Kreis Ahrweiler

Besorgt blicken Menschen im Ahrtal auf Wetterprognosen: Droht neues Hochwasser?

Von unseren Redakteurinnen, Redakteuren
Wo einst die Nepomukbrücke die beiden Ortsteile des Weinorts Rech verband, hat sich der Fluss ein neues Bett gegraben. Jetzt baut die Bundeswehr Hilfsbrücken über den Fluss.
Wo einst die Nepomukbrücke die beiden Ortsteile des Weinorts Rech verband, hat sich der Fluss ein neues Bett gegraben. Jetzt baut die Bundeswehr Hilfsbrücken über den Fluss. Foto: Christian Koniecki

Auch Tag acht der Unwetterkatastrophe an der Ahr sorgt für mehr Schreckensnachrichten als gute. Die Ahr wird mehr und mehr zur Giftbrühe. Sämtliche Kläranlagen sind beschädigt, alles Abwasser fließt derzeit unkontrolliert in die Ahr. Die Rettungskräfte warnen davor, das Wasser der Ahr zu trinken oder für Reinigungsarbeiten zu benutzen. „Es besteht Seuchengefahr“, so der Krisenstab. Und neues Ungemach droht am Wochenende. Die Meteorologen befürchten ergiebige Regenfälle im Westen der Republik.

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„Wir bereiten uns so gut es geht auf die Wetterprognosen vor. Wir sind im ständigen Kontakt mit dem Deutschen Wetterdienst. Notfalls muss wieder evakuiert werden, um Menschenleben nicht in Gefahr zu bringen“, so Thomas Linnertz, der Leiter des Krisenstabes und sein Einsatzleiter Heinz Wolschendorf bei einer Pressekonferenz in Ramersbach.

Und bei diesen Vorbereitungen macht ihnen vor allem die Dernauer Ahrbrücke zu schaffen. Dort verhindert ein Sammelsurium aus Bäumen, Ästen, Gastanks abgesoffenen Autos und Betonteilen einen reibungslosen Abfluss der Ahr. Bei wieder stärkeren Regenfällen könnte sich das Wasser zurückstauen. Weil bei der Auflösung des Treibgutknotens selbst THW und Bundeswehr nur begleitende Maßnahmen ergreifen können, wurde eine Spezialfirma beauftragt.

Zerquetschte Autos, die von den Fluten mitgerissen wurden, liegen aufgestapelt am Straßenrand.
Zerquetschte Autos, die von den Fluten mitgerissen wurden, liegen aufgestapelt am Straßenrand.
Foto: dpa

Die Allgemeinsituation im Katastrophengebiet beschreiben die Krisenmanager Linnertz und Wolschendorf als indifferent. Während es in Sinzig und im Bereich Adenau mittlerweile um Aufräumarbeiten gehe, herrsche an der Mittelahr weiter „eine hohe Katastrophensituation“. Die Verpflegung der Menschen mit Trinkwasser und weiteren Lebensmitteln, die medizinische Versorgung, der Aufbau von Satellitenverbindungen für den Mobilfunk stünden weiterhin im Vordergrund der Hilfsleistungen.

Mittlerweile sind 21 von letztlich 31 Servicepunkten der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und den Ortschaften entlang der Ahr in Betrieb. Dort soll Wasser und Essen ausgegeben werden, Verwaltungsmitarbeiter beraten, Sanitätsdienste gibt es hier, und die Rettungsdienste sind vor Ort. Linnertz und Wolschendorf verhehlen nicht, dass der Rettungs- und Hilfeeinsatz der gestern mehr als 2000 Mitarbeiter von Feuerwehren aus der ganzen Republik, der THW- und DRK-Ortsverbände und von der Bundeswehr nicht immer reibungslos verläuft. „Wir wissen, dass wir das Netzwerk der Hilfe noch verbessern müssen. Doch das massiv beschädigte Straßennetz und die Ortsunkenntnis vieler Dienste erschwere den Hilfskräften aus ganz Deutschland die Arbeit. „Wir haben Verständnis, wenn die Menschen, die Hab und Gut verloren haben und seit einer Woche um ihre Zukunft kämpfen, nicht immer zufrieden sind. Aber wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der von einer Minute auf die andere funktionieren muss“, so Linnertz, und Wolschendorf ergänzt: Fehler sind passiert, und es werden auch ab und an wieder neue dazukommen.“ Um der Hilfe noch mehr Struktur zu geben, solle jetzt jeder Ort, jeder Stadtteil seine fest zugeordneten Einsatzgruppen bekommen.

Ein Gartenzwerg, der von den Fluten mitgerissen wurde, steht in einen Schuttberg an einem Straßenrand in Dernau.
Ein Gartenzwerg, der von den Fluten mitgerissen wurde, steht in einen Schuttberg an einem Straßenrand in Dernau.
Foto: dpa

Rund 42 000 Menschen sind von der Katastrophe betroffen. 155 Personen werden immer noch vermisst, 760 Verletzte sind geborgen und versorgt, 123 Tote, so der Stand am Mittwochnachmittag, haben bei der Katastrophe ihr Leben verloren. Und immer wieder neue Nachrichten über Leichenfunde gibt es, die aber längst nicht immer der Realität entsprechen. Wir gehen jeder Meldung nach, wir bestätigen aber keine Todesfälle, die wir nicht selbst dokumentiert haben“, so Georg Jäger von der Polizei. Keine Zahlen gibt es auch darüber, wie viele Menschen, die Urlaub im Ahrtal gemacht haben – sei es als Camper oder in Hotels und Pensionen – Opfer der Flut geworden sind. Die Zahl der Autos und Wohnmobile mit Kennzeichen aus anderen Kreisen und Städten, die in den Fluten schwammen, ist hoch.

Noch keinen neuen Sachstand gibt es laut Auskunft des Krisenstabes auch darüber, ob nicht früher oder massiver vor den Folgen des Dauerregens am Mittwoch den 14. Juli hätte gewarnt werden müssen und so viele Menschenleben hätten gerettet werden können. „Wir arbeiten nach vorn, wir haben alle Hände voll zu tun, die Lage in den Griff zu bekommen. Es ist noch zu früh für eine Bewertung und eine Analyse. Aber wir werden die Geschehnisse aufarbeiten. Allein um zu lernen, was wir bei ähnlichen Katastrophen besser machen können“, so Thomas Linnertz, im Hauptberuf Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier.

Von der Hochwasserkatastrophe berichten Uli Adams, Frieder Bluhm, Beate Au, Silke Müller, Christian Koniecki, Nicolaj Meyer,Tim Saynisch, Lars Tenorth, Judith Schumacher, Mirjam Hagebölling, Michael Stoll

Ahr wird zur Kloake

Kreis Ahrweiler. Die kaputten Abwasserkanäle und die nicht mehr betriebsbereiten Kläranlagen werden zum immer größer werdenden Problem. Und auch die Ahr wird zu einer Kloake mit Öl, anderen Treibstoffen, Reinigungsmitteln und vielem mehr, dass jetzt durch die löchrigen Kanalleitungen direkt in den Fluss gelangt.

Neben dem in großen Teilen zerstörten Sammlernetz des Abwasserzweckverbandes Untere Ahr und dessen Kläranlage in Sinzig sind im Stadtgebiet von Bad Neuenahr und ahraufwärts umfangreiche Schäden an der Ortskanalisation und in den Hausanschlüssen zu bearbeiten.

Das Kanalsystem ist selbst stark durch Schlamm aus dem Hochwasserereignis verstopft, der bei Verhärtung fast wie Beton zu beseitigen ist. Durch diese Verstopfungen kommt es auch jetzt schon zu Überstauereignissen und Folgeschäden. „Es ist auch aus hygienischen Gründen zwingend notwendig und das oberste Ziel des Abwasserwerkes, wieder eine geregelte Abwasserentsorgung aufzubauen. Dies ist natürlich umso schwieriger, da noch nicht überall Trink- oder Brauchwasser zur Verfügung steht, um das Abwasser abzuführen“, schreibt etwa die Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Bitte kehren Sie keinen Schlamm in die Kanalisation. Das belastet das System in dieser Lage immens und kann in Ihrer direkten Nachbarschaft zu Verstopfungen führen“, heißt es weiter.

Flutkatastrophe im Ahrtal
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