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Grafschaft

Kein FOC in der Grafschaft: Region erleichtert

Von Frieder Bluhm
Neinver-Manager Sebastian Sommer (links) und der Grafschafter Bürgermeister Achim Juchem 2014 bei einem Treffen am Rande der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Gemeinde Grafschaft: Damals schien das FOC zum Greifen nah.  Foto: Vollrath (Archiv)
Neinver-Manager Sebastian Sommer (links) und der Grafschafter Bürgermeister Achim Juchem 2014 bei einem Treffen am Rande der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Gemeinde Grafschaft: Damals schien das FOC zum Greifen nah. Foto: Vollrath (Archiv)

Grafschaft/Region. Nun hat es auch Neinver bestätigt: Ein Factory-Outlet-Center (FOC) in der Gemeinde Grafschaft wird es nicht geben. Die Verwirklichung der Projektidee sei zuletzt nicht mehr realistisch erschienen, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens, das auch das Outlet-Center in Montabaur betreibt. In der Region atmet man auf.

Lesezeit: 3 Minuten
Das Aus für das über Jahre verfolgte Projekt hatte der Grafschafter Bürgermeister Achim Juchen jüngst in einem Interview mit der Rhein-Zeitung bekannt gegeben. Demnach hat sich Europas zweitgrößter Outlet-Betreiber aus dem Projekt zurückgezogen. Neinver bestätigt das, bleibt aber in seiner Begründung vage. „Aus unserer Sicht ist Grafschaft ein attraktiver Standort ...
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FOC-Aus: So sieht es die Grafschafter Politik

Grafschaft. Eher beiläufig hat es Bürgermeister Achim Juchem im Interview mit der RZ eingeräumt: Der Traum von einem Factory Outlet Center (FOC) in der Grafschaft ist ausgeträumt. Der Investor Neinver hat sich zurückgezogen. Die Optionen für den Grunderwerb sind ausgelaufen. Damit endet ein Kapitel, das die Grafschafter Politik mehr als zehn Jahre beschäftigt hat. Was sagen nun die Parteien, die das Großprojekt mehrheitlich mitgetragen haben, zu dem sang- und klanglosen Aus? Die RZ hat nachgefragt und ist auf sehr gegensätzliche Reaktionen gestoßen.

Ausgesprochen zufrieden äußern sich Bündnis 90/Die Grünen. „Was wurden wir am Anfang belächelt und als wirtschaftsfeindlich und rückwärtsgewandt bezeichnet“, erinnert der Vorsitzende Mathias Heeb. Die Grünen seien damals die Einzigen gewesen, die gegen das FOC waren. „Letztlich hat die Vernunft gesiegt und in diesem Zusammenhang auch unsere Umwelt und Landwirtschaft.“

Die Grünen sehen sich darin bestätigt, dass solche Projekte auf der grünen Wiese nicht mehr zeitgemäß und nachhaltig sind. „Wenn wir wirklich den nun im vollen Gange befindlichen Klimawandel und das Artensterben ernst nehmen wollen, dann kann es solche Projekte nicht mehr geben, zumindest nicht an solchen Standorten mit dieser Bodenqualität. Soviel Streuobstwiesen kann man gar nicht anlegen, die dann das Klima und die Umwelt retten“, sagt Heeb. Nun sei der nächste Anschlag fast auf gleichem Gebiet in der Pipeline, und wieder werde über Zielabweichung gesprochen, spielt Heeb auf die Diskussion um das Nahversorgungszentrum Ringen an. „Dieser Planet wird gerade sehr unangenehm und wehrt sich – zu Recht.“

Von einer „guten Nachricht“ für die Grafschaft spricht Lothar Barth (FWG). Seit Jahren hätten große Teile der Bevölkerung nicht mehr hinter dem Projekt gestanden. „Landschaftsverbrauch, Verkehrsprobleme und eine sich rasant und zu sehr verändernde Gemeinde Grafschaft – das trägt ein sehr großer Teil der Bevölkerung nicht mehr mit“, sagt Barth. Leider habe die Politik diese Alarmsignale nicht wahrgenommen. „Die Bereitschaft, dieses überholte und mittlerweile unsinnige Projekt FOC aktiv zu Grabe zu tragen, war im Gemeinderat mehrheitlich nicht zu erzielen“, bedauert Barth. „CDU und FDP haben diese Entscheidung bis zuletzt dem Investor überlassen.“ Bleibe zu hoffen, dass kein neuer Investor auftaucht und dann das ganze Spiel von vorn losgeht. „Der Gemeinderat selbst hat bisher keinen Beschluss gefasst, dass er ein solches Projekt nicht mehr verwirklicht haben will“, stellt Barth fest.

Auch die SPD begrüßt das Aus für das FOC – ein Projekt, für das man seinerzeit selbst gestimmt hatte. Doch unter ganz anderen Umständen, wie Udo Klein, Vorsitzender der Grafschafter Sozialdemokraten, herausstellt. Damals sei der Innovationspark bei weitem noch nicht vollständig vermarktet gewesen, die Gewerbesteuereinnahmen im Verhältnis zu den Ausgaben der Gemeinde und ihrem Schuldenberg hätten nicht ausgereicht, die Überflutungen durch Starkregenereignisse hätten sich erst später ereignet. Den Themen Versiegelung von Flächen, Umwelt- und Naturschutz und Verkehrsbelastung sei keine so hohe Priorität bei den Entscheidungen eingeräumt worden. „Daher wurde die Idee zur Ansiedlung eines FOC auch von uns zunächst wohlwollend aufgenommen“, rechtfertig Klein die damalige Haltung.

Die Entwicklung der Gemeinde sei indes viel besser und anders verlaufen als erwartet. „Wir sind froh, dass nunmehr der Betreiber selbst seine Option auf ein FOC zurückgezogen hat“, sagt Klein. Er räumt ein: „Mit dem Wissen und den Erfahrungen von heute hätten wir schon damals Nein zum FOC sagen müssen. Wir haben gelernt, und wir haben verstanden.“ Und aus den gleichen Gründen sage man heute Nein zum geplanten Einkaufzentrum am Innovationspark.

Die CDU dagegen bedauert das Scheitern des Projektes und kann ihre Enttäuschung „über das zuletzt deutlich erlahmende Engagement des Investors Neinver“ nicht verhehlen. „Die Lage der vorgesehenen Fläche direkt an der A 61 hätte dafürgesprochen, neue Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Wirtschaftskraft und starke Impulse für den Tourismus in der Region zu generieren. Wir haben seit vielen Jahren die Tür für das Projekt offengehalten, vor allem, weil wir den Eindruck hatten, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung in der Region das FOC wollte“, sagt der Grafschafter CDU-Vorsitzende Michael Schneider. Auf Betreiben der CDU sei sogar ein Bürgerentscheid hierzu vorgesehen gewesen.

Nachdem der Investor Ende März die Fristen, sich zu erklären, habe verstreichen lassen, sei eine weitere Ratsdebatte hierzu nicht vonnöten gewesen. „Wir leben in einer Marktwirtschaft, und wenn ein Investor ein Projekt nicht mehr will, so ist es damit erledigt. Es ist auch gut, dass der Investor alle Kosten in der jahrelangen Projektvorbereitung selbst getragen hat, worauf wir als Gemeinde stets großen Wert gelegt haben“, sagt Schneider.

Aus Sicht der Grafschafter FDP ist das Aus für das FOC „ein fataler Fehler für die Region Grafschaft und Ahrtal“. Die FDP habe von Anfang an hinter dem Projekt gestanden – „ohne Wenn und Aber“, sagt der Vorsitzende Wolfgang Reuß. „Die Bedenken der Kreisstadt hatten wir nicht geteilt, eher Synergieeffekte gesehen. Analog zu Zweibrücken, wo Geschäftsinhaber aus der Innenstadt im Outlet-Center Geschäfte eröffnet haben und die Innenstadt von Zweibrücken nicht unerheblich vom Center profitiert hat. Zudem hätte das Center Arbeitsplätze gebracht.“ Auf dem angedachten Gelände stünden zurzeit Hallen. „Es wäre also zu einem geringeren Verbrauch von weiterem Ackerland gekommen“, betont Reuß. Doch der Betreiber habe Fristen verstreichen lassen und letztlich keine Anstalten mehr gemacht, das Projekt voranzutreiben. „Letztendlich lag es also nicht mehr in der Hand der Gemeinde Grafschaft, das Projekt weiter zu verfolgen“, sagt Reuß.

Von unserem Redakteur Frieder Bluhm
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