Es geht um alles: Bürgermeister fordern nationale Rettungsaktion
Bei der anschließenden Pressekonferenz wollen sie die Chance nutzen, die Katastrophe im Ahrtal nochmals ins Gedächtnis der ganzen Bundesrepublik zu rufen. Sie wollen verhindern, dass ihr Hilferuf in Form eines offenen Briefes an Merkel und Dreyer nur eine Schlagzeile in den Medien für einen Tag bleibt. Und so werden die Beiträge der Bürgermeister von Adenau bis Sinzig bei der Pressekonferenz zu einem Kaleidoskop an Schrecklichkeiten, das den Regierungen in Berlin und Mainz die Dramatik der Situation ins Hirn brennen soll.
2706 Häuser gibt es in den sechs Dörfern von Hönningen bis Dernau, 1538 davon sind entweder schwer beschädigt oder schon abgerissen. In drei von fünf Schulen in der VG Altenahr wird nach den Sommerferien kein Unterricht möglich sein. 200.000 Tonnen Schutt sind allein in der Verbandsgemeinde angefallen, den Bauschutt noch nicht mitgerechnet.
Auf mehr als 100 Millionen Euro wird allein der Schaden an den Gemeindestraßen der VG geschätzt, auf 108 Millionen der an den Kläranlagen. „Das wieder herzurichten, schafft keine Verbandsgemeinde, kein Kreis und kein Land. Deshalb brauchen wir einen Sonderbeauftragten des Bundes für das Krisengebiet. Einen Stab mit Sonderkompetenzen, der koordiniert, der Gelder und Kräfte abrufen kann.
Und das schnell“, sagt Bürgermeisterin Cornelia Weigand. Wie ihre Kollegen fürchtet sie jetzt, dass die Region in den Strudel der Bundestagswahlen gerät. Es könne Monate dauern, bis eine neue Regierung in der Verantwortung stehe. „Diese Zeit haben wir nicht. Wir brauchen jetzt Kontinuität für den Wiederaufbau.“
Ohne eine nationale Rettungsaktion sieht Guido Orthen, der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, keine Perspektive für ein Tal, das bis dahin als Tourismus- und Weinregion mit gut aufgestellten mittelständischen Unternehmen sämtliche Krisen der vergangenen Jahrzehnte gut gemeistert hat. Er erinnert daran, dass hinter den Zahlen menschliche Dramen stehen. Allein in seiner Stadt seien 25 000 der 30.000 Einwohner in unterschiedlichem Grad betroffen.
„Sie beklagen den Verlust von Familienmitgliedern, von Verwandten, Freunden, Nachbarn. Ihr Haus, ihr Arbeitsplatz ist weg. Sie stehen vor dem Nichts. Diese Dramen müssen wir aufarbeiten, den Menschen eine Perspektive geben, sonst werden sie das Ahrtal in Scharen verlassen“, so Orten. Für ihn steht fest: „Wir können die Menschen nur zum Wiederaufbau ermutigen, wenn es ein eindeutiges Signal aus Berlin gibt.
Das Signal sieht er noch nicht, aber ein für ihn nicht nachvollziehbarer Bürokratismus mache sich schon wieder breit. „Da kommen Herrn in Lederschuhen und wollen uns erklären, wie die gesetzliche Lage ist. Wir brauchen unkonventionelle Lösungen. Wir leben im übergesetzlichen Notstand.“
Klare Strukturen, kurze Wege, die Entbindung von Fristen für die Rathäuser, die finanzielle und die personelle Unterstützung fordern auch Sinzigs Stadtbürgermeister Andreas Geron und Adenaus VG-Bürgermeister Guido Nisius ein. Und einen Masterplan, der Hochwasserschutz von der Quelle bis zur Mündung bietet, der schnelle Entscheidungen fällt, wo und wie noch gebaut werden darf.
„Wir müssen zeitnah liefern, bevor es zur Entvölkerung kommt“, warnt Guido Nisius. Und Andreas Geron ergänzt: Angela Merkel und Malu Dreyer, Bundeskanzlerin und Ministerpräsidentin, waren beide hier und haben Hilfe versprochen, wir werden sie daran messen.“