Ahrtal

Sie geben Halt und halten aus: Fachkräfte im Hospiz in Ahrweiler sind für Menschen da

Selbst am Lebensende findet sich Zeit und Raum fürs gemeinsame Lachen: Hiltrud Sachs (links) und Astrid von Sanden (rechts) mit einem Hospizgast im stationären Hospiz im Ahrtal.
Selbst am Lebensende findet sich Zeit und Raum fürs gemeinsame Lachen: Hiltrud Sachs (links) und Astrid von Sanden (rechts) mit einem Hospizgast im stationären Hospiz im Ahrtal. Foto: Hospiz im Ahrtal

Während das Personal in vielen Kliniken in Deutschland streikte, haben die Fachkräfte in der Hospizarbeit im Kreis Ahrweiler nie daran gedacht. Warum sie sich trotz oder gerade wegen des Umgangs mit Tod und Trauer wohl an ihrer Arbeitsstätte fühlen, erklären drei von ihnen.

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Wochenlange Streiks von Pflegepersonal. Die Angestellten der Branche reklamieren Personalmangel, Stress, ständige Überlastung und, dass sie zuweilen ihre Patienten nicht mehr ordentlich versorgen können. Mehr Geld ist ihnen oft weniger wichtig als bessere Arbeitsbedingungen. Besonders belastend ist für viele Krankenhausangestellten die geringe Zeit, die sie wirklich beim Patienten sein können, gerade bei denen, die keine Angehörigen haben, und dass Menschen in einer Klinik unter Umständen einsam sterben.

In den letzten Tagen, oft Wochen oder Monaten und manchmal Jahren stehen die Mitarbeiter im stationären Hospiz im Ahrtal und die Fachkräfte des Hospizvereins Rhein-Ahr Menschen bei – mit Zeit und Ruhe. Fachkräfte wie die Hospizfachschwester Sabine Heller, die im Jahr 2003 als zweite Hospiz- und Palliativkraft beim Hospizverein Rhein-Ahr angestellt wurde. Ihren Wechsel von der Intensivstation eines Krankenhauses hat sie nie bereut. Ähnlich geht es ihren Kolleginnen Astrid von Sanden und Hiltrud Sachs, die als Palliative-Care-Fachkräfte im stationären Hospiz im Ahrtal ihre Erfüllung gefunden haben. „Wir können unseren Beruf so leben, wie wir ihn gelernt haben“, sagt Sachs. Von Sanden findet: „Das ist für mich Pflege: bedürfnisorientiert. So, wie sie eigentlich sein sollte.“

Den Tagen mehr Leben geben

„Im Krankenhaus hat man viel mit Technik zu tun, aber wenig mit Aushalten und Loslassen“, sagt Heller, die 20 Jahre Krankenschwester in einer Klinik war, bevor sie zur Hospizarbeit kam. „In der Klinik wurde es auch als Versagen angesehen, wenn man Menschen nicht retten konnte. Ziel war ja, Leben zu erhalten.“ Nun empfindet sie ihre Arbeit als sinnstiftender, auch für ihr eigenes Leben.

Das Augenmerk in der Hospizarbeit gilt der Lebensqualität der Betroffenen. Sabine Heller und ihre Kolleginnen im ambulanten Dienst fahren zu den Schwerkranken und Sterbenden nach Hause. Ihre Aufgaben sind medizinisch, organisatorisch und psychosozial.

Im Krankenhaus hat man viel mit Technik zu tun, aber wenig mit Aushalten und Loslassen

Sabine Heller, Hospizfachschwester

Schmerz- und Symptomkontrolle gehören dazu, ebenso der Kontakt mit Hausärzten oder Kliniken. Ganz wesentlich aber das Begleiten und Beistehen der Sterbenden und derer An- und Zugehöriger gemeinsam mit den Ehrenamtlichen des Hospizvereins. „Wir wollen den Leuten Sicherheit geben und unterstützen bei der besseren Bewältigung der heimischen Pflege.“

Zuweilen geben ihnen die Betreuten „Aufträge“: Hilfe bei dem, das sie noch erledigt haben wollen. Viele Sterbende möchten ihre Familie nicht mit ihren Nöten und Ängsten belasten. Andere haben Schwierigkeiten, sich zu öffnen, auszusprechen was sie belastet, warum sie noch leiden, obwohl sie keine körperlichen Schmerzen haben. Sie wollen vielleicht noch etwas mit einer lange nicht kontaktierten Person klären oder jemanden sehen. Auch in solchen Fällen sind die Hospizfachkräfte da.

Im Krankenhaus hat Heller es als besonders schlimm empfunden, dass Patienten kaum gehört oder gesehen wurden, und man sich ihnen nicht einmal fünf Minuten am Tag wirklich zuwenden konnte. Jetzt hilft sie mit Zeit denen, die oft mit der Diagnose „austherapiert“ fertig werden müssen, bei der Selbsthilfe.

Wir wollen den Leuten Sicherheit geben und unterstützen bei der besseren Bewältigung der heimischen Pflege.

Sabine Heller, Hospizfachschwester

Sieben Tage die Woche von 9 bis 18 Uhr sind die hauptamtlichen Hospizfachschwestern für ihre Patienten und deren Angehörige erreichbar. Sie besuchen diese auch regelmäßig, um mit professionellem Blick von außen zu sehen, was im Argen liegt und was gefragt ist. Heller: „Ein schöner Vertrauensbeweis ist immer, wenn die Leute irgendwann sagen: Sie brauchen sich gar nicht anmelden. Wenn Sie hier sind, klingeln Sie einfach.“

Viele Menschen denken, ihre Arbeit im Hospiz sei von Tod und Trauer geprägt, sagt Astrid von Sanden. Aber es gehe viel mehr um das Leben, das noch da ist. Das hat sie berührt im Hospiz im Ahrtal während eines dreimonatigen Praktikums dort 2017 im Zuge ihres Altenpflegeexamens. „Ich musste nicht lange überlegen, als ich 2018 die Chance bekam, im Hospiz zu arbeiten“, sagt sie. „Mein Beruf war für mich immer Berufung. Die Erfahrungen im Hospiz waren wie ein Sahnehäubchen.“ Und die 44-jährige Sinzigerin zitiert Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“

Orientiert an den Bedürfnissen

Die palliative Haltung hat für sie viele Ausprägungen: „Wir geben Halt und halten aus.“ Die Mitarbeiter im Hospiz arbeiten orientiert an den Bedürfnissen des einzelnen Sterbenden, der im Hospiz „Gast“ genannt wird. Essenziell dafür seien Offenheit und Flexibilität, Achtung vor der Würde des Menschen, Fachwissen, das die Weiterbildung in palliativer Pflege verschafft, und „Spaß an kreativer Pflege“, wie es Hiltrud Sachs nennt. Das bezieht sie auf die Art, wie sie den Hospizgästen Wünsche erfüllt, etwa deren Mundpflege betreibt mit Getränken, die die Sterbenden gerne mögen, auch mal ein Glas Wein.

Ich musste nicht lange überlegen, als ich 2018 die Chance bekam, im Hospiz zu arbeiten. Mein Beruf war für mich immer Berufung. Die Erfahrungen im Hospiz waren wie ein Sahnehäubchen.

Astrid von Sanden, Palliative-Care-Fachkraft

In einem multiprofessionellen Team lindern sie Schmerzen und Symptome wie Übelkeit und Erbrechen, Angst, Unruhe oder Atemnot. Überhaupt das Team: Das loben alle drei Frauen. „Es trägt einen auch durch schwere Zeiten.“ Neben der Supervision und Fortbildungen ist es die Vernetzung mit anderen Palliativkräften, auch außerhalb des Hospizes, mit Ärzten, Ergo- und Physiotherapeuten oder Seelsorgern.

Um die Tätigkeit im stationären Hospiz im Ahrtal wahrzunehmen, nimmt die Koblenzerin Hiltrud Sachs täglich zwei Stunden Fahrt auf sich. Der Umgang mit Sterbenden hat für Astrid von Sanden auch positive Auswirkungen aufs Privatleben: „Ich gehe anders um mit dem Leben. Ich bin mutiger geworden so zu sein, wie ich bin, trete für das ein, was ich möchte, weil es mein Bedürfnis ist, weil es gut für mich ist.“ Von jedem Hospizgast lerne man etwas, etwa nichts aufzuschieben und dass möglichst immer alles geklärt ist. Denn: „Zeit ist ein kostbares Gut.“

Mehr Informationen gibt es auf www.hospizimahrtal.de