Ahrweiler

Von Flut schwer getroffen: Ehrenwall'sche Klinik in Ahrweiler plant von einem Tag zum nächsten

Von Petra Ochs
Dunkel ist es im riesigen verwinkelten Keller der Ehrenwall'schen Klinik. Hier schaufeln freiwillige Helfer immer noch Schlamm. Jederzeit einstürzen könnte die Bibliothek im Stockwerk darüber.
Dunkel ist es im riesigen verwinkelten Keller der Ehrenwall'schen Klinik. Hier schaufeln freiwillige Helfer immer noch Schlamm. Jederzeit einstürzen könnte die Bibliothek im Stockwerk darüber. Foto: Uwe Sülflohn

Seit fast 145 Jahren gehört die Dr. von Ehrenwall’sche Klinik zu Ahrweiler einfach dazu. Das private Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie ist mehr als eine Institution und ein wichtiger Arbeitgeber – zwischen Ober- und Ahrtor wirkte die Klinik allein architektonisch wie eine Trutzburg oder ein Bollwerk.

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In der Flutnacht war sie das wohl auch im wahrsten Sinne des Wortes: Es könnte gut sein, dass sie die Flutwelle für die dahinter liegende Altstadt etwas abgemildert hat. Zu einem hohen Preis: Die Mauern, die das rund 37.000 Quadratmeter große Klinikareal umgaben, gibt es nicht mehr, das Wasser hat sie mitgerissen. Und auch sonst sind die Zerstörungen groß. Erste Gutachten sprechen von deutlich mehr als 20 Millionen Euro Schaden.
Kaum zu glauben, wenn man inmitten der Trümmer steht: Die Ehrenwall-Allee zwischen der Ahr und den hohen Klinikmauern ist Geschichte. Die Ahr fließt jetzt direkt am Klinikschwimmbad vorbei, nachdem sie einen großen Teil der Straße mitsamt Böschung und 15 Meter Wiese weggerissen hat. Da, wo früher einmal die Notaufnahme war, hat der reißende Strom besonders viel hinterlassen: mitgerissene Bäume, Autos, Wohnwagen, Gastanks. Mittlerweile sind schon Unmengen von Trümmerteilen, Unrat und Schlamm weggeschafft worden. Aber es bleibt immer noch so viel zu tun.

Auch die Bibliothek könnte einstürzen

Mitten auf dem Klinikgelände steht auch das Privathaus von Klinikchef Dr. Christoph Smolenski. Auch hier sind die Zerstörungen groß, doch entgegen ersten Befürchtungen muss das Gebäude nicht abgerissen werden. Einsturzgefährdet ist aber die Sporthalle mit Kegelbahn – bis zu ihrem Abbruch darf sie nicht mehr betreten werden. Jederzeit einstürzen könnte auch die Bibliothek im Hauptgebäude der Klinik. Den Boden hat das Wasser dort so hochgedrückt, dass sich in der Mitte des Raums nun ein Krater auftut.

Zerstört sind auch alle Computer der Klinik. Nur ein Fünkchen Hoffnung bleibt, dass die Daten auf dem Server noch gerettet werden können. Keine Rettung gibt es dagegen für die Patientenakten im Archiv: Sie wurden im Keller gelagert. Dieser war komplett überflutet, im Erdgeschoss stand das Wasser bis zu den Fenstern. Zum Zeitpunkt der Katastrophe hielten sich rund 160 Patienten in der Klinik auf. Sie verbrachten die Unwetternacht in den oberen Etagen der vom Wasser umtosten Klinik. Alle hatten sie panische Angst.

Evakuierung auf eigene Faust

Noch viel näher dran an der Katastrophe waren die Patienten in den Außenhäusern der Klinik. In der Villa Griesinger, die im Zweiten Weltkrieg von Bomben zerstört und erst in den 1980er-Jahren wieder aufgebaut wurde, waren sie auch noch am nächsten Tag komplett vom Wasser umschlossen. An diesem ersten Tag nach der Flut wurde irgendwann klar: Offizielle Helfer zur Evakuierung würden wohl nicht kommen. Also evakuierte die Klinik auf eigene Faust. Mit privaten Pkw wurden die Patienten ins Auffanglager nach Ringen gebracht, diejenigen der geschlossenen Abteilung wurden in die Rhein-Mosel-Fachklinik transportiert. Zwei der Zwangsuntergebrachten kamen in diesen Wirren „abhanden“, sind mithilfe der Polizei aber wieder aufgetaucht.

Den Boden hier hat das Wasser so hochgedrückt, dass sich in der Mitte des Raums nun ein Krater auftut.
Den Boden hier hat das Wasser so hochgedrückt, dass sich in der Mitte des Raums nun ein Krater auftut.
Foto: Uwe Sülflohn

Sie sind jetzt aber ohnehin nicht mehr die Sorge der Ehrenwall‘schen Klinik: Der Klinikbetrieb ruht. Stattdessen wurde ein eigener Krisenstab gegründet. Bei Chefärztin Dr. Katharina Scharping, der stellvertretenden Verwaltungsleiterin Heike Heideck und Pflegedirektor Wolfgang Fobes laufen derzeit alle Fäden zusammen. Doch die Vielzahl dieser Fäden zu entwirren, bereitet Schwierigkeiten; es gibt einfach viel zu viel auf einmal zu organisieren. Im ganzen Chaos den Überblick zu behalten, fällt schwer.

„Wir drei würden uns manchmal wünschen, wir könnten auch Schlamm schaufeln“, sagen sie. Stattdessen müssen sie sich dringend mit der Zukunft der Klinik beschäftigen, die immerhin 323 Mitarbeiter zählt. Diejenigen unter den Mitarbeitern, die auch zu Hause von der Flutkatastrophe getroffen wurden, sind freigestellt. Die anderen kommen, um beim Aufräumen mit anzupacken, um zu retten, was noch zu retten ist. „Jeder tut, was er tun kann. Und viele tun mehr, als sie tun können“, sagt Chefärztin Scharping. Einige seien schon zusammengebrochen, andere traumatisiert und im akuten Schockzustand. Alle fragen sich auch: „Wie sicher ist unser Job?“

Hoffen auf einen Rettungsschirm

Geschäftsleitung und Krisenstab arbeiten unter Hochdruck daran, dass es weitergehen kann in der Ehrenwall‘schen. Glück im Unglück: Die Klinik hat eine Betriebsunterbrechungsversicherung. „Aber die zahlt auch nicht ewig“, gibt Heike Heideck zu bedenken. Die Klinikverantwortlichen hoffen deshalb auf einen Rettungsschirm. Geschäftsführer Dr. Christoph Smolenski hatte schon unmittelbar nach der Katastrophe mit den Versicherungen, dem Land und der Krankenhausgesellschaft Kontakte und Verhandlungen aufgenommen. Ziel ist es, die Klinik wieder aufzubauen, um möglichst schnell die psychiatrische Versorgung des Landkreises wiederaufnehmen zu können. Denn gerade jetzt ist eine Klinik, die sich mit der Spezialisierung auf Psycho- und Traumatherapie einen guten Ruf erworben hat, nötiger denn je.

Im Foyer der Klinik stehen Schaufeln bereit – neben einem Engel, den die Flut angetrieben hat.
Im Foyer der Klinik stehen Schaufeln bereit – neben einem Engel, den die Flut angetrieben hat.
Foto: Uwe Sülflohn

Wenigstens die ambulanten Hilfen für die Patienten sollen deshalb schnell wieder richtig anlaufen. In Bad Breisig, Sinzig, Lantershofen, Bad Neuenahr und Adenau entstehen aktuell Standorte für die ambulante Versorgung von Patienten. Parallel dazu werden die Aufräum- und Aufbauarbeiten auf dem Klinikgelände wohl noch Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Bei alledem gibt es aber auch Lichtblicke. Die unbeschreibliche Hilfsbereitschaft etwa. Unzählige freiwillige Helfer reihen sich in die Menschenkette ein, die immer noch den Schlamm aus dem verwinkelten Klinikkeller schafft. „Das motiviert schon“, betont Katharina Scharping.
Eine gespendete Feldküche zur Verpflegung von Mitarbeitern und Helfern ist erst seit vergangenem Mittwoch in Betrieb. Davor waren sie auf Essensgaben von Ehrenamtlichen und Foodtrucks angewiesen – mit der Folge, dass es manchmal zu viel Essen gab, manchmal aber auch zu wenig. In der aktuellen Notlage ist die Ehrenwall’sche wie alle Privathäuser in Ahrweiler: Sie freut sich über jeden Helfer, der vorbeikommt – besonders aber über die „Professionellen“. Mit schwerem Gerät ist das THW auf dem Klinikgelände im Einsatz, während eine Abordnung der Feuerwehr aus St. Blasien im Südschwarzwald eine Schlauchleitung legt, um der Ahr Wasser zum Schlammlösen zu entnehmen. „Danke, dass Sie da sind“, ruft Pflegedirektor Wolfgang Fobes ihnen im Vorbeigehen zu.

Von unserer Mitarbeiterin Petra Ochs