Ahrtal

THW hat fast 30 Provisorien gebaut: Wie es mit den Brücken im Ahr-Flutgebiet weitergeht

Von Jens Albes, dpa
Viele neue Behelfsbrücken im Ahr-Flutgebiet Foto: dpa

Die tödliche Ahr-Flut hat bekanntlich auch viele der über 100 Flussbrücken im Ahrtal zerstört. Das hat Anwohner zu langen Umwegen gezwungen. Der Wiederaufbau mancher dieser Bauwerke zieht sich jahrelang hin. Immer noch entstehen auch neue Behelfsbrücken.

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Schon fast 15 Monate ist die tödliche Ahr-Flut her. Trotzdem schlagen Experten immer noch neue Behelfsbrücken über den Fluss. Erst kürzlich hat das Technische Hilfswerk (THW) wieder eine provisorische Querung in der Kreisstadt für Fußgänger und Radfahrer gebaut (wir berichteten). Inklusive zweier noch geplanter Projekte wird das THW bald rund 30 provisorische Querungen im Ahrtal geschaffen haben, wie sein Mitarbeiter Armin Theis sagt. „Wir haben noch nie so viele Brücken in einer einzigen Region gebaut“, betont er. Umso mehr werden künftige dauerhafte Ahr-Querungen noch auf etliche Jahre hinaus Thema sein.

Kaputte Brücke als Mahnmal?

Die Wiederaufbaubeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Innenstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD), hat erläutert: „115 Brücken gibt es entlang der Ahr von der Quelle in Blankenheim in Nordrhein-Westfalen bis zur Mündung in Sinzig am Rhein im Kreis Ahrweiler.“ 60 Prozent davon seien bei der Sturzflut im Juli 2021 mit mindestens 134 Todesopfern schwer beschädigt oder zerstört worden, die meisten davon im Kreis Ahrweiler. Eine kaputte Fußgängerbrücke beispielsweise liegt bis heute im Kurpark von Bad Neuenahr – erwogen wird laut Stadtverwaltung, sie hier auf Dauer als Mahnmal zu erhalten.

Viele neue Behelfsbrücken im Ahr-Flutgebiet
Foto: dpa

Die Brückenzerstörungen haben Anwohner zunächst zu teils langen Umwegen gezwungen. Entsprechend dankbar sind sie für Behelfsbrücken. „Da kommen auch welche mit Kaffee zu uns“, hat THW-Sprecher Michael Walsdorf einst gesagt. Ehrenamtliche THW-Helfer bauen die provisorischen Querungen mit vorgefertigten Rahmen und Trägern aus Metall auf: „Das ist wie bei einem Stabilbaukasten für Kinder, bloß in Groß“, hat Walsdorf erklärt. Laut THW-Mitarbeiter Theis stammen die Brücken aus Beständen des Bundesverkehrsministeriums oder aus England. In Deutschland gibt es keine Behelfsbrückenbauer.

Manche der Provisorien könnte schon vier oder fünf Jahre im Ahrtal bleiben, vermutet Theis. Technisch sei das kein Problem: „Sie liegen ja nicht einfach auf der Wiese, sondern auf eigenen Betonfundamenten." Allerdings hat auch der Wiederaufbau dauerhafter Lösungen längst begonnen. So ist erst kürzlich bei Sinzig eine neue Teilbrücke der vierspurigen Bundesstraße 9 über die Ahr mit Kosten von rund zehn Millionen Euro in Betrieb genommen worden. Ihre Vorgängerin hatte die Sturzflut so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden musste.

Etliche zerstörte Ahrbrücken sollen anders wieder aufgebaut werden: Die historischen Querungen mit Rundbögen und mächtigen Pfeilern haben in der Flut weggeschwemmte Bäume, Öltanks, Autos und Wohnwagen aufgehalten. Damit hat sich die gewaltige Flutwelle im teils engen Flusstal um schätzungsweise bis zu etwa 2,50 Meter erhöht, wie der für Gewässer zuständige Abteilungsleiter bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz, Joachim Gerke, erklärt.

Viele neue Behelfsbrücken im Ahr-Flutgebiet
Foto: dpa

Der Abflussquerschnitt neuer Brücken solle möglichst ein Hochwasser samt Treibgut durchlassen, das es statistisch nur alle 100 Jahre gebe – mit noch einem Meter Luft bis zur Brückenunterseite und wenigen oder keinen Pfeilern. Im Gespräch sind auch umklappbare Geländer, damit sich weniger Treibgut aufstaut. Ein sogenannter Kolkschutz soll bei neuen Brücken Eintiefungen in der Flusssohle verhindern. Bei der Flut sind laut Gerke auch Brückenfundamente unterspült worden.

Zugleich sagt er, es gehe nicht nur um reine Zweckbauten. Viele historische Brücken seien identitätsstiftend für das touristische Ahr-Rotweingebiet gewesen. Ein neues Betonbauwerk könne daher zum Beispiel mit Natursteinen verkleidet werden. Zur Vermeidung eines Sammelsuriums von Einzellösungen soll noch dieses Jahr ein erstes Gestaltungskonzept eines Ingenieur- und eines Architekturbüros für die Wiedererrichtung zerstörter Brücken vorliegen. Auch das Projektbüro Wiederaufbau Ahrtal des Landesbetriebs Mobilität (LBM) hat kürzlich betont: „Die technischen und hydraulischen Anforderungen an die neuen Brücken sind sehr hoch und müssen gut durchdacht sein. Die Ästhetik darf dabei jedoch nicht zu kurz kommen.“

Nepomukbrücke als Streitfall

Das ist oft ein Spannungsfeld. Exemplarisch zeigt sich das bei der rund 300 Jahre alten Nepomukbrücke in Rech. Die Flut hat ihren vierten Steinbogen weggerissen. Jetzt tobt ein Streit, ob sie ganz abgerissen soll.

Der neue Bürgermeister von Rech, Benjamin Vrijdaghs, (parteilos) erklärt, sein Herz bedeute ihm, das denkmalgeschützte Wahrzeichen des Winzerdorfs zu erhalten, sein Verstand sage das Gegenteil. „Die Ahr verjüngt sich gerade dort, bei einer Flut könnte es an den breiten Brückenpfeilern wieder zu viel Aufstauung kommen, die Sicherheit muss vorgehen“, erläutert Vrijdaghs. „Studien sagen unisono: Die Brücke muss weg.“ So habe es auch der Gemeinderat beschlossen. In Kürze will die Untere Denkmalschutzbehörde endgültig über ihr Schicksal entscheiden, wie die Kreisverwaltung Ahrweiler mitteilt. Vrijdaghs sagt: „Ich habe vorgeschlagen, bei unserem neuen Gemeindehaus zur Erinnerung die Steine von der Brücke zu verwenden.“ Jens Albes, dpa