Die Menschen versuchen, mit dem äußerlichen Chaos umzugehen, die schlimmen Erlebnisse bleiben im Kopf
Spaghetti Bolognese zwischen Sperrmüll: Wie die Menschen versuchen, mit dem Chaos umzugehen – schlimmste Erlebnisse bleiben im Kopf
Aufräumen in Ahrweiler: Alle packen mit an – ob mit den Händen ...
Uwe Sülflohn

Ahrweiler. Die Karwane der Hilfe ist in Bewegung. Schon am Freitag rollt immer mehr großes Gerät in Richtung Kreisstadt. Am Samstag müssen sich Bundeswehrlaster, THW-Einsatzfahrzeuge, Feuerwehren und Krankenwagen die Straßen Richtung Ahrtal mit vielen Privatautos teilen. Menschen aus nah und fern, ausgerüstet mit Schaufeln und Gummistiefeln, sind angereist, um Verwandten, Freunden oder Fremden zu helfen.

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Wie die Gruppe aus dem Brohltal, die an der Piusstraße mit anpackt. Vorher gekannt hat man sich nicht. „Wir sind sehr dankbar“, unterstreicht der Hauseigentümer. Überall entlang der Straße das gleiche Bild. Menschen schleppen zerstörte Besitztümer aus den Häusern und stapeln alles auf. Rund drei Meter hoch und kilometerlang erstreckt sich der Sperrmüllberg bereits. Und er wird immer höher. Die Flut hat überall zähen Schlamm hinterlassen. Zentimeterhoch liegt die rutschige braune Masse auf Straßen und in Gebäuden. Es ist ein Knochenjob. Noch immer gibt es kein Wasser, auch kein Telefon, kein Gas und keine Elektrizität. Der Lärm von einem Stromaggregat hört sich in diesen Tagen an wie Musik. „An manchen Aggregaten hängen zehn Handys“, weiß der Bachemer Ortsvorsteher Uli Stieber.

Frank Wirfs aus Bad Godesberg hat seine Familie zusammengetrommelt und seine mobile Küche an der Ramersbacher Straße in Ahrweiler postiert. Mit dieser modernen Gulaschkanone versorgt er sonst Gäste von Großveranstaltungen. Hier gibt es sein Essen gratis für jeden, der Hunger hat. Eine heiße Suppe oder Spaghetti Bolognese. „Die Leute müssen doch mal was Warmes essen“, meint Wirfs. Die Menschen sind froh und dankbar. „Das waren eindeutig die besten Spaghetti Bolognese meines Lebens“, sagt ein junger Mann, der schlammverdreckt auf dem Bürgersteig hockt.

Die Ramersbacher Straße ist die wichtigste Einfallroute aus südlicher Richtung. Sie führt am BABZ (ehemals AKNZ) vorbei zum rechten Ahrufer und den dortigen Stadtteilen. Hier spielen sich chaotische Szenen ab. Autos suchen einen Parkplatz, Einsatzfahrzeuge mit Räumgeräten kommen nicht weiter. Die Folge: Stau und blank liegende Nerven.

Aufräumen und Grundbedürfnisse wie waschen, essen und kommunizieren beherrschen die Gedanken der Menschen. Aber das Erlebte wirklich begreifen kann noch niemand. Menschen haben Traumatisches erlebt in der Flutnacht und danach. Drei junge Leute aus Dedenbach kommen am Samstag, um hier Freunden zu helfen. Marina und Tom waren in der Nacht zum Donnerstag in Ahrweiler unterwegs und werden das Erlebte nie vergessen. „Als wir sahen, wie ein Gullydeckel sich hob, haben wir überall geklingelt und gesagt: Leute, das Wasser kommt! Aber die meisten meinten: Ach, wird schon nicht so schlimm werden“, erzählt Tom. „Dann kam das Wasser, und in wenigen Minuten standen wir bis zur Brust darin. Und ich sah die Autos mit Riesengeschwindigkeit auf uns zuschwimmen. Keiner wollte uns reinlassen“, berichtet Marina. In der Bachemer Straße 7 endlich öffnete man ihnen die Tür. „Die Leute haben uns das Leben gerettet.“ Es gab trockene Kleidung, und die Hausgemeinschaft des Drei-Parteien-Hauses verbrachte die Nacht gemeinsam im obersten Stock, während darunter die Wohnung geflutet wurde. Ein Bild geht den beiden nicht aus dem Kopf: „Wir sahen zwei Leute, die standen bis zum Hals im Wasser und hielten einen Säugling hoch über ihren Köpfen. Man warf ihnen Seile zu, aber die Strömung war zu stark. Ich hoffe, sie haben überlebt.“

Von unserer Mitarbeiterin Gabi Geller

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