Bad Bodendorf

Die Menschlichkeit ist groß: Bürger haben Tourist-Info in Bad Bodendorf zur Lebensmittelausgabe umfunktioniert

Von Petra Ochs
Überwältigt von der Hilfsbereitschaft wurde auch Bad Bodendorf. Den zentralen Versorgungspunkt mit Lebensmitteln und Sachspenden organisiert Marlies Berhausen mit einigen Helferinnen.
Überwältigt von der Hilfsbereitschaft wurde auch Bad Bodendorf. Den zentralen Versorgungspunkt mit Lebensmitteln und Sachspenden organisiert Marlies Berhausen mit einigen Helferinnen. Foto: Uwe Sülflohn

Der heilige Nepomuk steht noch da auf der Ahrbrücke in Bad Bodendorf. Daneben hat jemand eine Vase mit Blumen platziert, dazu ein Schild mit einem großen „Danke“ darauf – ein Gruß an alle passierenden Helfer, die in den vergangenen Tagen in dem Sinziger Stadtteil nicht geruht haben, um den vom Hochwasser betroffenen Bad Bodendorfern tatkräftig beizustehen.

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In Bad Bodendorf ist es so wie überall anders an der Ahr: Alles in Flussnähe ist zerstört, die Minigolfanlage ebenso wie der Radweg oder die Anlagen des Tennisklubs. Doch dabei blieb es nicht, denn das Wasser verteilte sich in vielen Straßen dies- und jenseits der Ahr. Da, wo einmal die Tourist-Info war, werden jetzt Lebensmittel und sonstige Sachspenden ausgegeben. Marlies Berhausen organisiert mit einigen Helferinnen die Verteilung. Auf den Tischen findet sich alles, was man sich denken kann – wie ein Tante-Emma-Laden, nur eben Open Air. „Haben Sie vielleicht ein Päckchen Taschentücher für mich?“, fragt ein Helfer. Er bekommt auch noch eine Wasserflasche mit. Die Sonne scheint, da ist Trinken besonders wichtig.

Marlies Berhausen ist selbst Hochwasserbetroffene. Nachdem zu Hause das Gröbste aufgeräumt war, wollte sie anderswo helfen, und so wurde ihr von der Feuerwehr die Organisation des zentralen Versorgungspunkts in die Hände gelegt. „Wir sollten kreativ sein“, erinnert sich Berhausen. Und das waren sie auch. Inzwischen hat sie neben Familienangehörigen und Nachbarn noch weitere Unterstützung bekommen. Unter anderem von Mitarbeitern der „Aktion Mensch“, die nun jeden Tag aus Bonn angefahren kommen – mit dem Segen des Arbeitgebers. Der habe nur gesagt: „Bringt euch nicht in Gefahr, viel Spaß mit den Überstunden.“

Die Hilfsbereitschaft von außen rührt alle und macht dankbar. „Man kann nur Dankeschön sagen, aber gut machen kann man es nicht“, betont Katharina Kornfeld, die mit einem Eimer und einer Gießkanne Frischwasser an der Versorgungsstation abholt. Ein Loblied singt sie auf die Whatsapp-Gruppe ihrer Nachbarschaft, die in dieser Zeit eine große Unterstützung sei. Denn auch gegenseitig greifen sich die Bad Bodendorfer unter die Arme, helfen einander aus, packen mit an.

In der Josef-Hardt-Allee sind eigentlich alle Häuser von der Flut betroffen. Unmengen von Sperrmüll und Unrat sind hier bereits abtransportiert worden, doch die Arbeit hört nicht auf. Heute fallen auch noch Bäume: Sie sind vom Wasser unterspült worden und einfach nicht mehr standsicher. Für die Menschen in der Straße ist die Fällung ein weiterer Schlag. Sie hatten noch versucht, die Bäume mit Matsch aus ihren Häusern zu stabilisieren – vergeblich.

Noch ganz erschüttert von der Macht der Fluten ist Rudolf Buchwaldt. Viele Möbel und das heimische Gartenatelier sind zerstört.
Noch ganz erschüttert von der Macht der Fluten ist Rudolf Buchwaldt. Viele Möbel und das heimische Gartenatelier sind zerstört.
Foto: Uwe Sülflohn

Ein paar Häuser weiter räumt Norbert Schmickler mit Familie und Hausbewohnern noch die letzten Reste aus den Kellern unter seinen zwei Mehrfamilienhäusern, deren Souterrainwohnungen komplett unter Wasser standen. „Die Möbel schwammen an der Decke“, erzählt Schmickler, der auch von vergangenem Ungemach berichten kann: An Silvester vor 14 Jahren brannte eins der Häuser komplett ab. Und jetzt das Hochwasser. Insgesamt 100 Kubikmeter Müll haben die Helfer in den vergangenen Tagen herausgeholt. Und Schmickler denkt schon weiter: „Die neuen Heizungen sind schon bestellt.“

Schräg gegenüber inspiziert Rudolf Buchwaldt den vertrockneten Matsch, der einmal der Garten war, den er zusammen mit seiner Frau, der Künstlerin Birgit Braun-Buchwaldt, geschaffen hat: Eine von einer Bruchsteinmauer umschlossene grüne Oase mit Blick auf die Ahrwiesen. In der Katastrophenacht war es nur noch ein braunes Meer. Die Mauer hat der Flut widerstanden, ebenso die meisten Pflanzen; zurück ließ die Ahr aber eine fast 30 Zentimeter dicke Schicht Schlick, die mit vereinten Kräften bereits ausgebaggert wurde. Im Wohnhaus reichte das Wasser bis ins Erdgeschoss hinauf. Im tiefer liegenden Atelier hat die Wucht des Wassers die Scheibe zerspringen lassen. „Das hat einen Schlag gegeben, als ob eine Handgranate explodiert wäre“, erinnert sich Buchwaldt.

Auch an anderer Stelle an der Ahr zitterten die Buchwaldts um ihr Hab und Gut: Die Flut hat auch das leer stehende Haus der verstorbenen Schwiegermutter in Heimersheim getroffen, glücklicherweise aber nicht so stark. Das Paar möchte es nun wieder herrichten und dann schnellstmöglich Menschen zur Verfügung stellen, die in der Flut alles verloren haben; der Kontakt zu einer Familie aus Altenburg steht schon.

Schlimm getroffen hat es auch Familie Flecken in der Schillerstraße auf der anderen Seite der Ahr. Ihre 17-jährigen Zwillingstöchter Friederike und Johanna sind schwerbehindert und in dem mehrstöckigen Haus auf ihren Aufzug angewiesen – doch dessen Elektrik hat das Hochwasser vollkommen zerstört. Während die Oma die Kinder nun im ersten Stock versorgt, laufen unten die Aufräumarbeiten noch immer auf Hochtouren.

„Wir leben im Ausnahmezustand“, erzählt Dagmar Flecken. Sie ist Lehrerin an der Barbarossaschule in Sinzig, die selbst von den Fluten heimgesucht wurde. Und ganz offensichtlich ist sie eine beliebte Lehrerin. Wie sonst ist es zu erklären, dass in den vergangenen Tagen neben vollkommen fremden Helfern auch immer wieder Schüler von ihr vor der Tür standen, um tatkräftig mit anzupacken? „Viele Engel kommen vorbei“, freut sich Flecken, „das Menschliche ist einfach großartig.“ Doch groß ist auch ihre Sorge, die Reparaturen und Neuanschaffungen ohne Elementarversicherung nicht stemmen zu können. „Heizung und Aufzug können uns wirtschaftlich ruinieren“, fürchtet sie.