Nürburg

Simulator statt Nürburgring: Truck-Grand-Prix wechselt ins Internet

Von dpa
Natürlich findet auch der Truck-Grand-Prix nächstes Jahr wieder auf dem Ring statt.  Foto: Nürburgring/Robert Kah
Natürlich findet auch der Truck-Grand-Prix nächstes Jahr wieder auf dem Ring statt. Foto: Nürburgring/Robert Kah

Der Nürburgring gehört in diesen Tagen eigentlich den Renntrucks: Hochgezüchtete Lastwagen rasen dann mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde über den Asphalt. Doch Corona zwingt diese Europameisterschaft mit PS-Monstern zur Flucht ins Internet. Funktioniert das Experiment?

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Sascha Lenz beschleunigt. Er wird in den Sitz gedrückt. Er dreht leicht am Lenkrad. „Das feine Gefühl für den Truck, das fehlt einfach im Simulator“, bedauert er. Dröhnende Motoren, quietschende Reifen: Eigentlich wäre Lenz dieses Wochenende (17. bis 19. Juli) beim Truck-Grand-Prix am Nürburgring vor wohl mehr als 100 000 Zuschauern mit seiner Renn-Zugmaschine über den Asphalt gerast. Doch Corona verhindert dieses Jahr bislang die Truck-Rennen der FIA-Europameisterschaft von Tschechien bis Spanien. Georg Fuchs, Chef der zuständigen ETRA Promotion GmbH in Koblenz, sagt: „Wir haben uns daher entschlossen, die Rennserie virtuell aufzusetzen.“ Danach sollen von Ende August an, so hofft er, noch sechs reale Truck-Rennen folgen, womöglich als Geisterrennen wie derzeit bei der Formel 1.

Mit der Digitalisierung „haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht“, betont Fuchs. Das erste virtuelle Truck-Rennen ist Ende Mai gestartet, das letzte Mitte August geplant. Viele Fans ziehen mit: „Bisher hatten wir im Durchschnitt 129 000 Zuschauer“, berichtet der Promoter. Damit bleibe der Truck-Grand-Prix auch im Netz unter den Top drei der zuschauerstärksten Motorsport-Events in Deutschland.

13 Renn-Truck-Fahrer seien mit Simulatoren mit Steuerrädern, Schalthebeln und mehreren großen Bildschirmen vorne und an den Seiten mit von der Partie. Der Verein Virtual Racing habe bei der Entwicklung der digitalen Rennserie geholfen. Alles sei eng an die realen Events angelehnt. „Wir haben zum Beispiel ein digitales Studio mit einem Livestream in fünf Sprachen“, sagt Fuchs. Bei Regelverstößen drohten Fahrern auch am Simulator Strafen.

Sascha Lenz' Managerin und Mutter Silvia Lenz in Weißenthurm bei Koblenz hat bei der Anfrage für die virtuelle Rennserie zuerst gedacht: „Oh Schreck, das ist nichts für mich! Aber je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, wenn unsere Fans nicht zu uns kommen können, dann halt umgekehrt.“ Ein geeigneter Simulator koste von 3000 Euro an aufwärts. „Verbunden sind Rennleitung und Fahrer über Skype, das heißt wir sind europaweit miteinander vernetzt“, ergänzt Silvia Lenz. Bei der Entwicklung dieses „E-Racing“ seien zahlreiche E-Mails nötig gewesen, bis „der virtuelle und der reale Truck optisch übereinstimmten“.

Renn-Truck-Pilot Sascha Lenz sitzt in seiner Truck-Halle angeschnallt auf einem Fahrersitz, der sich bei jeder Kurve bewegt, und starrt auf seine drei großen Bildschirme: „Der Simulator gibt nicht zu 100 Prozent genau das Feeling zurück wie das reale Auto. Der Simulator ist einfach teilweise viel zu schnell oder dann auch wieder viel zu langsam.“ Die Fliehkräfte fehlten, das Bremsgefühl sei anders.

Kein Wunder, die hochgezüchteten realen Zugmaschinen mit fast 1100 PS beschleunigen in nur rund fünf Sekunden auf 160 Kilometer pro Stunde: Den Zuschauern am legendären Nürburgring in der Eifel haben sie in den vergangenen Sommern XXL-Motorsport geboten. Vor den Kurven auf der verkürzten Grand-Prix-Strecke haben die Fahrer hammerhart gebremst und die beiden äußeren Räder dann das Asphaltband verlassen.

Trotz der Einschränkungen bei virtuellen Rennen hat Sascha Lenz „viel Spaß am Simulator“. Dies sei eine Möglichkeit in Corona-Zeiten, „um dann im Winter weiter trainieren zu können“. Die meisten anderen Fahrer sähen das ebenso. Georg Fuchs von der ETRA Promotion GmbH, einer 100-prozentigen Tochter des ADAC Mittelrhein, vermutet, jüngere Fahrer mit Gaming-Erfahrung seien hier etwas im Vorteil.

Die geplante reale Serie von sechs Truck-Grand-Prix-Rennen zwischen Ende August und Mitte November möglichst mit Zuschauern soll endlich wieder für Einnahmen sorgen, denn die jetzigen virtuellen Events sind für Fans gratis. „Wir haben keine TV-Lizenz-Einnahmen wie die Formel 1, wir sind auf zahlende Zuschauer angewiesen“, erklärt der Promoter.

„Es ist ein Festival für und von Lkw-Fahrern“, ergänzt Fuchs. In der Realität mit einer ganz eigenen Atmosphäre mit Country-Live-Musik und Cowboy-Hüten: „Hier kannst du ins Fahrerlager gehen, zuschauen und mit den Fahrern sprechen. Das ist bei der Formel 1 nicht so“, hat ein Fan einst beim realen Truck-Grand-Prix am Nürburgring gesagt. Viele Besucher sind damals im Lastwagen angereist, oft Berufskraftfahrer mit ihren Familien und Speditionen mit ihren Mitarbeitern. Manche Fans haben sich komplette Wohnungen in ihren Lkw eingerichtet – Motorsport-Kurzurlaub in der Eifel mit vielen Gleichgesinnten. Vom 16. bis 18. Juli 2021 soll er wieder am Nürburgring angeboten werden.