Kreis Ahrweiler/Bodenheim

In Bodenheim werden Spendenweine verpackt: Solidarität mit Ahr-Winzern ist groß

Von Silke Jungbluth-Sepp
Rund 80 freiwillige Helfer stellen in der alten Kümmerling-Halle in Bodenheim die „Solidahritäts“-Weinpakete zusammen.  Foto: Silke Jungbluth-Sepp
Rund 80 freiwillige Helfer stellen in der alten Kümmerling-Halle in Bodenheim die „Solidahritäts“-Weinpakete zusammen. Foto: Silke Jungbluth-Sepp

Die Solidaritätsaktion für die Ahr-Winzer, die der Niersteiner Weingutsleiter Dirk Würtz auf die Beine gestellt hat, überrollt mit ihrer Resonanz alle Beteiligten. 203.448 Flaschen Wein haben Winzer aus ganz Deutschland und dem Ausland bislang zur Verfügung gestellt, und immer noch liefern Lastwagen Paletten mit gespendeten Weinkartons in der alten Kümmerling-Halle in Bodenheim an. Dort werden von Freiwilligen jeweils sechs Weine für die Überraschungspakete zusammengestellt, die für 65 Euro verkauft werden. Der Erlös geht an die überfluteten Weinbetriebe an der Ahr.

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Dirk Würtz steht mitten in der Halle und kann noch nicht richtig fassen, was sein Aufruf vor drei Wochen in seiner Facebook-Gruppe „Hauptsache Wein“ bewirkt hat. „Die Resonanz ist gigantisch.“ Kaum hatte er vor drei Wochen um Weinspenden gebeten, rollten auch schon die Lastwagen auf seinen Hof. Rund 20.000 Weinmacher und Weingenießer tauschen sich auf dieser Plattform aus, die Würtz 2013 mit einem Freund ins Leben gerufen hatte. 80 Prozent der deutschen Weinwirtschaft ist dort vertreten, schätzt er. Entsprechend schnell kam Würtz' Idee ins Rollen.

Inzwischen haben sogar Winzer aus anderen Ländern gespendet. „Alleine aus Österreich haben wir 30.000 Flaschen bekommen, sehr viel auch aus Luxemburg.“ Aus Italien, Frankreich, Griechenland und sogar aus Südafrika sind Weine angekommen. „Dabei geht es den Betrieben in Südafrika nach dem Lockdown selbst sehr schlecht.“

Und wie ist er auf die Idee gekommen? Würtz produziert seit einiger Zeit gemeinsam mit RPR1-Moderator Andreas Kunze Podcasts über Weine und das Leben. Am Freitag der Flutwoche hatten Würtz und Kuntze Meike Näkel vom Ahr-Weingut Meyer-Näkel dazu als Gast erwartet. Lange hörten sie nichts von ihr, irgendwann habe sie die Nachricht geschickt: „Wir leben, aber wir haben nichts mehr außer unserem Leben.“ Erst da sei ihnen bewusst geworden, welche Katastrophe sich kurz zuvor an der Ahr abgespielt habe. „Bis dahin dachte ich, das sei ein Hochwasser, wie wir es vom Rhein kennen.“

Doch die Flut war viel schlimmer: Von den 50 Weinbaubetrieben an der Ahr sind nach Angaben des Deutschen Weininstituts nur vier unversehrt geblieben, 20 Betriebe seien komplett zerstört, hätten alle Maschinen, die aktuellen Jahrgänge im Keller und meist auch die Schatzkammern mit allen Raritäten verloren. „Nach ersten Schätzungen liegt der Gesamtschaden für die Weingüter bei über 100 Millionen Euro“, sagt Sprecher Ernst Büscher. Umso wichtiger ist die Hilfe von allen Seiten. Da Würtz schon mehrfach über die Facebook-Seite Charity-Aktionen mit gespendeten Weinen auf die Beine gestellt hatte, etwa für die Krebshilfe, zögerte der 52-Jährige auch diesmal nicht lange. „Ich dachte, wenn wir gut sind, bekommen wir 1000 oder 1500 Kisten zusammen.“ Doch als er am Montag nach der Flut genügend Weinspenden zusammenhatte und das Angebot der „Solidahritäts“-Weinpakete online stellte, waren nach 45 Minuten bereits 800 Pakete verkauft, am Abend 5000, 48 Stunden später 10.000. In ähnlichem Tempo gingen glücklicherweise weitere Spendenzusagen der Winzer ein.

Im Hof seines Weinguts wurde es schnell zu eng, obwohl sich sofort Dutzende freiwillige Helfer meldeten und unverdrossen im Regen Kisten packten. „Ganz Nierstein war zeitweise lahmgelegt, die vielen Lastwagen mit Wein stauten sich auf den Straßen, die Helfer drängten sich im Hof.“ Inzwischen ist die Truppe mietfrei in die Halle in Bodenheim umgezogen.

Die rund 70 Freiwilligen klotzen dort tüchtig ran. 5000 Pakete stellen sie pro Tag zusammen, und jeder Handgriff sitzt. Damit die Mischung stimmt, wurden die Weine in Kategorien eingeteilt, und in jedem Karton werden drei einfache, zwei mittlere und ein hochwertiger Wein verpackt. „Manche Weine hier kosten 60 Euro pro Flasche.“ Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich bei ihrem Besuch beeindruckt vom Ausmaß der Spendenaktion. „Wir brauchen gerade jeden im Land“, sagte sie. Rund 1,625 Million Euro brutto hat das Ganze bereits eingespielt, 25.000 Pakete sind verkauft. Noch wird verhandelt, ob der Staat auf die Mehrwertsteuer verzichtet, damit die Summe ungekürzt den Winzern zugutekommt. Das Geld soll über den Verein „Der Adler hilft“ vermutlich zunächst in zentrale Traubenannahmestellen investiert werden, ebenso in Pressen, Entrapper, Gärbottiche und Fässer für die Betriebe. „Das hat inzwischen dort fast keiner mehr.“ Am wichtigsten sei es, die Trauben zu retten, die in wenigen Wochen geerntet werden. „Die Winzer dort haben zwei Jahrgänge im Keller verloren, jetzt soll wenigstens der am Stock gerettet werden.“

Wer noch ein Paket mit Solidahritäts-Wein haben möchte, sollte sich übrigens sputen. Es sind nur noch rund 8000 übrig – vorläufig.

Die Weinpakete können über den Onlineshop des Weinguts St. Antony in Nierstein unter www.st-antony.de bestellt werden

Von unserer Reporterin Silke Jungbluth-Sepp