Bad Neuenahr-Ahrweiler

Nicht nur die Ahrthermen sind neu zu denken: Die Kurstadt wird künftig eine andere als vor der Flut sein

Von Beate Au
Auf der Empore der Ahrthermen hat der Geschäftsführer Maternus Fiedler in der Flutnacht ausgeharrt.
Auf der Empore der Ahrthermen hat der Geschäftsführer Maternus Fiedler in der Flutnacht ausgeharrt. Foto: Beate Au

Ein riesiger Schutthaufen liegt dort, wo vor der Flutkatastrophe die stolze Gründerzeitvilla in der Felix-Rütten-Straße 1 gegenüber dem prächtigen Kurhaus in Bad Neuenahr stand. Hier war die Spielbankverwaltung untergebracht. Im Herzen des Heilbades haben derzeit die Bagger Vorfahrt. Welche Gebäude ihre Schaufeln sonst noch abreißen werden, darüber wird momentan wild spekuliert. Doch in vielen Fällen sind es Gerüchte, wie beispielsweise der angeblich bevorstehende Abriss der Klinik Kurköln in der Landgrafenstraße. Im Vordergrund stehen der Wille zum Wiederaufbau und die damit verbundene Chance, sich für die Zukunft neu zu erfinden.

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Auch wenn es noch von schlammigen Straßen umgeben ist und Spuren der Flut trägt – das historische Ensemble mit Kurhaus, Steigenberger und Badehaus steht noch. Und es sieht so aus, als ob es wohl auch in Zukunft das Gesicht der Stadt mitprägen wird. Nach Informationen von Dennis Hüttig, ehemaliger Direktor des Steigenberger in Bad Neuenahr und heute in operativer Verantwortung für die Hotelmarke, sei das Hotelgebäude nach Einschätzung von Statikern nicht einsturzgefährdet, und das gelte auch für das zum Ensemble gehörende Kurhaus und das historische Badehaus. „Auf den ersten Blick sieht man dem Jugendstilsaal nichts an. Die Tische waren noch in der Position, in der sie für eine Veranstaltung gestellt wurden“, so Hüttig.
Im Hoteltrakt habe es den Keller und das Erdgeschoss erwischt. „Wir sehen nun aber auch eine Chance, das Hotel neu zu denken“, so Hüttig. Steigenberger bekenne sich als Pächter zum Standort Bad Neuenahr. Doch er weiß auch: Wenn die Gastronomen und Hoteliers nicht wieder auf die Beine kommen, „wird das Ahrtal nicht mehr das Ahrtal sein“. Und zu dieser Infrastruktur gehört auch eine Therme, die die Themen Gesundheit und Wellness besetzt.

Warten auf das Urteil des Statikers

„Wieder aufleben“ – der massive Werbeblock mit diesem Slogan, der sonst die Gäste der Thermen am Eingang begrüßt, hat die Sintflut kurioserweise ebenso unbeschadet überstanden wie die Palmen in ihren schweren Töpfen. Trotzdem muss Maternus Fiedler, Geschäftsführer der Ahrthermen, tief durchatmen, wenn er am Rand der immer noch mit Schlamm verschmierten Becken steht. Seine persönliche Einschätzung: nicht sanierungsfähig – obwohl die Arena mit dem blauen Zirkuszelt äußerlich bis auf vier zerborstene Scheiben noch weitgehend unversehrt aussieht. „Sobald alles begehbar ist, soll ein Baustatiker kommen und sein Urteil abgeben“, so Fiedler, der die furchtbare Flutnacht zusammen mit dem technischen Leiter Stefan Queckenberg und der Verwaltungsfachfrau Iris Baumann auf der Empore in den Thermen überstanden hat.

Über die Schleuse und die Versorgungsröhre schoss das Wasser ein. „Der Keller war in zehn Minuten geflutet. Dann kam es von allen Seiten und stieg wahnsinnig schnell an. Wir sind um unser Leben gelaufen“, so Fiedler. „Vieles von dem, was die Flut angerichtet hat, lässt sich noch nicht einschätzen. Im Ständerwerk des Dachs sind beispielsweise auch die Lüftungssäulen integriert, die voller Schlamm gelaufen sind.“ Und von der Technik im Keller sei wohl nichts zu retten. Die Innensauna ist komplett zerstört, der Saunagarten verwüstet. „Es ist komisch, dass die Duschschnecke noch da steht, wo sie immer stand“, so Fiedler.

Vermisst werden die Ahrthermen schon jetzt

1992 waren die Ahrthermen, damals noch im Eigentum der damaligen Aktiengesellschaft Bad Neuenahr, eröffnet worden. Im Mai 2014 entschied sich der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler zum Kauf der Ahrthermen. „Doch dies ist eine Interimslösung“, sagte damals Bürgermeister Guido Orthen. „Unser gemeinsames Ziel bleibt, einen privaten Dritten für den Betrieb der Ahr-Thermen zu finden.“ Darüber wird man nun wohl erneut nachdenken müssen. Und auch darüber, ob es in Bad Neuenahr-Ahrweiler künftig ein Twin und zusätzlich die Ahrthermen geben muss.

„Das Twin ist ja zum Glück noch nicht neu gebaut“, so Fiedler. „Jetzt kann man wirklich mal frei denken.“ Eine Kombination von beidem kann er sich gut vorstellen. Noch mal nah am Wasser? „Das ist die Frage“, sagt er. Vermisst werden die Ahrthermen schon jetzt. „Es gibt Leute, die ein Konto eingerichtet haben und sammeln“, so Fiedler. Was mit den Bonuskarten passiert, ist noch offen. „Sie sind ja wie Bargeld.“ Man hofft, die Daten auf dem Server retten zu können.

Wie viele Menschen Bad Neuenahr verlassen werden, weil es keine Infrastruktur wie die Thermen mehr gibt, ist nicht abzusehen. Man hört von Leuten, die wegziehen. „Wir brauchen den Tourismus und die Einrichtungen, die ein Heilbad ausmachen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil für unser Image. Es wäre fatal, sich davon zu verabschieden“, so Fiedler, für den auch die Vermarktung des Quellenwassers dazugehört. Die Möglichkeiten der Anwendung, die es bietet, müssten sich auch in einer künftigen Therme wiederfinden, die durchaus klein und fein sein könne. Und wie verträgt sich das mit einem Bad für die ganze Familie? „Ich bin überzeugt, dass das Thema Gesundheit nicht nur eins für Senioren ist. Wir müssen es bei einem Neustart hinbekommen, auch für ein jüngeres Publikum attraktiv zu sein“, so Fiedler.

Von unserer Redakteurin Beate Au