Ahrweiler

Große Solidariät an Ahrweiler Boeselager Realschule: Fördervereinskonto wird zum Spendenkonto

Von Tobias Lui
Das Foto zeigt die Abrissarbeiten in Haus 4.
Das Foto zeigt die Abrissarbeiten in Haus 4. Foto: privat

Die wichtigste Nachricht vorweg: Keiner der 650 Schüler und 52 Lehrer der Philipp-Freiherr-von-Boeselager Realschule plus in Ahrweiler hat die verheerende Sturmflut mit dem Leben bezahlt. Doch das Leid, dass Schulleiter Timo Lichtenthäler wie so viele Kolleginnen und Kollegen in der Region dieser Tage am eigenen Leib mitbekommen, ist enorm. Eine große psychische Belastung für alle Beteiligten. Doch es gibt auch etwas Positives in diesen Tagen zu berichten, wie er unserer Zeitung sagt. „Die erlebte Solidarität ist Wahnsinn, die Schulgemeinschaft ist noch enger zusammengerückt.“

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Die vier Gebäudekomplexe der Boeselager-Realschule liegen in der Schützenstraße in Ahrweiler – und damit mitten im Hochwassergebiet. „Gerade wird Haus 4, in dem unsere fünften Klassen untergebracht waren, abgerissen“, so Lichtenthäler im Gespräch. „Dieses Haus bestand nur aus einem Erdgeschoss und ist daher nicht mehr zu retten.“ Auch die angeschlossene Turnhalle ist komplett von Wasser und Schlamm zerstört worden. Der Rest, so haben es die Statiker festgestellt, könne wohl stehen bleiben. „Wie groß die Schäden aber im Einzelnen sind, muss man abwarten“, sagt der 42-jährige Schulleiter. In vielen anderen Schulen im Umkreis sei die Situation ähnlich dramatisch, zumindest hat er das von ihm bekannten Schulleitern erfahren.

Was den Pädagogen freut: Die Aufräum- und notwendigen Abrissarbeiten an der Realschule werden von Bundeswehr, THW und Feuerwehr übernommen. „Denn die Gebäude sind noch ein großer Gefahrenherd.“ Selbst mit anpackende Schüler, Lehrer oder Eltern könne es derzeit also nicht geben, sagt Lichtenthäler. „Wenn die Gebäude aber so weit gesichert sind, werden helfende Hände sicherlich gebraucht.“ Zweifel, dass diese in großer Anzahl zustande kommen, hat er keinerlei. „Der Zusammenhalt aktuell ist überragend“, hat er festgestellt.

Direkt nach der Katastrophe wurden Krisenstäbe aus dem Kollegium der Realschule eingerichtet – unter anderem, um jede Familie abtelefonieren zu können. „Denn das Wichtigste war es zu erfahren, wie es unseren Schülern und deren Familien geht.“ Nun bemühe man sich, den besonders getroffenen Familien finanziell unter die Arme zu greifen. Aus diesem Grund wurde das Fördervereinskonto kurzerhand zum Spendenkonto umfunktioniert. „Das läuft prima an, auch hier spürt man die Solidarität innerhalb der Schulgemeinschaft“, betont Lichtenthäler. Und wie kommen die Spenden zu den Betroffenen? „Wenn Hilfeanfragen aus der Elternschaft kommen, fahren wir direkt hin.“ Vor Ort mache man sich dann ein Bild und entscheide, wie man am besten helfen könne. Denn die Spendengelder sollen, so hat es der Förderverein entschieden, jeweils an Bedürfnisse des Kindes gekoppelt sein. „Wir schauen, dass die Basics vorhanden sind“, erklärt der Schulleiter.

Der ehemalige Mehrzweckraum der Realschule plus ist ebenfalls nicht mehr zu retten.
Der ehemalige Mehrzweckraum der Realschule plus ist ebenfalls nicht mehr zu retten.
Foto: privat

Dies könne mal der Schulranzen sein, ein anderes mal der Kinderzimmerschreibtisch. „Wir wollen ermöglichen, dass die Kinder wieder gut ausgerüstet sind, wenn der Unterricht irgendwann wieder starten wird.“ Was neben der materiellen Not bei diesen Besuchen auffalle: Die psychische Belastung ist enorm, „viele knabbern noch daran, was sie in der Horrornacht erlebt haben“.

Wann genau wieder an so etwas wie Normalität im Schulbetrieb zu denken sei, so Lichtenthäler, wisse derzeit niemand. „Wir planen von Stunde zu Stunde, alles darüber hinaus kann am nächsten Tag schon wieder überholt sein.“ Er hat dieser Tage einen Termin bei der Aufsichtsbehörde in Koblenz, „um den Schuljahrbeginn zumindest mal grob ins Auge zu fassen“. Viele Fragen müssen da beantwortet werden: Wie werden die Schülerströme umgelenkt? Wer kann wen aufnehmen? Wie steht es mit der Infrastruktur? Fahren Schulbusse? Können Eltern ihre Kinder bringen? „Man kann viel planen, ob diese Planung aber einen Tag später noch bestand hat, ist völlig offen“, betont der zweifache Familienvater. Aber natürlich sei es wichtig – gerade nach den vielen Schulausfällen durch die Corona-Pandemie – irgendwann wieder unterrichten zu können.

Klar sei aber schon heute, dass die Schulgemeinschaft in den kommenden Monaten auf harte Proben gestellt wird. Doch die gerade auf vielen Ebenen erlebte Solidarität bestärke ihn in seinem Optimismus. „Wir alle werden gestärkt aus dieser Katastrophe hervorgehen.“