Sinzig

Sinziger Bauern in Not: Niemand will ihr Gemüse haben

Von Frank Bugge
Lea Orth und ihre Söhne Paul Wilhelm und Karl Wilhelm vom Wilhelmshof in Bad Bodendorf auf dem Feld zum Selbstflücken, auf dem prächtige Petersilie zu bekommen ist.
Lea Orth und ihre Söhne Paul Wilhelm und Karl Wilhelm vom Wilhelmshof in Bad Bodendorf auf dem Feld zum Selbstflücken, auf dem prächtige Petersilie zu bekommen ist. Foto: Frank Bugge

In der Flutnacht und den Tagen danach sind sie der Zerstörung durch Wasser und den Schlamm der Ahr entgangen. Doch jetzt drohen andere existenzgefährdende Entwicklungen. Denn auf dem Wilhelmshof, von 2017 bis 2019 in der Ahraue zwischen dem Soldatenfriedhof Bad Bodendorf und dem Sinziger Mineralbrunnen erbaut, bleiben ausgerechnet in der Haupterntezeit die Kunden aus. Weil die Pkw-Verkehrsverbindung in Sinzig über die Brücke Kölner Straße unterbrochen ist. Zudem grassiert bei den Menschen die Angst davor, dass Obst und Gemüse von den Feldern rund um den Hof von dem mit Schadstoffen belasteten Ahrhochwasser kontaminiert oder zumindest ungenießbar geworden sind.

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Wilhelmshof-Bäuerin Lea Orth kann den Befürchtungen doppelt entgegentreten. Das Hochwasser von der Ahrseite hat die Gemüseäcker und Salatfelder sowie den Hof wundersamerweise gar nicht erreicht. Dagegen hatte sich ein breiter Strom oberhalb des Bauernhofes von Bodendorf entlang des Radweges an der Bundesstraße B 266 in Richtung Sinziger Brunnen breitgemacht. Hier in der langen Senke sei früher mal der eigentliche Lauf der Ahr gewesen, hat Lea Orth recherchiert.

Dieses Wasser sei nicht stehen geblieben, sondern habe die fruchtbare Ackerkrume mitgenommen. Das sei der einzige Schaden. Es gebe kein Geruch nach Öl oder Moder. Treibgut sei kaum angekommen. „Die Rote Beete, die oben wächst, hat kein Wasser gesehen“, verstärkt sie ihre Aussage. Ebenso seien die Kartoffeln sauber. Das Gewächshaus habe ebenfalls nichts abbekommen.

Den Hühnern ist bei der Flut nichts passiert.
Den Hühnern ist bei der Flut nichts passiert.
Foto: Frank Bugge

Außerdem haben die Wilhelms-höfer zur eigenen Absicherung Bodenproben auf Schwermetall und Coli-Bakterien untersuchen lassen. Die Ergebnisse seien unbedenklich. Sie beteuert: „Und glauben Sie mir, wir bieten nur das an, was wir vertreten können.“ Im kleinen Hofladen können die Kunden je nach Erntezeit Busch- oder Stangenbohnen, Kartoffeln, Salate, Sellerie, Kohlsorten, Paprika, Gurken, Zucchini, Tomaten, Kürbisse oder Blumen kaufen. Es gibt keine Bedienung, nur eine Kasse und das Vertrauen auf die Ehrlichkeit der Einkäufer. Wer will und kann, darf sogar draußen auf dem Feld selbst ernten. Ein Angebot, das gern von Familien mit Kindern genutzt wird.

Zweites Standbein ist die Eierproduktion. Mittlerweile 700 Hühner werde in drei Hühnermobilen gehalten, mit denen immer wieder die „Weide“ gewechselt werden kann. Den Hühnern ist bei der Flut nichts passiert.

Zum „erlebbaren“ Bauernhof, der für Kinder ein Lernort ist, gehört noch eine Ferienwohnung. Die war bis Oktober ausgebucht; doch die Mieter sind nach der Katastrophe abgesprungen. Flutopfer aus Sinzig haben hier eine Bleibe gefunden.

Vorbereitungen auf das Hochwasser wirkungslos

Ähnlich wie dem jungen Wilhelmshof erging es in der Flutnacht dem geschichtsträchtigen Godenhaus nahe der Sinziger Kläranlage. Die Familie Knops hatte sich auf das Ahrhochwasser vorbereitet. Doch dann, am 15. Juli um 4.30 Uhr, schoss das Wasser plötzlich aus dem von Rohren durchzogenen, nahe gelegenen Bahndamm mit hohem Druck von hinten auf das Grundstück und auf den Hof. Blitzschnell war der vor Jahrzehnten zugeschüttete Mühlenteich wieder frei. Die Flut spülte die Grundmauern der alten Mühle frei, sodass man heute wieder sehen kann, wo einst die Achsen der Mühlräder eingelassen waren. Johannes Knops baut gerade die Mühle zum Wohnhaus um. Der Rohbau samt neuer Heizung wurden geflutet. Scheune, Werkstätten und Hof wurden überschwemmt, aber keineswegs von der Ahrseite. Dort kamen Wasser und Treibgut erst später, zerstörten die Zäune der Kuhweiden und verdreckten die Weiden und Futterwiesen.

Die weißen Charolais-Kühe der Muttertierhaltung erlebten das Hochwasser im Stall. Die Legehennen mussten einzeln aus dem überfluteten Hühnerfreilauf auf höher gelegene Weidefläche gebracht werden.

Obwohl die Familie selbst einen großen Schaden hatte, ist sie nach der ersten Eigenhilfe mit allen möglichen Großgeräten und samt Freunden in den Grünen Weg und später in die Hohenstaufenstraße zum Helfen ausgerückt. „Wir haben hier alles stehen und liegen gelassen, denn da war es schlimmer“, beschreibt Michael Knops. Er ist nicht verbittert, betont aber klar: „Wenn es hier und heute bei uns ganz gut aussieht, dann haben wir das alles selbst gemacht.“ Öffentliche Hilfe oder die von Organisationen habe es nicht gegeben.Die Kühe haben inzwischen ihren Alltagstrott wiedergefunden. Ebenso wie die Legehennen, die wieder fleißig die Eierkartons füllen.

Die Drei-Generationen-Familie Orth lebt auf dem Wilhelmshof und hat sich damit ihren Lebenstraum erfüllt: Es sind Bauer Willi Orth, Ehefrau Martina, Sohn Niklas Wilhelm und dessen Frau Lea, geborene Ockenfels, mit den Söhnen Paul Wilhelm und Karl Wilhelm. Die „Wilhelme“ motivierten zum Namen des Hofes, wo nicht „bio“, aber naturnah erzeugt wird.

Heinrich Gude erhielt das Anwesen samt eines abgeleiteten Kanals aus der Ahr 1297 von König Adolf als Reichslehen. Der „Gude Ritter Heinrich“ gab Gut Godenhaus seinen Namen. Eigens für das Godenhaus war ein Mühlengraben, von Bodendorf kommend, angelegt worden, der Ahrwasser zu der Mühle leitete. Später sind entlang dieses nach dem Zweiten Weltkrieg stillgelegten Mühlteichs weitere Mühlen gebaut worden.

Von unserem Mitarbeiter Frank Bugge