Kirchsahr

Konzepte, Geld und Hilfe von außen: Kirchsahr soll wieder aufgebaut werden

Von Sandra Fischer
Ortsbürgermeister Stefan Zavelberg vor der notdürftig reparierten Straße vom Binzenbach nach Kirchsahr. In den drei betroffenen Ortsteilen noch viel zu tun.
Ortsbürgermeister Stefan Zavelberg vor der notdürftig reparierten Straße vom Binzenbach nach Kirchsahr. In den drei betroffenen Ortsteilen noch viel zu tun. Foto: Sandra Fischer

„Wir brauchen Konzepte, Geld und Hilfe von außen, damit die Region wieder auf die Beine kommt.“ Stefan Zavelberg findet klare Worte, wenn er über die Situation nach der Flutkata-strophe spricht. Der Bürgermeister von Kirchsahr sitzt am Feuerwehrgerätehaus und tut das, was er seit drei Wochen macht: organisieren.

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Das Heim der Floriansjünger im Ortsteil Binzenbach hat sich zu einer Art Schaltzentrale entwickelt. Hier ist nicht nur der „Feuerwehr-Shop“, wo es mit „100-prozentigem Rabatt“ Lebensmittel, Hygieneprodukte und Tierfutter gibt. Hier haben auch die rund 40 Bundeswehr-Angehörigen seit Tag zehn ihr Lager, ein Duschzelt und eine Feldküche aufgeschlagen, die dreimal täglich für die Verpflegung der Betroffenen und Helfer sorgt. 150 bis 200 Essen gingen hier anfangs bei jeder Mahlzeit über die Theke, inzwischen sind es noch rund 100. Und auch der Kinderhort in Houverath wird länderübergreifend bekocht. Trotz Ferien werden dort die Kinder von Betroffenen und Helfern betreut. Nicht nur zu den Essenzeiten ist das Feuerwehrhaus Treff- und Anlaufpunkt. Mit der Ansammlung von Dixie-Klos und den Zelten hat das Ganze ein wenig Campingcharakter – oder wie es ein Anwohner beschreibt: „Wie Rock am Ring ohne Musik.“

Noch bis Mitte August sollen die Soldaten in Kirchsahr stationiert sein. „Vielleicht bleiben sie ja etwas länger“, hofft Zavelberg, „denn wir brauchen eine funktionierende Struktur wie die bestehende, bis wir uns wieder selbst versorgen können.“ Und wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Schließlich gingen über Kirchsahr 170 Liter Wasser pro Quadratmeter oder umgerechnet 5,5 Millionen Badewannenfüllungen nieder, so Zavelberg. Von den fünf Ortsteilen der rund 400 Einwohner starken Gemeinde sind etwa 200 Personen und 70 Häuser in Kirchsahr, Burgsahr und Binzenbach betroffen. Während es in allen Ortsteilen wieder Strom gibt, können sich die Kirchsahrer zumindest über Brauchwasser aus dem Hahn freuen. Wer in Burgsahr und Binzenbach wohnt, muss für jeden Toiletten- oder Duschgang zum Feuerwehrhaus. „Älteren Menschen, die nicht so weit gehen können, haben wir ein Dixie-Klo vor die Haustür gestellt“, so Zavelberg.

Wasserversorgung als größte Herausforderung

Die Wasserversorgung ist also die größte Herausforderung, vor der die Kirchsahrer stehen. Da ist einmal das Trinkwasser, das vor der Flut aus Nohn kam. Die dortige Anlage und Druckleitung sind allerdings vom Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen worden, jetzt kommt das Wasser aus Bad Münstereifel, allerdings nicht in trinkbarer Qualität. Es kann als Brauchwasser genutzt oder abgekocht werden. Dank der Trinkwasseraufbereitungsanlage der stationierten Bundeswehrsoldaten können sich die Anwohner das kostbare Nass literweise nach Hause holen. Ein Ortstermin mit den Bonner Stadtwerken soll nun Aufschluss darüber geben, wann das Trinkwasser wieder aus dem Hahn laufen könnte.

Das Abwasser ist ein anderes Problem. Da keine Kläranlage die Flut überlebt hat, laufen die Abwässer der Häuser, die wieder notdürftig an die Kanalisation angeschlossen wurden, in den Sahrbach. Keine ideale Lösung, aber die einzig praktikable zurzeit. Mit Lebensmittelfarbe versetztes Wasser hat zumindest eine Indikation ergeben, welche Häuser noch an die Kanalisation angeschlossen sind. Das kommt den Straßenbauarbeiten zugute, die bereits dank der schnellen Reaktion von Zavelberg seit Tag drei am Arbeiten sind. Nachdem die Verbindungsstraße zwischen Binzenbach und Kirchsahr notdürftig repariert wurde, konzentrieren sich die Arbeiter auf die Straße nach Kreuzberg, die zurzeit nur mit geländegängigen Fahrzeugen passierbar ist.

Doch Zavelberg warnt vor einem übereifrigen und voreiligen Neuaufbau der betroffenen Gebiete. „Wir müssen uns auf die Zukunft einstellen und einige Ecken entschärfen, damit das Tal sicher ist. Prävention ist besser.“ Dafür brauche es eine vernünftige Planung von Ortsgemeinde, Verbandsgemeinde und Kreis, nachdem alle Schäden katalogisiert sind.

Noch viel Arbeit in einem der schönsten Seitentäler der Ahr

Da es die Kirchsahrer wegen ihrer geografischen Lage „weit ab vom Schuss“ gewohnt sind, selbstständig zu handeln und man im Vergleich zu anderen Gemeinden weder Tote, Verletzte oder Vermisste und nicht ganz so viel Schaden habe, sei man rund 8 bis 14 Tage weiter als viele betroffene Orte. Seit Tag X wurden bereits alle Häuser entschlammt, alle Keller ausgepumpt und der Müll an einer Sammelstelle vor dem Ort deponiert. Von den betroffenen Häusern müssen nach jetztigem Stand rund zehn abgerissen werden.

Trotz des Vorsprungs muss noch viel Arbeit erledigt werden, bis „eines der schönsten Seitentäler der Ahr“ wieder ein Anlaufpunkt von Touristen sein wird. Das fängt beim Trockenlegen der Häuser an, geht über die Spezialentsorgung von mit Wasser versetztem Heizöl aus einigen Kellern bis hin zu Straßenbau, -beleuchtung, Bürgersteigen und natürlich der Versorgung mit Wasser. Doch da man in Kirchsahr nicht gerne mit langen Gesichtern rumsitzt und jammert, sondern schnell in die Puschen kommt, wird es sicher nicht mehr lange dauernd, bis Duschzelt und Dixie-Klos wieder abgebaut werden können und „Rock am Ring ohne Musik“ der Vergangenheit angehört.