Hönningen/Ahrtal

Viele Hänge an der Ahr unter Beobachtung: Risiko für Rutschungen erhöht

Von Tim Saynisch
In Hönningen sichert das THW einen Hang mit schwerem Gerät. Laut dem Landesamt für Geologie und Bergbau stehen viele Böschungen entlang der Ahr unter Beobachtung. Für Entspannung ist trockenes Wetter nötig.
In Hönningen sichert das THW einen Hang mit schwerem Gerät. Laut dem Landesamt für Geologie und Bergbau stehen viele Böschungen entlang der Ahr unter Beobachtung. Für Entspannung ist trockenes Wetter nötig. Foto: Dreschers

Mit landesweit durchschnittlich 120 Liter Regen pro Quadratmeter gab es laut Deutschem Wetterdienst (DWD) im Juli in Rheinland-Pfalz etwa 66 Prozent mehr Niederschlag als in der Referenzperiode 1961 bis 1990. Im Kreis Ahrweiler kam es überdies zum Starkregenereignis in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli, das bekanntermaßen die verheerende Flut ausgelöst hat. Aufgrund dieser Wassermengen sind die Böden im Ahrtal nun sehr stark aufgeweicht, und Hänge drohen instabil zu werden – wie der Krisenstab erklärt, wird in Hönningen bereits ein Hang gesichert. Laut dem rheinland-pfälzischen Landesamt für Geologie und Bergbau (LGB) stehen weitere Hänge entlang der Ahr unter Beobachtung.

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Geländebegehungen im Ahrtal

Wie der Leiter des LGB, Professor Doktor Georg Wieber, auf RZ-Anfrage mitteilt, finden im Katastrophengebiet derzeit regelmäßige Geländebegehungen durch die Vertreter der Ortsgemeinden und Verbandsgemeinden und Katastrophenschutzkräfte von THW und Bundeswehr statt, die durch die Mitarbeiter des Referats Ingenieurbiologie des LGB begleitet werden. Bei diesen Begehungen würden Gefährdungsbewertungen für die Hänge im Ahrtal vorgenommen. Wenn bei den Begehungen „Anzeichen für aktuelle Hangbewegungen gefunden werden, zum Beispiel frische Risse in Straßen oder Häusern oder bereits eingetretene Umlagerungen, und Verkehrswege und Gebäude gefährdet sind, werden Sicherungsmaßnahmen notwendig“, erklärt Wieber schriftlich.

Solche Anzeichen festzustellen, ist laut Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, die als obere Bodenschutzbehörde nach den Erstsicherungsmaßnahmen die langfristige Stabilisierung der Hänge betreut, nicht einfach. „Akute Rutschungen lassen sich teilweise gar nicht vorhersehen. Indizien können beispielsweise Schrägstellungen von Bäumen sein oder das Entstehen von Erdspalten an den Abrisskanten“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der SGD Nord.

Zu den Erstsicherungsmaßnahmen zählen zum einen das Aufstellen von Absperrungen und die Evakuierung von gefährdeten Häusern, außerdem Arbeiten am Erdreich, um Hänge abzuflachen und so die Rutschgefahr zu mindern. Endgültige Sicherungsmaßnahmen sind laut SGD Nord hingegen fast immer Maßnahmenkombinationen, die auf die jeweilige Lage zugeschnitten werden müssten. Das LGB berät sowohl bei der Erstsicherung als auch bei der langfristigen Sicherung.

Laut LGB finden momentan mehrere Sicherungsmaßnahmen im Ahrtal statt, unter anderem in Antweiler, Schuld und Ahrbrück. Die Einsatzleitung im Katastrophengebiet hatte in den vergangenen Tagen zudem mehrfach ein Ereignis in Hönningen angesprochen. Es habe sich um einen alten Hangrutsch gehandelt, „der aber aufgrund der Regenfälle und der möglicherweise noch zu erwartenden Regenfälle noch einmal neu beurteilt wurde“, erklärte Heinz Wolschendorf, Einsatzleiter im Katastrophengebiet, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Von dem Hang gehe noch eine gewisse, aber beherrschbare Gefahr aus. Derzeit würden „unaufschiebbare Maßnahmen eingeleitet“, wie das Abtragen der Böschungskrone durch einen Bagger und das Verlegen einer wasserdichten Folie.

Laut der rund ein Dutzend Einsatzkräfte vom THW, die an dem Hang arbeiten, waren in der Böschung Messgeräte installiert, die dessen Neigung aufzeichneten. Die Helfer arbeiten sich nun mit einem Reifenbagger, bei dem jedes Rad einzeln steuerbar ist, durch den Hang – wenn diese die Haftung verlieren, könne sich das Gerät notfalls auch nur mit der Schaufel den Berg hochziehen. Abschließend soll die Folie angebracht werden.

Dass das Risiko für Hangrutsche im Ahrtal erhöht ist, liegt zum einen daran, dass die Böden in den letzten Wochen viel Wasser aufgenommen haben und schwer sind. Durch das Wasser werden außerdem die sogenannten haltenden Kräfte verringert. Die SGD Nord erklärt dies anhand eines Beispiels: „Bildlich gesprochen verzahnt sich der Hang mit dem Untergrund nicht mehr wie zwei Lagen Sandpapier, sondern es entsteht ein Schmierfilm.“ Georg Wieber vom LGB weist außerdem darauf hin, dass die Flut vielerorts ganze „Uferbereiche mitgerissen und zurückverlegt“ hat, sodass übersteile Hänge zurückblieben. Es fehle einigen Hängen nun an einem „Widerlager am Hangfuß“, also einem breiten Fundament, auf das sich die Böschung stützt. Neben den Auswirkungen der hohen Bodenfeuchtigkeit führt dies zusätzlich zu einer verminderten Standsicherheit einiger Hanglagen im Ahrtal. Ob die Zahl der gefährdeten Hänge weiter nach oben geht, liegt laut Wieber auch an den Witterungsbedingungen: „Wenn das Wasser im Boden langsam wieder abläuft und das Lockergestein abtrocknet, sinkt die Gefährdungslage.“ Dies gelte allerdings nicht für die übersteilen Hänge, denen nun das Fundament fehlt: „Wenn durch die Gewalt des Hochwassers der Hangfuß abgetragen wurde, kann hier die Gefährdung für Rutschungen höher sein als vor der Katastrophe.“ Derzeit würden noch „laufend neue Schadensfälle gemeldet“. Aufgrund der Vielzahl gefährdeter Hänge wird das LGB nach eigenen Angaben durch den Geologischen Dienst des Landes Hessen unterstützt.

Wetter bleibt vorerst wechselhaft

Die Wetteraussichten für die kommenden Tage lassen zunächst keine Entspannung im Untergrund vermuten. „Das Wetter bleibt vorerst wechselhaft, vereinzelt kann es auch zu kräftigen Schauern und Gewittern kommen“, lautet die Einschätzung von Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt von Wetterkontor im RZ-Gespräch. Das Erdreich bleibe weiterhin nass, ab Dienstag sei aber schöneres Wetter im Norden von Rheinland-Pfalz zu erwarten, „sodass die Böden vielleicht eine Chance haben, etwas abzutrocknen.“