Bad Neuenahr-Ahrweiler

Flutautos von der Ahr: In Osteuropa heiß begehrt

Von Nicolaj Meyer
Nach den ersten Tagen der Sintflut ein typisches Bild an der Ahr: Ein zerstörtes Auto am Straßenrand.
Nach den ersten Tagen der Sintflut ein typisches Bild an der Ahr: Ein zerstörtes Auto am Straßenrand. Foto: Meyer, Dogan

Sinan Dogan (24) betreibt einen von der Flut getroffenen Autohandel in Bad Neuenahr. Aus der Not, den gesamten Betrieb verloren zu haben, hat sich dieser nun auf Flutfahrzeuge spezialisiert. Er will aus den Autowracks, die in den vergangenen Wochen an Straßenrändern an der Ahr zu sehen waren, etwas Geld für die Betroffenen herausschlagen.

Lesezeit: 3 Minuten
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Dogan kam in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli gerade aus dem Urlaub und wurde dann von der Flutkatastrophe unsanft wieder auf Betriebstemperatur gebracht. Das Autohaus Dogan ist ein verhältnismäßig kleiner Betrieb, der erst seit Anfang des Jahres in der Kurstadt besteht. Nun wurde er mit der vollen Wucht der Zerstörung getroffen: „Das ganze Kapital ist weg“ – das Umlaufvermögen steckt in den Autos, und das ist weg. „Wir kaufen und verkaufen. Wenn das weg ist, kann man keine neuen Autos kaufen und verkaufen.“

Im Hof des 24-jährigen Händlers standen vier Fahrzeuge, in der Halle ein Wagen. Die Autos draußen wurden einfach weggeschwemmt, drinnen das Fahrzeug überflutet. Der Gesamtschaden umfasst, das Gebäude ausgenommen, 100.000 Euro: sämtliches Equipment wie Computer, mit denen man Autos ausliest, eine Geldzählmaschine, der Tresor, die Monitore, Überwachungskameras ... „Die normale Betriebshaftpflicht greift leider nicht“, erklärt Dogan seine Situation.

Wiederaufbau des Betriebes in Bad Neuenahr

Zwei Wochen dauerten die Aufräumarbeiten, bis er mit seinen Mitarbeitern den Schlamm beseitigt hatte, alle Möbel rausgeräumt und der Keller ausgepumpt waren. „Beim Geruch der Fäkalien musste ich beinahe brechen.“ Jetzt könne man langsam mit dem Aufbau beginnen.

Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, dass Sinan Dogans Einfahrt nach dem 15. Juli nicht mehr dieselbe ist. Er will in Bad Neuenahr mitanpacken und die Stadt wieder aufbauen.
Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, dass Sinan Dogans Einfahrt nach dem 15. Juli nicht mehr dieselbe ist. Er will in Bad Neuenahr mitanpacken und die Stadt wieder aufbauen.
Foto: Meyer, Dogan

Und dabei denkt er nicht nur an seine eigene Firma. Er wolle seinen Betrieb auf jeden Fall in Bad Neuenahr wiederaufbauen. „Für mich ist es auch eine Aufgabe, die Stadt wiederaufzubauen. Es ist keine Option, einfach zu verschwinden, dass alles hier einfach eine Geisterstadt wird. Das Ahrtal ist wunderschön, und damit verbinde ich viel.“ Deshalb, und um wieder Geld zu verdienen, hat er sich nun auf Flutautos spezialisiert. „Ob Opel Corsa oder Porsche Cayenne, wir versuchen, alles zu retten.“ Sollte es keine Möglichkeit geben, versuchen er und sein Team mit ihrem Händlernetzwerk im Ausland einen stabilen Verkaufspreis zu erreichen.

Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, dass Sinan Dogans Einfahrt nach dem 15. Juli nicht mehr dieselbe ist. Er will in Bad Neuenahr mitanpacken und die Stadt wieder aufbauen.
Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, dass Sinan Dogans Einfahrt nach dem 15. Juli nicht mehr dieselbe ist. Er will in Bad Neuenahr mitanpacken und die Stadt wieder aufbauen.
Foto: Meyer, Dogan

Dogan und seine Mitarbeiter beraten größtenteils: Was ist der Restwert, was ist der Zeitwert, wie viel Geld bekommt man noch? Zum Glück habe er zwar Autos, aber nicht noch seine guten Verbindungen verloren. „Es gibt viele Leute, die solche Autos noch aufkaufen“, sagt der gebürtige Bonner. Vor allem dann, wenn Steuergeräte noch nicht defekt seien. 90 Prozent der Leute sagten laut Dogan: „Nimm die Karre einfach mit, ich will von dem Auto nichts mehr hören.“

Verkauft werden die Wagen nach Osteuropa

Bislang habe er erst fünf Wagen vermittelt – mit Menschen geschrieben und diese beraten, deutlich öfter. Wie viel Geld er aus einem Flutauto herausschlagen könne, das komme immer darauf an: Bei einem 20 Jahre alten Auto könne man nicht mehr erwarten als den Schrottpreis. Bei Autos mit einem Alter bis zu fünf Jahren, je nach Marke und Beschädigungszustand, könnten es auch 10.000 Euro sein.

Wie kaputt ein Gefährt sein dürfe, das ist ebenfalls unterschiedlich: Etwa auch eine verbeulte und bis zum Dach unter Wasser stehende zwei Jahre alte Mercedes S-Klasse sei trotz allem noch zu vermitteln. Nach Polen, Rumänien oder Bulgarien würden die Wagen dann verkauft, neben Osteuropa erhalte er viele Anrufe aus den Niederlanden. In jedem Fall rät er: „Bitte die Fahrzeuge nicht kostenlos irgendwelchen Aasgeiern aus anderen Städten mitgeben.“ Dogan habe viele unseriöse Aufrufe gesehen. „Wir wollen den Leuten helfen und sind aus Bad Neuenahr. Wir stehen selbst vor den Scherben unserer Existenz.“

Von der Politik enttäuscht

Sinan Dogan
Sinan Dogan
Foto: privat

Das Ganze läuft dann so: Man besucht die Internetseite der Kreisverwaltung, da gibt es ein Formular online. Darüber lässt sich ermitteln, wo das Auto steht. Ein Problem sei zwar bei vielen der beschädigten Autos, dass das Kennzeichen fehle, da helfe aber die grüne Plakette, die auch das Kennzeichen beinhaltet. Dogan und seine Mitarbeiter holen die Autos mit ihren Abschleppern ab und regeln alles Weitere.

Dass er kreativ werden müsse, das wusste der aktuell in Bad Breisig Lebende schnell. Denn von der Politik ist Dogan bereits jetzt enttäuscht. „Ich plädiere für eine Corona-und-Flutpauschale von bis zu 10.000 Euro für Unternehmen, die es doppelt schlimm getroffen hat“, sagte Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, vor rund zwei Wochen gegenüber der „Bild am Sonntag“. Geworden sind es nun 5000 Euro Soforthilfe, die als Pauschale pro Unternehmen vom Land Rheinland-Pfalz ausgezahlt werden, erinnert Dogan. Der wartet noch auf das beantragte Geld. Für einen Wiederaufbau wird das nicht reichen, weiß er schon jetzt. Und er hofft auf weitere Unterstützung. Bis dahin will Dogan sich und anderen eben mit dem Verkauf von Flutautos helfen.

Betroffene können sich unter Tel. 0173/280 73 19 beim Autozentrum Dogan melden, um dort Informationen zu erhalten.

Von unserem Redakteur Nicolaj Meyer

So funktioniert die Autosuche im Kreis Ahrweiler

Nach dem verheerenden Hochwasser suchen nach wie vor viele Menschen ihr Fahrzeug. Fahrzeughalter können über ein neues Portal der Kreisverwaltung abfragen, welcher Abschleppdienst ihr Fahrzeug geborgen und abtransportiert hat. Die Daten werden täglich aktualisiert.

Zur Suche wird lediglich das Kennzeichen benötigt. Für eine erfolgreiche Abfrage ist eine korrekte Schreibweise des Kennzeichens notwendig. Diese wird auf der Eingabeseite genauer erläutert.
Wer sein Auto in der Datenbank findet, nimmt laut Kreisverwaltung Kontakt zum entsprechenden Abschleppunternehmen auf und klärt dort alle weiteren Fragen.

Unter folgender Internetadresse geht es zur Kennzeichenabfrage:

https://kreis-ahrweiler.de/landkreis/wo-steht-mein-fahrzeug-kennzeichenabfrage/

Flutkatastrophe im Ahrtal
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