Bad Neuenahr-Ahrweiler

Hoteliers geben nicht auf: Die meisten Gastgeber in Bad Neuenahr-Ahrweiler blicken optimistisch in die Zukunft

Von Annika Wilhelm
Das Hotel Krupp steht seit 1883 in der Innenstadt von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Keller und Erdgeschoss wurden vom Hochwasser geflutet.
Das Hotel Krupp steht seit 1883 in der Innenstadt von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Keller und Erdgeschoss wurden vom Hochwasser geflutet. Foto: Annika Wilhelm

Als das Hochwasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler einbrach, wurden unzählige Häuser zerstört und geflutet. Zu den Betroffenen zählen auch alle Hoteliers der Kreisstadt: Nicht ein Hotel blieb von dem Hochwasser verschont.

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Gereon Haumann, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), merkt an: „Selbst wenn ein Gastgeber nicht direkt betroffen ist, dann ist er es durchaus indirekt.“ Denn vielerorts funktionieren Wasser, Gas und Elektrizität nicht mehr. 62 Brücken wurden im Kreis Ahrweiler zerstört, dazu zahlreiche Wander- und Radwege, Landschaften, Winzerbetriebe und Gaststätten. Günther Uhl, Besitzer des Hotels Krupp und Kreisvorsitzender des Dehoga, sagt: „Das bedeutet für unsere Gäste, dass alles, was den Charme der Region ausgemacht hat, weg ist.“

Seit 1883 steht das Hotel Krupp in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Günther Uhl war zum Zeitpunkt des Hochwassers gerade in Urlaub. So schnell wie möglich machte er sich auf den Heimweg – wegen der gesperrten Autobahnen und Straßen brauchte er zwei Tage, bis er von Rostock nach Bad Neuenahr-Ahrweiler zurückkehren konnte. Seine Tochter Regina Uhl war vor Ort. Sie erzählt: „Wir haben noch versucht, den Keller mit Sandsäcken abzuriegeln, aber so schnell, wie das Wasser kam, konnte man gar nicht reagieren.“

Günther Uhl, Hotelier und Dehoga-Kreisvorsitzender, steht mit seiner Tochter Regina vor dem zerstörten Eingang zum Innenhof.
Günther Uhl, Hotelier und Dehoga-Kreisvorsitzender, steht mit seiner Tochter Regina vor dem zerstörten Eingang zum Innenhof.
Foto: Annika Wilhelm

Der Boden im Foyer wurde komplett rausgeschwemmt

Der Keller und das Erdgeschoss des Hotels standen vollkommen unter Wasser. Zerstört wurde dabei fast alles. Die Kraft der Flut war so groß, dass im Foyer des Hotels der Boden komplett rausgeschwemmt wurde. Während Günther Uhl durch die Gänge des Erdgeschosses läuft, meint er: „Das hier war mal ein Hotel.“ Mit einer 50-Mann-Kette haben sie den Schlamm aus dem mehr als 600 Quadratmeter großen Keller geschippt – Schlamm, der nicht gerade ungefährlich ist. Regina Uhl erzählt: „Das ist ja nicht nur Schlamm, sondern auch Gülle, teilweise wurden Tankstellen weggerissen, in unserem Keller ist Öl ausgelaufen.“

Die Aufräumarbeiten sind also in vollem Gange. Aus dem Grund konnte sich Günther Uhl noch keine Gedanken über die genaue Zukunft des Hotels machen. Er sagt: „Dafür ist das alles noch zu frisch. Gerade geht es erst einmal darum, die giftigen Schlämme wegzumachen.“ Klar ist für ihn dennoch, dass das Hotel wieder aufgebaut werden soll. Von seinen Hotelier-Kollegen hat er nur optimistische Rückmeldung bekommen: „Viele wollen weitermachen“, sagt Uhl. Diesen Optimismus kann seine Tochter Regina nur bestätigen. Die Studentin sagt überzeugt: „Dieses Hotel funktioniert schon seit 138 Jahren, dann schaffen wir das hier auch noch.“ Von diesem Kampfeswillen merkt auch Gereon Haumann viel: „Ich hab den Eindruck, dass das Leid und die Not der Leute in eine enorme Energie des Anpackens umgewandelt werden, zum Beispiel durch enorme Nachbarschaftshilfe.“

Die Landesgartenschau hätte viele Gäste an die Ahr gebracht. Doch auch daraus wird nichts.
Die Landesgartenschau hätte viele Gäste an die Ahr gebracht. Doch auch daraus wird nichts.
Foto: Jochen Tarrach

Die Hilfsbereitschaft im Katastrophengebiet schätzt auch Christian Lindner vom Ahrtal Tourismus. Genau vier Wochen nachdem sein Privathotel Villa Aurora nach Corona-Zwangspause endlich wieder Gäste empfangen konnte, zerstörte die Ahrflut das Hotel. Seitdem packen unzählige Helfer mit an. Er erklärt: „Dieses Jahr wird das Hotel 111 Jahre alt. Eigentlich wollten wir das feiern. Jetzt muss es komplett saniert werden.“ Obwohl er die Situation als „Vollkatastrophe“ betitelt, ist er sich trotzdem sicher: „Jetzt geht es nur noch bergauf.“ Das Schlimmste hat Christian Lindner nämlich schon hinter sich, erzählt er: Während der Flut bangte er mit seinen Hotelgästen um sein Leben. „Wir haben knietief auf einem Betonpfosten im Wasser gestanden und auf Hilfe gewartet.“

„Nicht so werden wie früher, sondern besser“

Aus dem Grund ist Christian Lindner froh, am Leben zu sein, und blickt der Zukunft optimistisch entgegen. Die Zielsetzung lautet für ihn dabei, nicht nur so zu werden wie früher, sondern besser. Dennoch: „Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis es so wie früher sein wird“, sagt er.

Die Landesgartenschau war eigentlich für das Jahr 2023 in Bad Neuenahr-Ahrweiler angesetzt. Zwar gab es noch keine offizielle Rücksprache, aber laut Lindner sei der Gedanke daran utopisch: „Da fehlt mir jegliche Vorstellung. Wenn man die hinteren Ziffern des Jahres umdreht, sind wir gut dabei. Wir können froh sein, wenn endlich mal wieder eine normale Brücke steht.“

Tourismusbranche im Land leidet unter Dominoeffekt

Vier von 24 Landkreisen in Rheinland-Pfalz sind von dem Hochwasser und dessen Folgen betroffen. Gereon Haumann, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), betont: „Der Kreis Ahrweiler ist dabei am schlimmsten betroffen.“ Dabei ist ausgerechnet das Ahrtal ein starker Übernachtungsbringer für den Fremdenverkehr in Rheinland-Pfalz. Für Haumann steht als Folge fest, dass der Tourismus an der Ahr in den kommenden zwölf Monaten komplett ausfällt.

Dass Ahrweiler so stark betroffen ist, hat aber auch Auswirkungen auf andere Tourismusziele. Es sei wie ein Dominoeffekt in ganz Rheinland-Pfalz, erklärt der Dehoga-Präsident: „Seit dem Samstag nach dem Hochwasser gab es eine Stornowelle unbekannten Ausmaßes. 25 bis 30 Prozent der Übernachtungen in ganz Rheinland-Pfalz wurden storniert.“ Viele Gäste sind der Annahme, dass das ganze Bundesland betroffen ist, und sagen demnach sogar ihren Urlaub in der Pfalz ab. Gereon Haumann sieht das kritisch: „Wenn in nicht betroffenen Gebieten nach sieben Monaten Corona auch weiterhin alles ausfällt, hat das schwere Folgen für die Gastgeber.“ So appelliert er an Touristen, dass sie ihren Urlaub in den nicht betroffenen Gebieten unbedingt wahrnehmen sollten.

Auch Stefan Zindler, der Geschäftsführer von Rheinland-Pfalz Tourismus, betont, dass die geografische Verortung der Katastrophe präzisiert werden müsse, damit die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr nicht weiter steigen. Er sagt: „Wir sind in Gedanken bei den Menschen im Ahrtal, aber gleichzeitig müssen wir klar kommunizieren, dass diese Katastrophe nur lokal zu Verwüstungen geführt hat, Tourismus in Rheinland-Pfalz aber sonst im ganzen Land möglich und unbedingt gewollt ist. Denn die Gastgeber, Gastronomen und Freizeiteinrichtungen im ganzen Land haben sich nach den langen Corona-bedingten Schließungen und Einschränkungen seit Monaten auf die Sommersaison vorbereitet.“

Wie es im Tourismus weitergeht, hängt vor allem davon ab, welche Strukturmaßnahmen der Kreis, das Land und der Bund beschließen. Günther Uhl, Dehoga-Vorsitzender im Kreis Ahrweiler, bestätigt, dass es noch keine Gespräche über den Weitergang des Tourismus gab. Der Dehoga-Präsident Haumann fordert von der Landes- und Bundesregierung: „Hilfsmittel sollen schnell ausgezahlt werden, um die Not der großen Masse zu lindern und möglichst vielen zu helfen. Auch auf die Gefahr hin, dass dabei eventuell zu viel ausgezahlt wird.“ Sollte das der Fall sein, kann das Geld schließlich auch im Nachhinein noch zurückgezahlt werden. Gereon Haumann ist jedoch ebenso optimistisch gestimmt, wie es auch die Hoteliers des Kreises sind: „Das Ausmaß ist noch nicht klar, aber sicher ist, dass der Tourismus von Grund auf neu aufgebaut werden muss. Dafür wird zwar viel Kraft benötigt, aber das gibt auch viele neue und gute Chancen.“

Flutkatastrophe im Ahrtal
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