Ahrtal

Gibt es Hilfe, wenn Versicherung nicht zahlt? Wo sind Einsatzschwerpunkte: Ein Überblick aus dem Ahrtal

Von unseren Redakteuren
Welches Haus muss abgerissen werden, welches ist noch zu retten? Sachverständige nehmen die Bausubstanz betroffener Häuser derzeit unter die Lupe.
Welches Haus muss abgerissen werden, welches ist noch zu retten? Sachverständige nehmen die Bausubstanz betroffener Häuser derzeit unter die Lupe. Foto: Tim Saynisch

Auf mehr als acht Milliarden Euro hat Innenminister Roger Lewentz den Sachschaden geschätzt, den die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf 15. Juli im Kreis Ahrweiler angerichtet hat. Und dieser Schaden wird immer sichtbarer, wenn die gewaltigen Müllberge, die sich allerorten entlang der Ahr aufgetürmt hatten, geräumt werden.

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Der Sachschaden an Brücken, Straßen an Rathäusern, Feuerwehrzentralen, Schulen, Kindergärten und an Privathäusern ist enorm. Und davon müssen, staatlich verordnet, immer mehr abgerissen werden. Bausachverständige ziehen mittlerweile durch die Straßen und gucken, was noch und was nicht mehr zu retten ist. Und gefackelt wird dann auch nicht lange. Schwere Bagger machen in Absprache mit den Besitzern Neubauten ebenso platt wie uralte Fachwerkhäuser, die noch mit Lehm und Holz gebaut wurden. Für viele Hausbesitzer ist das dann der zweite Schock, den sie nach dem Verarbeiten der grausamen Flutnacht verkraften müssen. „Auch private Zerstörungen müssen abgegolten werden“, sagte Lewentz während einer Pressekonferenz am Sonntag. Wie und in welchen Umfang das geschehen soll, darauf hatte der Innenminister aber noch keine Antwort. Über alle Fragen zur Schadensregulierung müsse man mit der Bundesregierung reden.

Grundsätzlich rückt täglich auch die Frage immer mehr in den Mittelpunkt, wie es weitergeht im Ahrtal, wenn dann aller Schutt beiseite geräumt ist. Lewentz: „Ein Wiederaufbaustab ist in Vorbereitung.“ Wer dem angehört und wer entscheidet, Land oder Kreis, auch dazu wollte oder konnte er sich noch nicht äußern.

Doch auch am Tag 14 nach dem Tsunami, der das Ahrtal auf einer rund 50 Kilometer langen Strecke von Antweiler bis Sinzig heimgesucht hat, hat das Aufräumen und die Versorgung der Bevölkerung noch Priorität. „Die Betreuung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Wasser und medizinischen Leistungen wird immer besser“, hat Heinz Wolschendorf, der Einsatzleiter des Krisenstabes, festgestellt. Weiter im Mittelpunkt stünden aber auch die Reparatur der Wasserleitungen, des Abwassernetzes und die Stromversorgung. Man mache große Fortschritte, hieß es in der gestrigen Pressekonferenz, genaue Zahlen und Zeiträume, wann alles wieder flächendeckend zumindest provisorisch klappt, konnte man aber erneut nicht nennen. Der Zerstörungsgrad sei eben nicht flächendeckend gleich. In Städten wie Sinzig sei man eben weiter als in vielen Dörfern an der Mittelahr.

Und das werde auch zur Folge haben, dass sich das Anforderungsprofil für die Helfer von Feuerwehr, THW und Bundeswehr ändern wird. Bisher habe die Gefahrenabwehr mit Mann und Maus im Vordergrund gestanden. „Wir müssen die Kräfte jetzt anpassen, es werden jetzt mehr Spezialisten gebraucht. Und die werden auch kommen“, sagte Wolschendorf und meinte damit wohl, dass die großen Räumfahrzeuge, Bagger, Lkw und ihr menschlicher Begleittross nach und nach abgezogen werden.

Auch in der medizinischen Versorgung der Menschen ist mehr und mehr Spezialistentum gefragt. Für die Leitende Notärztin Annika Rhode war es bisher wichtig , dass medizinische Versorgung in jeden Ort kommt. Von der Erste-Hilfe-Leistung bis hin zum schnellen Transport von Schwerkranken mit Hubschraubern; vom Verbandsmaterial bis hin zum Medikamente ausgeben, Rezepte schreiben und Medikamentenpläne erstellen für chronisch Kranke.“ Auch der Infektionsschutz der Menschen, damit sich Wunden nicht entzünden, sei wichtig. Für die Medizinerin wird es aber auch höchste Zeit, „dass Opfer und Helfer die physisch und psychisch längst am Ende ihrer Kräfte sind, durch professionelle Kräfte abgelöst werden“. Für die medizinischen Hilfsdienste von Luftrettung, DRK, Arbeiter Samariter Bund, Johanniter und Malteserhilfsdienst versicherte Andreas Heck, das sämtliche Mitarbeiter weiterhin hoch motiviert den Opfern zur Seite stehen. 612 Fahrzeuge samt Besatzung seien im Einsatz, um zeitgerechte Hilfe zu leisten. Elf Feldküchen habe man in Betrieb, die bis zu 10.000 Mahlzeiten am Tag für Opfer und Helfer zubereiten würden.

Zu spät kommt jede Hilfe für die nunmehr 134 Todesopfer der Katastrophe. Bisher ist die Identität von 78 Leichen geklärt, unter den 73 noch als vermisst geltenden Menschen dürften weitere Todesopfer zu finden sein. Der Albtraum nimmt kein Ende.

Aus dem Katastrophengebiet berichten Uli Adams, Beate Au, Sandra Fischer, Christian Koniecki, Nicolaj Meyer, Silke Müller, Tim Saynisch, Tobias Lui, Reinhard Kallenbach, Michael Stoll