Kreis Ahrweiler

Kommentar zur gigantischen Hilfswelle nach dem Tsunami: Das Wunder von der Ahr mitten in der Katastrophe

Das Ahrtal wird lange Zeit im kollektiven Gedächtnis bleiben als Sinnbild für die furchtbaren Folgen einer entfesselten Natur und der von ihr ausgelösten Katastrophe. Vergleichbar nur mit der Hamburger Sturmflut. Die unvorstellbaren Zerstörungen in einer uralten Kulturlandschaft, eine unfassbare Zahl an Toten, Hunderte Menschen mit zum Teil schwersten Verletzungen, die verwundeten Psychen und Seelen Tausender, die Heimat in Trümmern, Existenzen und Lebensentwürfe in einem Tsunami aus Wasser, Schlamm und Geröll vernichtet. Das Trauma einer ganzen Region, es wird uns alle auf Jahre hin nicht loslassen.

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Doch schon im blanken Horror der ersten Stunden helfen die Menschen einander. Da werden gebrechliche Nachbarn auf Bügelbrettern und Matratzen aus den Fluten gerettet, Wildfremde stehen beim aussichtslosen Kampf gegen die Fluten beisammen, teilen das Leid, den Schmerz, die Ohnmacht. Noch in der Schockstarre bergen die Ahrtaler ihre Toten und Verletzten, beginnen aufzuräumen, das Chaos zu bändigen. Sisyphusarbeit. Mit dem Mut der Verzweiflung wird zusammengearbeitet, das Über- und Weiterleben organisiert. Was Gemeinschaften in Orten wie Mayschoß, Schuld und Altenahr in kürzester Zeit auf die Beine stellen, von der Lebensmittelversorgung bis hin zum Bau von provisorischen Wegen und Straßen, das ist großartig, ist bewundernswert.

Und dann kommt die zweite Welle, die der spontanen Hilfe, der Solidarität. Zu- und anpacken, ohne groß zu fragen. Schnell sind Feuerwehren, Polizei, DRK, THW und andere Hilfskräfte am Ort des Grauens, versuchen auch in abgeschnittene Orte zu gelangen. Aus ganz Rheinland-Pfalz kommen sie mit Mann und Gerät. Die Bundeswehr nicht zu vergessen. Vor allem aber sind es Menschen wie du und ich, die sich ins Ahrtal aufmachen. Baufirmen schicken Bagger und Lastwagen, Tausende Freiwillige helfen beim Aufräumen, bringen Essen und Trinken, Schaufeln und Schubkarren. Viele junge Leute darunter. Ein ungeheurer Strom, der nicht nachlässt, mittlerweile aus der gesamten Republik und den Nachbarländern. Schließlich ein millionenfacher Spendenfluss. Skatkassen werden geplündert, Kinder geben ihr Taschengeld, Großunternehmen überweisen Hunderttausende Euro. Wer schon an unserer Gesellschaft (ver-)zweifelte, der mag jetzt und hier den Glauben an Menschlichkeit, Solidarität und Gemeinsinn wiederfinden. Dies ist das Wunder von der Ahr.

Bis zur Erschöpfung schuften viele Helfer und Einsatzkräfte, denen gar nicht genug zu danken ist. Dass andererseits in der Organisation der Hilfe nun wirklich nicht alles rund läuft, macht mehr als nachdenklich. Natürlich ist eine solche Koordination eine Mammutaufgabe, nicht nur für kommunale Verwaltungen. Aber die Enttäuschung vieler Flutopfer ist allzu offensichtlich, als dass man darüber hinweggehen darf. Was schief und falsch gelaufen ist, muss zu einem späteren Zeitpunkt kritisch aufgearbeitet werden.

Was hingegen wütend macht, sind jene zwielichtigen Gestalten, die nun die Not der Ahrtaler ausnutzen wollen. Ganoven, Geschäftemacher, Querdenker. Man möchte im ersten Affekt mit einem früheren hessischen Ministerpräsidenten die Dachlatte vom Bau auspacken, um das zu erledigen. Vertrauen wir aber auf staatliche Stellen und die Polizei, dass sie diesem Spuk möglichst schnell ein Ende bereitet.