Ahrtal

Opferbeauftragter des Landes zur Flut: „Viele Menschen im Ahrtal haben weiter Angst“

Von Karsten Packeiser
Detlef Placzek, Opferbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz für die Betroffenen der Ahrtal-Flut
Detlef Placzek, Opferbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz für die Betroffenen der Ahrtal-Flut Foto: dpa

Bis alles aufgearbeitet ist, könnte es mindestens so lange dauern wie nach dem Flugzeugunglück von Ramstein 1988: Detlef Placzek, der sich für das Land Rheinland-Pfalz um die Belange von Katastrophenopfern kümmert, fährt regelmäßig ins Ahrtal. Er stellt dort noch immer große Sorgen und Verunsicherungen fest.

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Die psychische Ausnahmesituation hält für viele Menschen, die die Flutnacht überlebt haben, weiter an.
Die psychische Ausnahmesituation hält für viele Menschen, die die Flutnacht überlebt haben, weiter an.
Foto: dpa

Im zerstörten Ahrtal leben nach der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 viele Menschen nach wie vor in großer Angst vor einem möglichen neuen Hochwasser. Bei jedem stärkeren Regen schnellten die Anrufzahlen bei der Krisen-Hotline nach oben, sagte der rheinland-pfälzische Opferbeauftragte Detlef Placzek in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst epd. Immer noch meldeten sich Flutopfer, die therapeutische Hilfe benötigten. Um dieses Thema geht es auch in der neuen Folge von RZInside, dem Podcast der Rhein-Zeitung, den man kostenfrei hier hören kann:

Es gebe auch noch immer Bewohner des Ahrtals, die bislang keine Hilfsgelder beantragt hätten, sagt der Opferbeauftragte Detlef Placzek . „Die Menschen sind zu Unrecht sehr bescheiden“, so Placzek, „man muss sie überzeugen, dass sie Ansprüche erheben.“ Aufgrund der stark steigenden Preise seien auch Zuschläge auf bereits zugesagte Hilfsgelder möglich – was die Dauer der Entschädigungsverfahren allerdings weiter verlängere.

Noch immer fehlen Handwerker

Placzek, der zweimal monatlich in die Unglücksregion fährt, bedauerte das langsame Tempo beim Wiederaufbau der zerstörten Ortschaften: „Eigentlich würde ich mir wünschen wollen, dass es schneller geht.“ Ein Jahr nach der Flutkatastrophe habe sich an vielen überfluteten Häusern nichts getan, noch immer gebe es keine Möglichkeit, am gesamten Flusslauf der Ahr entlangzufahren. Ursache für die Situation sei aber weniger das fehlende Geld, sondern die enorme Anzahl der Fälle und die Schwierigkeit, Handwerker zu finden.

Im Gegensatz zu den Beauftragten anderer Bundesländer umfasst Placzeks Auftrag nicht nur die Begleitung der Opfer von Terroranschlägen oder Amokläufen, sondern auch von Naturkatastrophen wie die im Ahrtal. Von den Bewohnern der Region habe er in den zurückliegenden Monaten eine Vielzahl von Anfragen erhalten.

Wiederaufbau wird kritisch gesehen

Darin gehe es um Klagen über die langsame Auszahlung der Hilfsgelder, um fehlende Therapieplätze, aber auch um Alltagssorgen wie verlegte Bushaltestellen. Viele einstige Anwohner, die wieder ins Tal zurückziehen möchten, fänden keine bezahlbare Wohnung mehr. Bei seiner Arbeit nehme er die gespaltene Haltung der Bewohner zum Wiederaufbau und zur Zukunft der Region wahr.

Das Ahrtal, wie es einmal war, wird es so wohl nicht mehr geben.

Detlef Placzek, Opferbeauftrager des Landes Rheinland-Pfalz

In seiner Rolle als Landesbeauftragter habe Placzek beispielsweise Gespräche mit Anwohnern geführt, deren zerstörte Häuser nicht wieder aufgebaut werden können. Aktuell werde vor Ort auch eine intensive Debatte um den Wiederaufbau zerstörter Brücken geführt. Eine Wiederherstellung nach den oft idyllischen historischen Vorbildern werde von Fachleuten kritisch gesehen, weil es zu verhindern gelte, dass sich an den Pfeilern jemals wieder große Mengen Treibgut aufstauen.

Der rheinland-pfälzische Opferbeauftragte geht davon aus, dass Überlebende der Flut mit traumatischen Erlebnissen noch viele Jahre lang Unterstützung benötigen werden. Auch bei anderen Katastrophen sei dies nicht anders. So gebe es noch immer Nachsorge-Treffen mit den Überlebenden der Flugschau-Katastrophe in Ramstein von 1988. „Man kann damit rechnen, dass man auch den Menschen im Ahrtal so lange zur Seite stehen muss“, sagt Placzek.

Mehr zum Thema
Die neue Folge unseres Podcasts RZInside, die dieses Thema vertieft und neben Psychologinnen auch eine Betroffene zu Wort kommen lässt, hören Sie auch auf zahlreichen Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts oder Spotify.