Dümpelfeld

Hochwasserschutz erfordert Geduld und Geld: Experten beraten über Maßnahmenkatalog fürs Ahrtal

Wohin mit den Wassermassen? Beim künftigen Hochwasserschutz müssen viele Akteure ihren Beitrag leisten.  Foto: Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz
Wohin mit den Wassermassen? Beim künftigen Hochwasserschutz müssen viele Akteure ihren Beitrag leisten. Foto: Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz

Die Flutkatastrophe darf sich nicht wiederholen. Doch wie lassen sich Hochwasserlagen und Starkregenereignisse an der Ahr so kanalisieren, dass Naturkatastrophen wie im Juli 2021 verhindert werden? Und was können natürliche und technische Retentionsräume – also Flächen, wo das Wasser „zwischengelagert“ wird – dazu beitragen?

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Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich jüngst Wissenschaftler aus ganz Deutschland, Ingenieur- und Planungsbüros, Vertreter der Land- und Forstwirtschaft sowie der Ahrkommunen in der Dümpelfelder Dünalü-Halle. Eingeladen dazu hatte das Kompetenznetzwerk „Wissenschaft für den Wiederaufbau“ in Kooperation mit dem Forschungsprojekt Klima Anpassung, Hochwasser und Resilienz (KAHR). Rund 80 Teilnehmer konnten Prof. Ulrike Kirchner für das Kompetenznetzwerk und Prof. Holger Schüttrumpf vom nordrhein-westfälischen KAHR-Projekt begrüßen.

Wie Komplex das Thema Retentionsraum ist, machte Prof. Jörn Brinkmann von der Universität Stuttgart und Sprecher des rheinland-pfälzischen Projektes KAHR deutlich. Zum Problem der nur sehr begrenzt vorhandenen Flächen für Retentionsräume im Ahrtal kämen auch Natur- und Artenschutzauflagen hinzu, die es zu berücksichtigen gelte. Viel hänge auch davon ab, wie groß die Akzeptanz bei den Eigentümern der ausgewählten Flächen sei, um hier Überflutungen zu ermöglichen, die zum schadensfreien Durchfluss des Wassers beitragen können.

Umfasssende Konzepte notwendig

Der Schutz vor Flut- und Hochwasserschäden könne nicht allein auf den Flächen zwischen Dörfern und Städten aufgebaut werden, machte Brinkmann klar. Auch Bolz-, Spiel- und Sportanlagen sollten in die Schaffung von Rückhaltepotenzialen mit eingebunden werden. Und jeder Hauseigentümer könne auf seinem Grundstück zur Rückhaltung beitragen.

Dass das Schaffen von natürlichen und technischen Retentionsräumen nur ein Baustein der Hochwasservorsorge sein kann, machte auch die zuständige Geschäftsbereichsleiterin bei der Kreisverwaltung Ahrweiler, Anja Toenneßen, klar. Sie brachte Ergebnisse der Ingenieurbüros mit, die das Ahrtal vom Oberlauf bis zur Mündung zur Gewässerwiederherstellung untersucht hatten. Auch in deren Konzepten tauchten Maßnahmen zur Rückhaltung in den Auenlandschaften auf, wurden Vorschläge für technische Maßnahmen gemacht. Etwa in Bad Bodendorf, wo ein Taschenpolder am Talrand gebaut werden könnte, oder für Kirmutscheid, wo man dem Trierbach mit einer Flutmulde seine zerstörende Kraft nehmen könnte.

Auch die Nutzung von multifunktionalen Flächen in den Ortslagen hatten die Ingenieure in ihr Maßnahmenpaket gepackt. Der dickste Brocken, so Toenneßen, käme dann aber noch, wenn man das gesamte, 900 Quadratkilometer große Ahreinzugsgebiet in den Hochwasser- und Starkregenschutz einbeziehe. „Das kann nur als Gemeinschaftsaufgabe funktionieren“, machte Toenneßen klar. Deshalb hätten sich alle Gebietskörperschaften im Kreis zur Hochwasserpartnerschaft an der Ahr zusammengeschlossen. Und auch mit den Nachbarn in der Vulkaneifel und in Nordrhein-Westfalen sei man im Gespräch.

Umsetzung erfordert viel Zeit

Dass Hochwasservorsorge und Starkregenschutz Langzeitprojekte sind, wurde beim Beitrag des per Videokonferenz zugeschalteten Bürgermeisters der bayerischen Gemeinde Simbach am Inn deutlich. 2016 hatte der Simbach nach Starkregenereignissen die 10.000-Einwohner-Stadt überflutet und Millionenschäden verursacht. Im Jahr 2021 habe man dann endlich die Planfeststellung für Schutzmaßnahmen erwirkt, bis 2027 sollen die Maßnahmen umgesetzt werden. Und neben „unheimlich viel Geduld braucht man sehr viel Geld“, so Bürgermeister Klaus Schmid. 50 Millionen Euro werden die Schutzmaßnahmen kosten, 12,5 Millionen Euro davon muss die Stadt aufbringen. red