Kreis Ahrweiler

Brücken sind der erste Schritt zum Wiederaufbau: Erkundungsteams sollen ermitteln, was noch gebraucht wird

Von Beate Au
In Anwesenheit der Erbauer übergab THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner die THW-Brücke in der Kreisstadt an Stadtbürgermeister Guido Orthen (rechts). Von Donnerstag an soll hier der Verkehr wieder rollen. Foto: Tim Saynisch
In Anwesenheit der Erbauer übergab THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner die THW-Brücke in der Kreisstadt an Stadtbürgermeister Guido Orthen (rechts). Von Donnerstag an soll hier der Verkehr wieder rollen. Foto: Tim Saynisch

Der Wiederaufbau der von der Flut zerstörten Infrastruktur läuft auf Hochtouren. Ein Lichtblick war am Samstag die Übergabe einer Behelfsbrücke vom THW an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. An der Stelle der ehemaligen Landgrafenbrücke hat das THW in nur wenigen Tagen eine für Lkw befahrbare zweispurige Behelfsbrücke über die Ahr errichtet. Gute Nachrichten kommen auch von der Rheinschiene: So konnten die Mitarbeiter der Westnetz Teile der von den Flutwellen stark beschädigten Umspannanlage in Sinzig wieder provisorisch in Betrieb nehmen. Doch der Weg zurück in die Normalität bleibt eine gigantische Herausforderung.

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Allein 4500 Hilfskräfte sind am Sonntag im Einsatz gewesen, 5100 am Samstag. Sie bringen Spezialwissen für die jetzt anstehenden Aufgaben mit. Darüber informierte der Einsatzleiter im Krisenstab, Heinz Wolschendorf, gestern auf der täglichen Pressekonferenz. Doch auch wenn Such- und Bergungseinsätze rückläufig sind – die Menschen werden auch weiterhin mit grausigen Leichenfunden konfrontiert werden.

Gestern wurden im Mündungsgebiet der Ahr bei Kripp Teile von Leichen entdeckt, die geborgen werden mussten. Das Gebiet soll momentan auch Anziehungspunkt für Flaschensammler sein, denn dort haben sich Massen von Leergut angesammelt. Kontaminiertes Material, das nicht in den Verwertungskreislauf gelangen darf. Der Krisenstab will die Situation in Kripp überprüfen.

Zahl der Toten wurde nach unten korrigiert

Die Zahl der Toten im Kreis Ahrweiler nach der verheerenden Flutkatastrophe ist nach unten korrigiert worden. Wie Polizeirat Florian Stadtfeld vom Polizeipräsidium Koblenz in der Pressekonferenz des Krisenstabs an der Ahr am Samstag mitteilte, haben 134 Menschen ihr Leben verloren, 87 von ihnen sind identifiziert. Bei den ursprünglich genannten 135 handelt es sich um die Gesamtzahl der Toten in Rheinland-Pfalz. Demnach ist eine Person beim Hochwasser an der Mosel in den Fluten gestorben. Die Anzahl der Vermissten im Kreis Ahrweiler liegt bei 55, die der Verletzten bei 766.

Und auch das ist eine traurige Wahrheit: Niemand weiß bei der gewaltigen Masse an Schutt und Geröll so genau, wen sie noch unter sich begraben hat. Schwierig und sehr arbeitsintensiv sei die Identifizierung der Toten, wenn ihnen kein Haus mehr zuzuordnen sei und keine Anhaltspunkte und Daten mehr vorhanden seien, so Polizeidirektor Edmondo Steri. Das dauere unter diesen Umständen sehr lang.

Der Bedarf an psychologischer Betreuung ist groß bei all dem Leid, das die Menschen erfahren und noch lange nicht verarbeitet haben. „104 Kräfte für die psychosoziale Notfallversorgung sind im Einsatz“, berichtet Wolschendorf.

Täglich verändert sich das Kontingent für Hilfe. Am Samstag waren es 1200 Feuerwehrleute, 1300 THWler, 1050 Männer und Frauen von der Bundeswehr, 700 Helfer im Sanitätsdienst, 200 von der technischen Einsatzleitung und 700 Polizeikräfte. Der Regelrettungsdienst werde verstärkt durch Erstversorgungsmaßnahmen vor allem in Kreuzberg, Mayschoß und Dernau, so der Einsatzleiter. Wolschendorf informierte zudem über einen Sirenenprobealarm am Samstagmittag. „Dabei ging es darum zu prüfen, welche Sirenen überhaupt noch funktionsfähig sind“, erläuterte er. Der Einsatzleiter thematisierte darüber hinaus auch die Versorgung der Flutopfer mit warmen Mahlzeiten. In Sinzig werden demnach 1100 ausgegeben, in der Kreisstadt ab dem heutigen Montag rund 10.000 an zwölf Ausgabestellen. Aus Sicht der Polizei, so berichtete Stadtfeld, verliefen die Nacht zum Samstag sowie der Samstag selbst ruhig. Sie hatte am Wochenende wieder verstärkt den Verkehr im Blick. Der Polizeirat sprach von sehr vielen privaten Pkw, die in den frühen Morgenstunden am Samstag unterwegs gewesen seien. Die Beeinträchtigungen hätten sich aber in Grenzen gehalten. Nur hier und da mussten Stadtfeld zufolge kurzzeitige Sperrungen erfolgen, um den Verkehr zu kanalisieren. Er rief die freiwilligen Helfer auf, weiterhin die zur Verfügung gestellten Shuttlebusse zu nutzen, um in das Krisengebiet zu gelangen. Am Ende des dritten Wochenendes nach der Katastrophe kann auch Polizeidirektor Edmondo Steri von einem ruhigen Einsatzverlauf sprechen. Gleichwohl leiste man an 31 Kontaktstellen aktive Bürgerhilfe.

Die Polizei selbst hat vier Wasserwerfer im Einsatz, um verschlammte Straßen zu reinigen und Orte mit Brauchwasser zu versorgen. Die 214 Beamten, die in der Nacht ihren Dienst tun, würden schwerpunktmäßig dort eingesetzt, wo die Stromversorgung immer noch nicht wieder hergestellt sei, um für Sicherheit zu sorgen, erläuterte Stadtfeld.

Polizei sorgt Tag und Nacht für die Sicherheit im Katastrophengebiet

Er berichtete ebenfalls, dass die Polizeiinspektionen Adenau und Remagen wieder voll funktionsfähig sind, in Bad Neuenahr-Ahrweiler indes müssten noch Instandsetzungen erfolgen. „Das hat aber keinen Einfluss auf die Funktionalität“, betonte Stadtfeld. Er ging auch auf die vielen Meldungen über unerlaubte Schrottdiebe ein. Meist seien dies Berechtigte, die von den Opfern beauftragt worden seien. Lediglich in der Nacht zum Samstag sei ein Diebstahl festgestellt worden, so der Polizeirat.

Er würdigte ausdrücklich das Engagement der vielen freiwilligen Helfer, die auch in der dritten Woche nach der Katastrophe immer noch unermüdlich mit anpacken würden. „Es ist bemerkenswert, dass wir auch in Woche drei eine so hohe Solidarität und Hilfsbereitschaft haben“, so Stadtfeld. Das werfe ein tolles Bild auf die Gesellschaft. Beruhigend ist auch der Blick auf die Wetterlage: Hier müsse man sich vorerst keine Sorgen machen, so Einsatzleiter Heinz Wolschendorf.

Von unseren Redakteurinnen Beate Au und Silke Müller

Wie steht es um die Grundversorgung?

Nach Angaben des Krisenstabs ist die Grundversorgung der Menschen, was Wasser, Abwasserentsorgung und Nahrung angeht, so weit gesichert. Das THW hat bereits fünf Wasseraufbereitungsanlagen aufgebaut, eine in Schuld, zwei am Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr, eine in Hönningen und eine in Mayschoß, in Kreuzberg wird es eine weitere geben. Mehrere Brückenverbindungen stehen, für Dernau ist eine geplant, aber noch nicht betriebsbereit.

Außerdem sind Erkundungsteams unterwegs, um zu erfassen, was in den Orten gebraucht wird. Das Ziel ist, die Netzwerkarbeit zu verstärken.
Flutkatastrophe im Ahrtal
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