Ahrweiler

Aufräumen hilft gegen die Verzweiflung: Viele Freiwillige packen in Ahrweiler mit an

Von Petra Ochs

Auch am Sonntag war in der Altstadt von Ahrweiler Aufräumen angesagt. Ernsthaft und zielstrebig gingen Ladenbesitzer, Bewohner und freiwillige Helfer ans Werk.

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So wie die Gruppe freiwilliger Helfer aus Bonn, die in der Fußgängerzone angerückt sind, um in Franco Romanellis Ristorante „Roma“ mit anzupacken. Auch Ingo Mellenthin und Sohn Jonas hat es nicht zu Hause gehalten. Sie sind kurzerhand mit diversen Baggern der Firma Hullmann aus Herten bei Recklinghausen angereist und haben sich selbstständig ein Projekt gesucht: Sie räumen die rückwärtigen Zugänge des Seniorenheims St.-Maria-Josef frei.

„Moorbäder gratis!“ bietet währenddessen galgenhumorig die zusammengewürfelte Helfertruppe des Lädchens „Schatztruhe“ beim gemeinsamen Schlammschippen in der Niederhutstraße an: Die Verwandtschaft der Betreiber und völlig fremde Menschen arbeiten hier Hand in Hand. Obwohl die gerade erst für die Sommersaison prall gefüllten Lagerräume des Pralinen- und Süßwarenladens „Kamelle-stüffche“ mitsamt aller Bestände komplett ruiniert sind, begegnet auch Besitzerin Claudia Weber ihrem Unglück mit rheinischem Humor und freut sich, dass ihr Helfer aus Altenkirchen ungefragt schweres Pumpgerät zur Verfügung stellen.

Vor dem Café-Bistro „Kaffee-Mühle“ steht der Schlick noch knöcheltief, und beim Brettspielheld türmen sich von Wasser und Matsch aufgeweichte Gesellschaftsspielekartons übereinander. Bei Friseur Strack klemmt das Türschloss: Alles ist von den Sedimenten der Ahr durchsetzt. Um zu retten, was noch zu retten ist, hat die Kunstpädagogin Steffi Raths eine Handvoll junge Helfer aus Bonn und Köln zugeteilt bekommen – per Zuruf und quasi im Vorbeigehen. Nach eindringlicher Sicherheitsbelehrung packen Jens, Julia, Phi und Verena in dem schrecklich zugerichteten Fachwerkhaus die kläglichen Reste von Raths künstlerischem Schaffen zusammen.

Ein einziges Bild der Zerstörung bietet nach wie vor auch das Umfeld der Dr.-von-Ehrenwall’schen Klinik. Doch auch das Innere der Klinik birgt Erschütterndes: Das Wasser hat die Böden so dramatisch aufgewölbt, dass die Türen sich nicht öffnen lassen. Verwaltungsleiterin Birgit Bertram koordiniert in Eigenregie die freiwilligen Helfer. Während diese einige historische Gemälde in Sicherheit bringen, ringt sie immer wieder mit den Tränen; sie kann nicht fassen, was ihr Fluss hinter den Kliniken angerichtet hat.

Unweit der Klinik häuft der junge Jean-Pierre angesammelten Schutt auf einem Grundstück auf. Er ist vor zweieinhalb Tagen aus Emsdetten im Münsterland angereist und hat auf einem Tieflader einen Bagger mitgebracht. Schlaf hat er seitdem so gut wie nicht bekommen. Erneut mischen sich auch wieder viele Katastrophentouristen unter die Menschen in den Straßen. Von den freiwilligen Helfern sind sie manchmal nur schwer zu unterscheiden, doch während die einen nur auf reißerische Fotos aus sind, um möglichst viele Klicks auf Instagram und Co. zu erzielen, sind die Freiwilligen pures Gold wert.

Trotz aller Emsigkeit herrscht bei Betroffenen und Helfern auch Fassungslosigkeit angesichts der Zerstörung. Zudem sind Verzweiflung und Wut zu spüren. Dazu gesellt sich die Unzufriedenheit über die Kommunikation mit den offiziellen Rettungskräften. Es läuft noch nicht alles rund bei den Aufräumarbeiten, und manch einer fühlt sich alleingelassen in seiner Not.

Von unseren Mitarbeitern Petra Ochs und Uwe Sülflohn