Kreis Ahrweiler

Handwerksbetriebe richten den Blick nach vorn: Phase des Wiederaufbaus beginnt

Von Reinhard Kallenbach
Auch der Betrieb von Kreishandwerksmeister Frank Wershofen wurde von der Katastrophe schwer getroffen.
Auch der Betrieb von Kreishandwerksmeister Frank Wershofen wurde von der Katastrophe schwer getroffen. Foto: Reinhard Kallenbach

Zwei Wochen nach der Flutkatastrophe ist die Hilfsbereitschaft ungebrochen. Die Angebote kommen aus der ganzen Bundesrepublik. „Da gibt es große Unternehmen, die wollen 15 Mitarbeiter samt Fahrzeugen und Werkzeug schicken“, berichtet Frank Wershofen. Das sind die Nachrichten, die dem Kreishandwerksmeister und seinen Kollegen Mut machen. Einerseits. Andererseits zeigt sich, dass eine gute Koordinierung der Maßnahmen täglich wichtiger wird. Und das ist leichter gesagt als getan.

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Die Obermeister der zehn unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft Ahrweiler organisierten Innungen wollen jetzt regelmäßig zu „Krisengipfeln“ zusammentreffen, um direkte Hilfe für Betriebe zu organisieren. Bei der ersten Sitzung am Mittwoch wurde unter anderem eine Liste mit den besonders schwer betroffenen Handwerksbetrieben angefertigt. Anschließend nahmen sie direkt Kontakt auf, sofern das überhaupt möglich war. Denn nicht immer gibt es einen Telefon- oder E-Mail-Kontakt. Und trotz der großen Hilfsbereitschaft gibt es dann noch die kleinen Unternehmen, die nicht mehr aufbauen können oder wollen.

Nicht jeder kann wirtschaftliche und psychische Folgen überwinden

„Das sind zum Beispiel Friseursalons“, sagt der Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister, der gemeinsam mit Andy Wershofen einen SHK-Betrieb mit 22 Mitarbeitern führt. Erst Corona, dann die Katastrophe: Das kann so mancher weder wirtschaftlich noch psychisch verkraften – und gibt auf. Dennoch spricht der Kreishandwerksmeister von einem Stimmungswandel. „So mancher ist jetzt wieder guter Dinge“, sagt er. Vielerorts ist die Verzweiflung der vergangenen Tage inzwischen dem festen Willen, alles neu aufzubauen, gewichen. Das spürt man auch im Wiesenweg im Stadtteil Heimersheim. Hier haben viele Betriebe ihren Unternehmenssitz, und fast alle haben schlimme Verluste erlitten. Auch Andy und Frank Wershofen. Doch überall packen Mitarbeiter und Helfer an. Viele Werkstätten und Geschäftsräume wurden bereits vom Unrat befreit, der Blick geht nach vorn, zumal die Inhaber ihre Betriebe eines Tages an die nächste Generation übergeben wollen. So auch Andy und Frank Wershofen, deren Söhne Marcel und Lukas bereits den Meistertitel erworben haben.

Wie groß die Herausforderungen sind, zeigt sich schon beim Blick aus Wershofens Bürofenster. Ein Haus in der Nachbarschaft und die Fußgängerbrücke mussten bereits abgebrochen werden, der Neuanfang wird ein Großprojekt für die kommenden Jahre sein. Trotz der aktuell schlimmen Situation gibt es Zeitgenossen, die sich am Leid der Betroffenen auch noch bereichern wollen. Dazu gehören unseriöse Geschäftemacher von außerhalb. Sie rollen an, erbringen zwar kleinere Leistungen, stellen aber überhöhte Rechnungen, die das Dreifache des Üblichen erreichen können. Und sie drohen, erst dann zu gehen, wenn bezahlt wird. Und zwar sofort. „Da wird die schlimme Lage der Betroffenen schamlos ausgenutzt“, ärgert sich der Handwerksunternehmer.

„Wir kommen langsam in der zweiten Phase an – dem Wiederaufbau“, sagt Frank Wershofen und geht mit gutem Beispiel voran. Während im Lager, in der Werkstatt und im zerstörten Ausstellungsbereich die Sicherungsarbeiten angelaufen sind, hat sich das Büro im ersten Obergeschoss in eine Art Einsatzzentrale verwandelt. Fast die gesamte Kommunikationstechnik konnte gerettet werden, die Verbindung ins Internet läuft über ein Provisorium mit LTE. „Das ist zwar manchmal etwas langsam, aber es geht“, sagt Frank Wershofen. Über die Zentrale des Betriebs werden jetzt nicht nur die Kunden betreut, hier laufen auch Meldungen anderer Handwerksbetriebe ein. Hauptprobleme: Neben der zerstörten Infrastruktur sind dies fehlende Geräte und Materialien.

Soforthilfen des Landes werden nicht ausreichen

Die Beispiele zeigen, dass es mit Sachspenden und ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen nicht getan ist. „Jetzt wird vor allem Geld benötigt, die Soforthilfe des Landes in Höhe von 5000 Euro pro Betrieb, die ab sofort beantragt werden kann, wird natürlich nicht ausreichen“, sagt Frank Wershofen, der auch Obermeister der SHK-Innung Ahrweiler ist. Zuversichtlich hofft er auf eine schnelle und unbürokratische Bearbeitung. Er weiß aber, dass auch die Verwaltung stark von der Katastrophe betroffen ist und jetzt vieles über Amtshilfe erledigt werden muss. Dazu kommt, dass es derzeit noch fast unmöglich ist, ein komplettes Schadensbild zu ermitteln, um die zur Verfügung stehenden Mittel gezielt einzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist für die Obermeister der Innungen ein intensiver Austausch mit der Kreishandwerkerschaft und der Handwerkskammer Koblenz wichtig, um Hebel in die richtige Richtung bewegen zu können.

Auch wenn inzwischen wichtige Strukturen stehen, wird der Wiederaufbau das Handwerk an seine Kapazitätsgrenzen bringen. So müssen Heizungsanlagen und Elektroinstallationen schon allein aus Sicherheitsgründen komplett ausgetauscht werden. Der Schlamm ist so fein, dass eine Reinigung und der Austausch schadhafter Teile schlichtweg nicht möglich sind. Dazu kommt, dass in vielen Gebäuden weder Strom noch Gas und Wasser verfügbar ist. Die eingesetzten Fachhandwerker müssen sich also in kleinen Schritten nach vorn arbeiten und immer dort anfangen, wo die Versorgungsinfrastruktur zumindest provisorisch wiederhergestellt ist.

Die Kreishandwerkerschaft Ahrweiler gibt unter der Adresse www.fachhandwerk.de unter der Devise „Handwerk hilft Handwerk“ Betrieben in Form einer Onlinebörse die Möglichkeit, ihre Hilfsangebote selbst einzutragen.