Kreis Ahrweiler

Die Flut lässt eine verwundete Kurstadt zurück: Was die Wassermassen in Bad Neuenahr angerichtet haben

Von Beate Au
Fassungslos besichtigen Menschen das mit Schlamm übersäte Schlachtfeld vor dem Spielkasino.
Fassungslos besichtigen Menschen das mit Schlamm übersäte Schlachtfeld vor dem Spielkasino. Foto: Au

Es scheint weit weg, dass Bad Neuenahr-Ahrweiler am vergangenen Sonntag in heiterer Laune unter dem Motto „Sommer in der Stadt“ das Leben an der Ahr gefeiert hat. Wo sich im Kurpark von Bad Neuenahr in den Weinlounges die Menschen zugeprostet haben, hat die Sintflut Schauplätze geschaffen, die zu einem Katastrophenfilm passen. Die Sintflut hat Teile der Stadt fast unbewohnbar gemacht und Bad Neuenahr die Schätze im Kurviertel genommen. Eine Zäsur für das Heilbad und ein Anblick, der kaum zu ertragen ist.

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Das war einmal die Sauna für die Erlebnisaufgüsse im Garten der Ahrthermen in Bad Neuenahr.

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Die Wintergartenfront des Steigenberger Kurhotels wurde arg beschädigt. Auch der Vorplatz ist ramponiert.

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Fassungslos besichtigen Menschen das mit Schlamm übersäte Schlachtfeld vor dem Spielkasino.

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Vom Verwaltungsgebäude des Spielkasinos wurden die Wände weggerissen.

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Ein Blick in den Dahliengarten: Wo kürzlich noch die erste Baustellenführung zur Laga startete, ist heute ein brauner See.

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Tiefe Löcher hat die Flut in die Asphaltdecke vor dem Kurhaus gerissen. Das gesamte Areal ist durchfurcht.

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Wo früher einmal die Kurgartenbrücke in die Fußgängerzone führte, ist nur noch ein Stumpf.

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„Das war einmal die Erlebnissauna. Sie ist einfach weg. Der ganze Badbereich, er ist kaputt“, sagt Stefanie Kruppa. Die Ahrthermen in Bad Neuenahr waren einmal ihr Arbeitsplatz. „Es war doch gerade wieder so gut angelaufen“, berichtet sie. Jetzt steht sie fassungslos auf der Gerölllawine, die sich vor der Spielbank aufgetürmt hat und schaut ungläubig in den verwüsteten Saunagarten gegenüber. Das Wasser sei in die Schleuse eingedrungen, der untere Saunabereich komplett geflutet worden, ebenso die Technikräume. „Alles lief voll wie eine Suppenschüssel.“ Das Wasser sei sehr schnell gekommen, sodass ihr Chef, Maternus Fiedler, in der Katastrophennacht hier ausgeharrt habe.

Im verwüsteten Vorgarten der Ahrthermen liegt ein umgestürztes Wohnmobil. In den verschlammten Rabatten verteilen sich zerfledderte Aktenordner und Exemplare des Jubiläumsbandes „50 Jahre Spielbank Bad Neuenahr“. Sie stammen wohl aus den Räumen der Spielbankverwaltung. Das Gebäude in der Felix-Rütten-Straße steht noch. Wie lange, weiß niemand. Das Dach hält die Reste zusammen. Die braune Flut hat Wände mitgerissen. Sie geben den Blick auf die Inneneinrichtung frei. „Es ist jetzt ein Freiluftbüro“, meint der kaufmännische Leiter der Spielbank Bad Neuenahr, Hubertus Feist, der dort normalerweise seinen Arbeitsplatz hat. Galgenhumor. Vor dem Entreé der Spielbank macht er sich ein erstes Bild von der Lage. Hinein darf er nicht. Die Statiker haben das Kasino noch nicht freigegeben. Er weiß also noch nicht, was ihn drinnen erwartet. „Das Untergeschoss dürfte durchgespült worden sein“, meint er. Die Casinobrücke zum anderen Ahrufer gibt es nicht mehr. Zwischen Spielbank und Steigenberger Hotel dehnt sich ein Trümmerfeld, durchsetzt mit Schlamm – so zäh wie Schmierseife.

Die zersplitterten Fensterfronten im Erdgeschoss des Steigenberger Hotels lassen erahnen, mit welcher Wucht sich die Ahr auch hier ihren Weg gebahnt und tiefe Löcher in den Vorplatz vor dem Kurhaus gerissen hat. Die Arkaden, in denen ein schickes Bistro und Boutiquen untergebracht waren, sehen aus wie nach einem bewaffneten Häuserkampf. Von der Kurgartenbrücke ist nur ein Stumpf geblieben, unter dem die braunen Wassermassen immer noch tobend vorbeifließen. Und das gerade nach dem Brand wieder renovierte Thermalbadehaus wurde ebenfalls wieder schwer in Mitleidenschaft gezogen. „Nur die Beethovenuhr steht noch wie immer da“, bemerkt eine Frau, die aus Bad Neuenahr stammt und froh ist, dass ihre Mutter das nicht mehr erleben muss.

Der Kurpark selbst hat sich in einer triste Schlammwüste verwandelt, und in der Mittelstraße waren die Anwohner gestern damit beschäftigt, Hab und Gut, das zum Sperrmüll geworden ist, auf die Straße zu stellen. Auch die Filiale von Bäcker Thomas Simon ist betroffen. „Dabei wurde hier vor 14 Tagen alles neu gemacht“, sagt er. Jetzt muss er alles wegschmeißen. Er hat noch keine Ahnung, wie es weitergehen soll.

Auf einem Bollerwagen haben die Angestellten des ambulanten Pflegedienstes Curanus die Reste ihres Bestandes zusammengepackt, den sie noch retten konnten, darunter auch Medikamente. Die Dienstautos sind weg, das Büro gibt es nicht mehr. Jetzt wollen sie mit privaten Autos zu ihren Patienten fahren und vor allem nach dem Rechten schauen. „Einige sind nicht erreichbar“, so die Chefin Doreen Beck.

Etwas verloren staksen Oliver Brünner und Sandy Schwarz an diesem zweiten Tag nach der Flut hinter dem Kurparkende durch den Schlamm in Richtung Dahliengarten, von dem so gut wie nicht mehr als eine braune Lache zu erkennen ist. Sie haben vorerst einen Traum begraben müssen, hatten sie doch erst am 1. Juli ein neues Inklusionshotel auf der anderen Seite der Ahr in der Georg-Kreuzberg-Straße eröffnet. Dann kam die Flut. Keller, Küche und das Restaurant bis zum Lichtschalter liefen voll, außerdem sechs Zimmer, die tiefer liegen. Sandy Schwarz hat Tränen in den Augen, wie so viele Gastronomen und Hoteliers in diesen Tagen. Nach dem harten Lockdown hatten sie alle darauf gehofft, jetzt loslegen zu können. Doch wie lange es nun mit dem Neustart dauern und ob es ihn für sie geben wird, weiß niemand. Bad Neuenahr-Ahrweiler, das sich auf die Landesgartenschau und viele Gäste gefreut hat, ist bis ins Mark getroffen, auch was die touristische Infrastruktur angeht.

Von unserer Redakteurin

Beate Au