Kreis Ahrweiler

Landwirte und Lohnunternehmer helfen seit Tag eins an der Ahr: Sie kamen mit ihren Traktoren und Hängern

Von Gisela Kirschstein
Aufräumarbeiten in Marienthal: Die Landwirte sind mit ihren Traktoren und Hängern ein wichtiger Baustein in der Hilfskette. Foto: Sascha Ditscher
Aufräumarbeiten in Marienthal: Die Landwirte sind mit ihren Traktoren und Hängern ein wichtiger Baustein in der Hilfskette. Foto: Sascha Ditscher

Sie waren mit die Ersten, die da waren: Landwirte mit Traktoren und Hängern, Bauunternehmer mit großen Baggern, Lohnunternehmer aus der Landwirtschaft mit allem, was Räder hat. Es sind vor allem sie, die selbstständigen Unternehmer, die derzeit entlang der Ahr die Aufräumarbeiten leisten. Einer von ihnen: Thomas Michel, Landwirt aus Wackernheim bei Mainz. Seit vergangenem Samstag hilft er an der Ahr, wo er kann – obwohl er selbst gerade mitten in der Ernte ist.

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„Krieg, wirklich Krieg“, sagt Michel, wenn man ihn fragt: Wie sieht es vor Ort an der Ahr aus? Vergangenen Samstag machte sich Michel mit zwei Hängern voller Hilfsgüter, seinem Traktor und mehreren Freunden auf, um den Menschen an der Ahr zu helfen, er landete im Weinort Dernau, wo die Flutwelle fast den gesamten Ort verwüstet hat. „Es war katastrophal“, berichtet Michel: „Da haben die Autos noch auf den Gleisen gelegen, die Tankstelle hat ausgesehen, als wäre sie gesprengt worden.“ Eine Weinkelter habe kopfüber auf der Straße gelegen, ein Überseecontainer mitten im Weinberg, ein Auto in einer Baumkrone gehangen.

Motorsägen nahm Michel mit an die Ahr, „an solchen Maschinen hapert es da jetzt einfach“, sagt er schlicht. Er habe einen Traktor mit Frontlader, „also so einer Schippe vorn“, erklärt der 33-Jährige, „ich kann Zeug auf die Seite räumen, kann Schutt aufladen.“ Also nahm Michel seinen Traktor und fuhr einfach los – Hunderte seiner Berufskollegen machen seit mehr als einer Woche das Gleiche.

„Am Tag eins sind die ersten schon da hochgefahren“, sagt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd. „Die haben Bagger, Gabelstapler, Trecker, alles auf den Tieflader verladen und sind einfach hochgefahren.“ Hunderte Betriebe packen an der Ahr allein aus Rheinland-Pfalz mit an, schätzt Köhr und nennt als Beispiel eine Gruppe der Landjugend: 35 bis 40 Personen, „die werden am Samstag hochfahren, um dort Laubarbeiten in den Weinbergen zu machen“. An Ort und Stelle hätten sich die Helfer selbst koordiniert, kommuniziert werde über Messengerdienste und über soziale Netzwerke, sofort bildeten sich Facebook- und WhatsApp-Gruppen. „Man postet, was man braucht, in einer Gruppe auf Facebook, und dann wird das erledigt“, berichtet Köhr, das Ganze sei hochgradig beeindruckend.

Zum Sprachrohr der Landwirte ist der Lohnunternehmer Markus Wipperfürth aus Pohlheim bei Köln geworden, vom ersten Tag an veröffentlichte der Landwirt Videos auf seiner Facebook-Seite, beschrieb, wo es fehlte, bat um Hilfe – und Hilfe kam: Aus Sachsen und von der Ostsee, aus Hessen, Brandenburg und Baden-Württemberg – von überall her kommen Helfer, weil Wipperfürth sie ruft. Reifenhändler und Reparaturbetriebe, eine Ärztin, die eine Krankenstation aufbaut, Firmen, die einfach mal eine Spende von Hunderten Arbeitsschuhen vorbeibringen.

Wipperfürth ist zur Schaltzentrale geworden, er selbst fährt einen Schuttlaster, in seinen Ladepausen dreht er Videos, in denen er Baggerfahrer und Firmen vorstellt, und nebenher die Hunderten namenlosen Helfer feiert, die Keller leer schaufeln, Eimerketten bilden und überall mit anpacken, wo Not herrscht. Für seine Hilfskoordination nutzt Wipperfürth auch Netzwerke von „Land schafft Verbindung“, jener Vereinigung, die durch die großen Bauernproteste 2019 entstand.

Weil Wipperfürth in seinen Videos Klartext redet, schonungslos anspricht, was ihm nicht passt, und dabei auch die staatliche Hilfsbürokratie nicht ausspart, zieht er auch viel Kritik auf sich – für andere ist er zum Held der Stunde geworden. Er selbst weist das klar zurück: Helden, das seien die anderen, die Baggerfahrer, Bauunternehmer, Spontanhelfer, betont er.

Von „Querdenker“-Umtrieben distanzieren er und seine Gruppe sich scharf: „Wir sind hier komplett parteilos“, betonten sie, eine Spende aus der rechten Szene wurde umgehend zurückgeschickt. Für die Menschen vor Ort sind sowieso sie die Helden: die Landwirte, die Baggerfahrer, die Anpacker, die Helfer der ersten Stunde.

„Bei so einer Katastrophe, da muss man einfach helfen, wenn es irgendwie geht und machbar ist“, sagt auch Landwirt Michel, „und wir sind ja nicht weit weg.“ Ihre Hilfe wird noch eine ganze Weile benötigt werden: In Kreuzberg, erzählt Michel noch, liege der Schutt noch meterhoch im Ort, und er zeigt Bilder von der Brücke an der Ahr: „Da haben sich rund 30 Wohnwagen verkeilt.“