbeträgen bedacht, im Kreis Ahrweiler geht das Geld aber direkt an die betroffenen Gemeinden. „Zeitnah, unbürokratisch und zielgerichtet“ verteilen sollen es die Bürgermeister, die die Schwere der Betroffenheit im Einzelnen am besten abschätzen könnten.

Das Kreditinstitut denkt darüber hinaus über Möglichkeiten nach, um langfristige Hilfe zu leisten. Dafür plane man laut dem Vorstandsvorsitzenden Sascha Monschauer, „gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem ,Genossenschaftsverband – Verband der Regionen' sowie weiteren betroffenen Genossenschaftsbanken einen deutschlandweiten genossenschaftlichen Hilfsfonds zu gründen.“

DZI gibt Tipps zum Spenden in Katastrophenfällen

Dass Spendengelder wirklich bei den Flutopfern ankommen, ist noch wichtiger, als der Fakt, wann sie ankommen. Um das Risiko zu minimieren, an eine dubiose Organisation zu spenden, hat das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) Tipps zusammengestellt, die jeder beim Spenden in einer Krisensituation beachten kann:

  • Kompetenz hat Vorrang

Das DZI rät dazu, sich vor einer Spende zu vergewissern, ob die Hilfsorganisation, der man sein Geld überlassen möchte, auch die nötige Kompetenz hat, um im betroffenen Gebiet effizient Hilfe zu leisten: Sind Kontakte am Unglücksort, wie etwa eine Ortsgruppe, vorhanden, und steht die Organisation mit den dortigen Behörden in Verbindung? Diese Fragen sollte man sich stellen.

  • Schnell, aber nicht übereilt

Gerade große Katastrophen wie die Ahr-Flut rufen Trittbrettfahrer auf den Plan, denen es an Kompetenz fehlt oder bei denen ein Großteil der Spenden in der Verwaltung versickert oder gar in der eigenen Tasche landet. Die Spenderberatung des DZI gibt eine Orientierung: www.dzi.de/spenderberatung

  • Vorsicht in Sozialen Netzwerken

Renommierte Medien wie die Rhein-Zeitung wählen sorgfältig aus, welche Spendenkonten sie veröffentlichen. In den Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram gibt es nach Ansicht des DZI keine solche oder vergleichbar sichere Auswahl. Das DZI rät dazu, infrage kommende Organisationen selbst auf ihre Seriosität hin zu überprüfen, und stellt dafür eine Checkliste bereit: www.dzi.de. Spendenaufrufe von Privatpersonen oder Firmen solle man außerdem nur dann folgen, wenn man sie persönlich kennt und ihnen vertraut.

Flutkatastrophe im Ahrtal
Meistgelesene Artikel