Altenahr

Trotz massiver Schäden: Betroffene Gastronomen in Altenahr blicken optimistisch in die Zukunft

Von Sandra Fischer
Auch wenn zurzeit keine Gäste auf dem Balkon sitzen und den Ausblick auf das sonst so idyllische Ahrtal genießen, schauen Elsbeth Happe und Tochter Christa Storch nach vorn. Die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange, die To-do-Liste für die Reparaturen steht, und im März/April soll das Gasthaus Assenmacher hoffentlich wieder seine Türen öffnen.
Auch wenn zurzeit keine Gäste auf dem Balkon sitzen und den Ausblick auf das sonst so idyllische Ahrtal genießen, schauen Elsbeth Happe und Tochter Christa Storch nach vorn. Die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange, die To-do-Liste für die Reparaturen steht, und im März/April soll das Gasthaus Assenmacher hoffentlich wieder seine Türen öffnen. Foto: Rüdiger Mosler

„Wir sind Rheinländer, wir sind von Natur aus optimistisch“, lacht Elsbeth Happe und gießt die Geranien auf dem Balkon. „Die Blumen können ja nichts dafür, dass zurzeit keine Gäste da sind, um sie zu bewundern.“ Bis die roten, pinken und weißen Blüten wieder von Touristen bestaunt werden können, wird es auch noch etwas dauern.

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„Bis März, April“, schätzt Tochter Christa Storch. Denn hinter dem Balkon, der in Zeiten ohne Hochwasser Blick auf das pittoreske Ahrufer bietet, wechseln sich Bagger, Lkw und ein Kran bei den Aufräumarbeiten ab. Während Storch, die mit ihrer Familie im Dachgeschoss des Gasthauses Assenmacher wohnt, von der Flut verschont blieb, sind Restaurant, Küche und Keller Opfer des Wassers geworden. Wie die Wohnung ihrer Eltern, die auf Küchenniveau liegt, mit großer Fensterfront zum Garten und Ahrufer hinaus. Einzig ihre geliebte Delfter Vase und ein Holzkreuz ihres Großvaters von 1928 sind ihr geblieben. „Und die Teppiche“, schmunzelt Tochter Christa. Die sind nun in Zimmer 1, das als temporäres Wohnzimmer für Elsbeth und ihren Mann Wolfram dient, der das Traditionshaus, das seit 1928 in Familienbetrieb ist, 1983 von seiner Mutter übernommen hatte. Die beiden sind jetzt Gäste im eigenen Hotel, lassen sich aber nicht unterkriegen. In den ersten Tagen kam die Kleidung von Freunden und Bekannten, die Schlüpfer aus dem nächstgelegenen Supermarkt, und bereits am Montag nach der Katastrophe wurden Möbel bestellt. Auch wenn die Räume ihrer ehemaligen Wohnung von Schlamm und Wassermarkierungen durchzogen sind und erst einmal nicht nach „Schöner Wohnen“ aussehen, denn die alles vernichtende Flut stand dort bis unter die Decke.

Auch wenn zurzeit keine Gäste auf dem Balkon sitzen und den Ausblick auf das sonst so idyllische Ahrtal genießen, schauen Elsbeth Happe und Tochter Christa Storch nach vorn. Die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange, die To-do-Liste für die Reparaturen steht, und im März/April soll das Gasthaus Assenmacher hoffentlich wieder seine Türen öffnen.
Auch wenn zurzeit keine Gäste auf dem Balkon sitzen und den Ausblick auf das sonst so idyllische Ahrtal genießen, schauen Elsbeth Happe und Tochter Christa Storch nach vorn. Die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange, die To-do-Liste für die Reparaturen steht, und im März/April soll das Gasthaus Assenmacher hoffentlich wieder seine Türen öffnen.
Foto: Rüdiger Mosler

Wie die meisten Bewohner von Altenahr hatten auch die Familien Happe und Storch nicht damit gerechnet, Opfer einer Flutkatastrophe zu werden. Eine Warnung oder Aufforderung zur Evakuierung gab es nicht, und auch wenn Starkregen angesagt war, „beim sogenannten Jahrhunderthochwasser 2016 stand das Wasser gerade mal bis zur Hälfte unseres Parkplatzes hinter dem Haus“, erzählt Christa Storch. So läuft an jenem Mittwochabend das normale Programm im Hause Assenmacher. Die Gäste speisen und genießen einen guten Tropfen auf dem Balkon, schießen Fotos vom immer höher steigenden Wasser, fühlen sich sicher. Doch das sollte sich bald ändern. Irgendwann fällt der Strom aus. „Kein Problem, wir kochen ja mit Gas, wir konnten die Gäste also weiter verköstigen, und als Lichtquelle haben wir überall Kerzen aufgestellt. Nur Dessert gab es keines“, resümiert Storch den schicksalshaften Abend.

Mit Windlichtern aufs Zimmer

Doch langsam alarmiert der ungewöhnlich hoch und schnell steigende Pegel auch die alteingesessenen Anwohner. Mit Schutt und Plastiktüten wollen sie die Wassermassen aufhalten. Vergeblich. Verzweifelt versuchen Storch, ihr Mann und das Restaurantpersonal zu retten, was zu retten geht. In der Wohnung der Eltern stehen die Teppiche hinter Fernsehgerät ganz oben auf der Prioritätenliste und das Fernsehgerät, das aber so schnell nicht von der Wand abmontiert werden kann. Die Hotelgäste werden mit Windlichtern auf die Zimmer geschickt, wo sie zusammenrücken müssen, damit auch die Restaurantbesucher für die Nacht untergebracht werden können. Auch bei Storchs selbst wird es eng, 14 Leute inklusive ihrer Eltern und dem Küchenpersonal finden Quartier unter dem Dach. Denn raus kommt erst einmal keiner mehr.

„Ich habe alles verloren, aber trotzdem möchte ich bleiben“: Guillermo Pinnhammer im völlig zerstörten Thekenraum seiner angepachteten Gastronomie. Mit Vorschlaghammer, Schubkarre und Schaufel erledigt er mit Freunden die ersten Vorarbeiten, damit möglichst bald Handwerker mit dem Wiederaufbau beginnen können. Wenn er denn welche bekommen kann.
„Ich habe alles verloren, aber trotzdem möchte ich bleiben“: Guillermo Pinnhammer im völlig zerstörten Thekenraum seiner angepachteten Gastronomie. Mit Vorschlaghammer, Schubkarre und Schaufel erledigt er mit Freunden die ersten Vorarbeiten, damit möglichst bald Handwerker mit dem Wiederaufbau beginnen können. Wenn er denn welche bekommen kann.
Foto: Rüdiger Mosler

Zweieinhalb Wochen nach der Katastrophe blickt die Hoteliersfamilie voller Zuversicht in die Zukunft. „Die Planungen sind in vollem Gang, Theke und Zwischenwände wurden bereits rausgerissen, für den Wiederaufbau der Küche warten wir auf einen Kostenvoranschlag. Der Teppichboden muss neu gemacht werden und die Elektrik auch. Das Schwierige wird sein, Handwerker zu finden, denn die braucht momentan jeder“, berichtet Storch, die noch in der Flutnacht die Versicherungsunterlagen herauskramte. Denn wie es das Schicksal so wollte, wechselte die Familie vor fünf Jahren die Versicherung und inkludierte Überschwemmung. Im Vergleich zu anderen Betroffenen haben die Storchs Glück gehabt: „Wir haben keinen Menschen verloren und noch ein Dach über dem Kopf“, so Storch.

Da das Wasser in den Restaurantbereich nur leicht reinschwappte, haben Stühle, das Goldrandporzellan und Besteck kaum Schaden davongetragen. Und neben den Kaninchen der Kinder konnten sogar 6 der ursprünglich 40 Goldfische gerettet werden. „Einer schwamm im Keller des Nachbarn, die anderen in Eimern auf der Baustelle nebenan“, schmunzelt Christa Storch und einmal mehr wiederholt sie ihr Mantra: „Wir machen weiter.“ Auch die Angestellten sind mit dabei und freuen sich auf den Neubeginn. Einziger Wermutstropfen: Die beiden Auszubildenden, die durch Corona sowieso schon viel Berufsschulzeit verloren haben, haben in der Zwischenzeit weder einen alternativen Ausbildungsbetrieb, noch können sie zur Berufsschule gehen, die ebenfalls Opfer der Fluten wurde. Doch die IHK fühle sich nicht zuständig, berichtet Storch. „Wir sollen uns selbst drum kümmern“, so die Ansage an die Hochwasserbetroffene inmitten von Flutschlamm, To-do-Listen und Aufräumarbeiten.

„Ich habe alles verloren, aber trotzdem möchte ich bleiben“: Guillermo Pinnhammer im völlig zerstörten Thekenraum seiner angepachteten Gastronomie. Mit Vorschlaghammer, Schubkarre und Schaufel erledigt er mit Freunden die ersten Vorarbeiten, damit möglichst bald Handwerker mit dem Wiederaufbau beginnen können. Wenn er denn welche bekommen kann.
„Ich habe alles verloren, aber trotzdem möchte ich bleiben“: Guillermo Pinnhammer im völlig zerstörten Thekenraum seiner angepachteten Gastronomie. Mit Vorschlaghammer, Schubkarre und Schaufel erledigt er mit Freunden die ersten Vorarbeiten, damit möglichst bald Handwerker mit dem Wiederaufbau beginnen können. Wenn er denn welche bekommen kann.
Foto: Rüdiger Mosler

Kunden zum Bleiben animieren

Davon kann auch Guillermo Pinnhammer, Betreiber des Ristorante da Paolo, ein Lied singen. Mit Vorschlaghammer, Schubkarre und Schaufel steht er in seinem ehemaligen Gastraum und reißt mithilfe von Freunden Estrich, Putz und Fliesen raus. „Alles aus Holz“, Küche und Möbel sind zerstört. „Ich habe alles verloren, aber trotzdem möchte ich bleiben. Das wäre doch sonst total traurig, wenn es im Ahrtal nichts mehr gäbe.“ Seit neun Jahren betreibt der Halbitaliener in Altenahr ein italienisches Restaurant, vorher betrieb er eine Gastronomie in Ahrbrück. „So viele Jahre, so viele treue Kunden, da geht man nicht einfach weg.“ Auch wenn die zerstörten Räume ein ganz anderes Bild zeigen, Pinnhammer versichert: „Das sind alles Kleinigkeiten im Vergleich zu denen, die nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf haben.“ Der Gastronom wohnt mit seiner Familie höher im Ort und wurde privat nur minimal betroffen.

Beruflich sieht es leider ganz anders aus. Wann im beliebten Ristorante wieder Pizza und Pasta kredenzt werden, ist noch nicht absehbar, die nächsten sechs Monate gewiss nicht. Pinnhammer schätzt den Schaden auf etwa 100.000 Euro. Im Gegensatz zu Familie Storch ist er nicht gegen Überschwemmungen versichert. „Wer denkt denn an so etwas? Das ist die letzten 100 Jahre nicht passiert, selbst 2016 stand das Wasser höchstens bis zur Straße.“ Wie alle anderen wurde auch der 55-Jährige von der Flut kalt erwischt. „Es gab keine Warnung, nichts.“ Als erkennbar ist, dass dies kein normales Hochwasser ist, versucht Pinnhammer, Wertgegenstände wie den neuen Gefrierschrank, die neue Teigmaschine, die Kasse nebst Geld sowie das Kartenlesegerät zu retten. Doch am Ende wird alles außer dem Bargeld Opfer der Fluten. Mit seiner Schwester, Nichte und dem Pizzabäcker rettet er sich aufs Dach, die Hausgäste von der Nordsee sind in ihren Zimmern im zweiten Stock sicher untergebracht.

Kein Kontakt für drei Tage

„Das Schlimmste war die Isolation danach. Wir hatten keinen Strom, kein Wasser, Handynetz, keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich wusste drei Tage nicht, was mit meiner Mutter und meinen beiden Brüdern in Ahrweiler ist, und wir konnten ja auch nicht raus“, erinnert sich Guillermo Pinnhammer. Er habe in diesem ersten Tagen schon überlegt, wie es weitergehen solle, doch „etwas sagt mir, ich muss weitermachen“. Das größte Problem werden die Handwerker sein, ist sich der Gastronom sicher, die werde er wohl von weither holen müssen. Dennoch ist er zuversichtlich. „Das wird wieder.“ Ohrstöpsel rein, Schutzbrille auf, und schon geht es mit dem Vorschlaghammer wieder an die Arbeit.

Von unserer Mitarbeiterin Sandra Fischer