Kreis Ahrweiler

Wie sich der Tourismus im Ahrtal neu aufstellen könnte: Bund und Land in der Pflicht

Von Reinhard Kallenbach
So sieht es derzeit in der Georg-Kreuzberg-Straße in Bad Neuenahr aus. Das Hotel Villa Aurora hat die Katastrophe wie viele andere Betriebe nur scheinbar gut überstanden. Keller, Erdgeschoss und die gesamte Haustechnik müssen komplett erneuert werden.
So sieht es derzeit in der Georg-Kreuzberg-Straße in Bad Neuenahr aus. Das Hotel Villa Aurora hat die Katastrophe wie viele andere Betriebe nur scheinbar gut überstanden. Keller, Erdgeschoss und die gesamte Haustechnik müssen komplett erneuert werden. Foto: Reinhard Kallenbach

Die Flutkatastrophe hat auch den Verein Ahrtal Tourismus sowie seine Büros und Tourist-Informationen im Stadtgebiet hart getroffen. So wurde die erst kürzlich erneuerte IT-Infrastruktur komplett zerstört. Die Mitarbeiter setzen momentan noch ihre eigene private Technik ein, um informieren und helfen zu können, bis die IT wieder neu aufgebaut ist. Kann man in dieser Situation derzeit über die Zukunft nachdenken? Man muss es sogar, sagt Christian Lindner. Der Vorsitzende macht Vorschläge, lässt aber auch Kritik anklingen..

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Ortstermin in der Georg-Kreuzberg-Straße in Bad Neuenahr: Die Fahrbahn am Ahrufer ist aufgerissen, man bemüht sich, die Infrastruktur zumindest provisorisch herzustellen. Die meisten Häuser wurden vor allem im Keller und im Erdgeschoss schwer getroffen. So auch das Hotel Villa Aurora. Christian Lindner hat das Hotel 2013 von seinem Vater übernommen, und eigentlich wollte er mit seinen 15 Mitarbeitern und Gästen das 111-jährige Bestehen des Familienbetriebs feiern. Stattdessen muss er nun aufräumen und entkernen. Dabei helfen ihm auffallend viele junge Leute. Darunter Schüler, die ihre Ferien opfern, um den Schlamm in Schubladen aus den Innenräumen ins Freie zu befördern. Christian Lindner ist von dieser großen Welle der Solidarität begeistert, die alle Altersgruppen erfasst hat. Und oft bringen die Helfer sogar noch die passenden Geräte mit.

Vom neuen Beautybereich, der eigentlich im Juli offiziell eröffnet werden sollte, ist nichts mehr zu sehen. Der komplette Küchenbereich, der Wellness- und Schwimmbereich, die Lagerbereiche und der Wäscheraum sind Geschichte. Und die drei Heizungsanlagen für die drei Gebäude des Hotels müssen ebenfalls komplett erneuert werden. Wann er wieder öffnen möchte? „Frühestens in einem Jahr“, sagt Christian Lindner. Auch wenn die Gästezimmer verschont blieben, wird aus einer Saisoneröffnung pünktlich zu den Osterfeiertagen 2022 definitiv nichts werden. Das ist übrigens ein Problem, dass alle Betreiber von Hotel- und Beherbergungsbetrieben in der Region betreffen wird – und zwar unabhängig von der individuellen Schadenshöhe.

Trotz des wirtschaftlichen Totalschadens und der monatelangen Einnahmeausfälle gibt es neben dem vorerst nur provisorisch möglichen Wiederaufbau eine weitere zentrale Frage, die mit Blick auf die Zukunft fast noch wichtiger ist. Für Christian Lindner ist klar: Es muss dafür gesorgt werden, dass die Region wirtschaftlich und touristisch nicht ausblutet und die Menschen weiter ihre Zukunft im Ahrtal sehen. In der Tat besteht die Gefahr, dass Fachkräfte angesichts der schlimmen Situation der Region den Rücken kehren. Denn auch wenn es Ausgleichszahlungen durch Versicherungen der bisherigen Arbeitgeber gibt, reichen diese auf Dauer natürlich nicht aus.

Private Helfer werden weiter benötigt

Die Zeit drängt. Für Christian Linder ist es deshalb zunächst wichtig, den Eindruck zu vermeiden, dass private Helfer schon bald nicht mehr benötigt werden. Angesichts der zunehmenden starken Präsenz von professionellen Unterstützern könnte man fast zu dieser Erkenntnis kommen. Tatsächlich wird auch in den kommenden Wochen und Monaten jede helfende Hand gebraucht, wobei es wichtig ist, dass Helfer sich bei der privaten Initiative Helfershuttle melden, die im Innovationspark Rheinland in Grafschaft-Ringen die Verteilung übernimmt und die Helfer dann zum Einsatzort bringt. „Das ist klasse, das hilft ungemein“, so Lindner.

Fakt ist: Nicht nur in vielen Privathäusern, sondern auch in Betrieben können die Berge von Arbeit nach wie vor ohne private Helfer kaum bewältigt werden. Die Unterstützung von Verwandten und Freunden allein wird nicht ausreichen. „Bislang läuft vieles über Selbstorganisation“, sagt Lindner auch aus eigener Erfahrung. Mit einem Architekten hat er aber bereits gesprochen. Doch bis konkrete Maßnahmen folgen, wird noch Zeit vergehen. Bekanntlich sind viele Handwerksbetriebe selbst von der Katastrophe überlastet, und das Baumaterial ist knapp. Auch dies sind Hindernisse, die nicht nur die Branche betreffen.

Christian Lindner macht deutlich: Die Kommunen sind auf Hilfe angewiesen.
Christian Lindner macht deutlich: Die Kommunen sind auf Hilfe angewiesen.
Foto: Reinhard Kallenbach

Es bleibt also kompliziert. Auch für den Ahrtal Tourismus e. V. Der wird sich zunächst einmal darauf konzentrieren, bei Aufrufen zum Helfen im Ahrtal zu unterstützen und auch die verschiedenen Spendenmöglichkeiten zu kommunizieren. Denn der Bedarf an finanziellen Hilfen ist immens. Parallel muss der Neuaufbau eingeleitet werden – in enger Abstimmung mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Wenn Wiederaufbau, dann richtig

Auch wenn neue Strategien erst noch entwickelt werden müssen, ist klar, dass diese vor allem von der Devise „Wenn Wiederaufbau, dann richtig“ geprägt sein müssen. „Wir müssen das Ahrtal in den kommenden fünf bis zehn Jahren auch beim Thema Nachhaltigkeit auf eine neue Ebene heben“, sagt Lindner. Es wird also um viele Bereiche wie Modernisierung, Digitalisierung und Ausbau der Barrierefreiheit gehen. „Und natürlich muss auch über den Hochwasserschutz gesprochen werden, der Katastrophen zumindest abschwächen kann“, so Lindner weiter.

Thema sind also natürlich auch die vielen Maßnahmen, die die Kommunen nicht „stemmen“ können. Bund und Land sind also weiterhin gefragt. Wichtig ist für den Vorsitzenden auch, dass sich alle gegen künftige Elementarschäden versichern können. Bislang haben die Versicherer in bestimmten Lagen eine solche Versicherung verweigert. „Doch zunächst müssen wir Übergangslösungen finden, um dann in die Planung zu gehen“, so der Vorsitzende.

Woran es derzeit hakt? „An der Koordination und der Kommunikation“, sagt Lindner spontan. Er weist darauf hin, dass diese Kritik aus den Reihen der Einsatzkräfte selbst kommt. Es braucht also Profis mit Überblick, die Hilfe punktgenau dorthin schicken, wo sie benötigt wird. Aus Linderns Sicht ist es mit Blick auf die Zukunft notwendig, die Organisation des Katastrophenschutzes zu überdenken – auch wenn die einzelnen Teams direkt am Einsatzort mit großem Engagement Vorbildliches geleistet haben.