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Ahrweiler

RZ-Interview: In der Psychiatrie hat man keine Angst vor der Angst

Von Nicolaj Meyer
Die Dr. von Ehrenwall´sche Klinik in Ahrweiler stellt die regionale psychiatrisch-psychotherapeutische Akutversorgung des Landkreises Ahrweiler mit seinen rund 127.000 Einwohnern sicher. Sie bietet die stationäre und ambulante Behandlung seelisch kranker Menschen an.  Foto: Vollrath
Die Dr. von Ehrenwall´sche Klinik in Ahrweiler stellt die regionale psychiatrisch-psychotherapeutische Akutversorgung des Landkreises Ahrweiler mit seinen rund 127.000 Einwohnern sicher. Sie bietet die stationäre und ambulante Behandlung seelisch kranker Menschen an. Foto: Vollrath

Christoph Smolenski (71) ist Geschäftsführer der Dr. von Ehrenwall'schen Klinik in Ahrweiler. Auch im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie hat es kürzlich erste Corona-Fälle gegeben. Der langjährige Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat im RZ-Interview verraten, wie die Klinik sich vor Gefahren der Pandemie schützt und was die derzeitige Krise psychisch mit Menschen macht.

Lesezeit: 3 Minuten
Haben Sie gerade etwas mehr zu tun als sonst? Ich persönlich habe nicht viel mehr zu tun. Die Aufgaben verteilen sich auf einen von uns eingerichteten Krisenstab. Sehr arbeits- und zeitintensiv ist das Sichten der vielen E-Mails von Berufsverbänden, diversen anderen Instituten und Gremien etwa zu Themen wie dem Umgang mit ...
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Trotz Corona-Krise: Wie man den Alltag gut meistert

Kempenich. Gabriele Wolff arbeitet seit 30 Jahren in der Lebensberatung und leitet die Weiterbildung der Firma Wolfcraft aus Kempenich. Die Psychologin hat eine pragmatische Liste von Maßnahmen aufgestellt, die jeder angehen kann, um den Alltag in der Krise gut zu meistern:

Nehmen Sie sich Zeit für die Analyse Ihrer Lage. Das ist viel Neues, das erledigt sich nicht so nebenbei. Sie haben viel um die Ohren, klar. Aber eben gerade deshalb: Hinsetzen und aufschreiben, wo es ruckelt und belastet. Neue Verhaltensweisen unter Stress entwickeln, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die sich nicht mal so nebenbei bewältigen lässt.

Nehmen Sie sich und andere ernst. Das ist keine Bagatelle, und erlauben Sie sich und anderen, damit zu ringen. Natürlich hilft es, sich klar zu machen, dass es noch schlimmer sein könnte und es viele Menschen auch schlimmer trifft als Sie, aber moralinsaure Durchhalteparolen sind keine guten Motivatoren.

Lassen Sie den Streit zu. Ihn krampfhaft zu vermeiden, ist so gut wie unmöglich und macht es oft nur schlimmer. Streiten sie aber sinnvoll. Das kann man üben! Da sind Ich-Botschaften, akzeptierende Wiederholung, offene Fragen und die Metaebene bewährte Werkzeuge gelingender Kommunikation. Holen Sie sich Infos und Hilfe.

Klassifizieren und Priorisieren Sie. Zum einen gibt es technisch/organisatorische Themen: Zimmernutzung, Internetnutzung, Zeitabläufe, etc. Zum anderen sind da Beziehungsthemen: Wo geht mir etwas auf die Nerven? Was genau stört mich wann und bei wem? Das lässt sich nicht immer klar trennen, hilft aber beim Überblick.

Begrenzen Sie die Informationsflut. Nicht ständig das Chaos auf der ganzen Welt verfolgen, das hilft nicht! Wir sind nicht unbegrenzt belastbar. Das bedeutet ja nicht das herzlose Abwenden vom Leid anderer, aber reines Entsetzen ändert nichts und erschöpft Sie ohne positive Resultate.

Die Richtig-falsch-Diskussion: Nichts ist momentan ermüdender und kraftraubender als die Endlosschleife, was man hätte tun sollen, besser getan hätte und warum man es nicht tat. Akzeptieren Sie die Uneindeutigkeit der Situation und ihre Vielschichtigkeit. Versuchen Sie, nicht in endloses Hin und Her zu verfallen und eventuell im Streit über die Deutungshoheit zu enden. Ein jeder sieht es eben jetzt anders, das kann man ja auch einfach mal so stehen lassen.

Was tut mir gut? Erlauben Sie sich das, aber auch anderen! Vielleicht auch mal den Druck rauslassen: Schreien, Toben, Tanzen. Unsere Distanz-Nähe-Routine gerät aus den Fugen. Draußen sperrige Distanz, zu Hause aufeinanderhocken: Das hält man auf die Dauer schlecht aus. Handeln Sie Verfahren aus, wie sich jeder seinen Freiraum erhalten kann. Nicht einmal Mönche sprechen unentwegt miteinander. In den Orden gibt es nicht umsonst feste Redezeiten, ansonsten wird geschwiegen. Handeln Sie mentale Ruhezonen aus.

Jetzt ist nicht die Zeit für Perfektionismus. Lassen Sie mal alle Fünf gerade sein und schrauben Sie Ansprüche herunter, wo immer es geht.

Erleben Sie sich als sinnvoll Handelnder. Vielleicht können Sie helfen oder etwas beitragen, was Ihnen das Gefühl gibt, ein sichtbares Ergebnis zu bewirken. Es ist in aller Ungewissheit trotz allem ein gutes Gefühl, ein Ergebnis des eigenen Tuns zu sehen.

„Bei all den Tipps bleibt Ihnen eines nicht erspart“, erklärt Wolff: Sie müssen es anpacken, das ist die Zumutung, die das Leben uns allen im Moment abverlangt. Wir alle müssen die Verantwortung für uns selbst übernehmen und uns sinnvoll mit der Lage auseinandersetzten. Das ist ein Dienst an unseren Mitmenschen, aber auch an uns selbst.

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