Hilfeschrei von der Mittelahr: Die komplette Infrastruktur für das Leben im Tal existiert nicht mehr
Hier haben sich Tragödien abseits jeglicher Kommunikation abgespielt. „Es ist nicht nur die Flutwelle von Schuld. In der Verbandsgemeinde Altenahr leben 11.000 Menschen, 8000 davon in den Ahrgemeinden, von denen jede desaströs zerstört ist, ja ausgelöscht wurde. Wir sind als Mittelahr nicht mehr existent“, sagt die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde, Cornelia Weigand. Es ist ihr Hilferuf. „Die Menschen hier stehen unendliches Leid durch. Man erkennt die Orte nicht wieder“, so Weigand, und die Furcht vor der Zukunft schwingt in ihren Worten mit. Sie glaubt, dass die finanzielle Hilfen, die kommen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden. „Der Wiederaufbau wird mehr als Muskelkraft brauchen“, sagt sie.
Ein Blick auf den Stadtkern von Altenahr zeigt die verheerenden Folgen der Flutkatastrophe. Die Stadt Rheinböllen will den Menschen in der Gemeinde beim Wiederaufbau helfen.
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Altenburg ist schwer getroffen.
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Ein Marienbild hängt noch in einem völlig zerstörten Zimmer eines Hauses im Ortsteil Altenburg.
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Das Aufräumen beginnt in Altenahr.
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Auch die Feuerwehr hat Fahrzeuge verloren. Fotos: dpa
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Die komplette Infrastruktur ist weggebrochen. Die von den einstigen Straßenverbindungen abgeschnittenen Orte werden mit geländegängigen Fahrzeugen über die Berge, also über Waldwege, angefahren und versorgt: Rech beispielsweise über die Route Steinerberg. Hinter dem Tunnel von Altenahr gähnt ein acht Meter tiefes Loch hinunter bis zum nackten Fels. Laach ist durch einen Felssturz am Durchbruch Lochmühle vom Rest der Welt getrennt. Es sind viele Helfer da, aber wir werden noch lange kein Wasser und keinen Strom haben“, so Weigand.
„Der Pegel kletterte in der Katastrophennacht auf 6 bis 7 Meter weit über die Hochwassermarke von 2016, die bei 3,70 Meter lag“, so Weigand. „Jetzt sieht es aus wie nach einem Tsunami“, sagt auch Frank Linnarz, Wehrleiter der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Altenahr. Er wüsste nicht, wie er das Ausmaß der Zerstörung zwischen Liers und Marienthal anders beschreiben sollte. In dem schwer zugänglichen Abschnitt waren die Menschen eingeschlossen von der braunen Flut, lange auf sich allein gestellt. „Wir haben es jetzt geschafft, in jede Ortslage über den Landweg vorzudringen“, so Linnarz. Das bringt weitere Herausforderungen für die Einsatzkräfte – physisch wie psychisch.
Es ist damit zu rechnen, dass beim Absuchen der Gebäude weitere Todesopfer gefunden werden. „Wir vermeiden es, dass Feuerwehrleute die Leichen bergen. Es könnten Freunde, Bekannte oder Verwandte darunter sein“, so Linnarz. Polizei, THW, Bundeswehr oder übernehmen diese Aufgabe. Die Rettungskräfte treffen auf traumatisierte Menschen. „Sie sind massiv angespannt, denn in fast jedem Ort gibt es Tote und Vermisste. Hinzu kommt die Existenzangst. Sie stehen unter Schock“, so Linnarz. „Wir versuchen, Seelsorger dort einsetzen zu können.“
„Teilweise gibt es Strom oder Wasser, manchmal aber auch nichts von beidem“, so Linnarz. Es geht darum, eine Versorgungs- und Verpflegungsinfrastruktur aufzubauen – unter schwierigen Umständen. An Brücken steht noch die in Hönningen, in Kreuzberg soll eine Behelfsbrücke das Überqueren für leichte Fahrzeuge wieder möglich machen, in Altenahr gibt es noch eine, die nur zu Fuß passiert werden kann. Und in Dernau an der Steinbergsmühle hat sich Treibgut gesammelt, das erst mit einem Bagger entfernt werden muss, um sie zu Fuß überqueren zu können. Viele Menschen sind bei Freunden oder Verwandten untergekommen, doch die Rückkehr zu einem normalen Leben ist noch weit entfernt.