Angst vor neuer Flut wächst: Flugblätter geben Tipps zum Schutz vor Krankheiten
Die Versorgung der Bevölkerung hat nach wie vor oberste Priorität. Hierzu zählt natürlich, die zerstörte Infrastruktur zumindest provisorisch wieder aufzubauen: Wasser, Strom, Gas und Telekommunikation, aber auch die Ertüchtigung der Post und der kommunalen Strukturen. Trotz der Bemühungen betont der Einsatzleiter der Polizei aber auch: „Es gibt noch immer Teilbereiche, die ohne Wasser und Strom sind.“ Man könne nicht überall gleichzeitig aufbauen, es würden Schwerpunkte gebildet. In der Kreisstadt etwa werden die Wasserleitungen sukzessive repariert, allerdings ist das Leitungswasser vielerorts durch Verschmutzungen belastet und soll nicht getrunken werden.
Inzwischen, so die Einsatzleitung, seien 28 von 31 geplanten Infopunkten aufgebaut, wo es Lebensmittel gibt, Trinkwasser und medizinische Betreuung. Derweil rollt die bundesweite Hilfswelle weiter. Mit Mann und Gerät, mit Geld- und Sachspenden. Letztere werden zum Beispiel vom Nürburgring und von Sinzig aus per Lkw, Pkw oder Traktor, aber auch mit dem Helikopter zu den Not leidenden Menschen im Ahrtal transportiert.
Doch auch die Seelen vieler Menschen im Ahrtal sind versehrt. Um ihnen in der Not beizustehen, ist die Psychosoziale Notfallversorgung des Landes aktiv, 130 Fachkräfte sind seit Sonntag im Einsatz, wie Peter Schüßler, Leiter der Notfallversorgung, am Donnerstag erklärte. Teils seien die Kräfte per Helikopter in jene Orte an der Ahr gebracht worden, die quasi noch immer von der Außenwelt abgeschnitten sind. Bislang habe es bei gut 250 Einsätzen etwa 1800 Kontakte mit Menschen gegeben, die in der absoluten Ausnahmesituation seelischen und psychologischen Beistand suchten.
Und dann die schlechten Wetterprognosen fürs kommende Wochenende: Laut Einsatzleiter Wolschendorf besteht ein ständiger Kontakt zum Deutschen Wetterdienst und zur Wasserwirtschaft, „um unsere Planungen auszurichten“. Neuer Regen, teils auch wieder schwere Niederschläge sind angesagt. Wolschendorf hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die „mit Hochdruck Szenarien zum Bevölkerungsschutz“ ausarbeitet. Wie dann Warnungen und in schlimmsten Fall Evakuierungen erfolgen sollen, nennt Wolschendorf auf Nachfrage nicht. „Die Arbeitsgruppe ist dran.“ Warnungen könnten natürlich per Lautsprecherdurchsagen an Einsatzfahrzeugen erfolgen, auch die Warn-Apps Nina und Katwarn nennt er. Im Hinblick auf die trüben Wetteraussichten kann er zumindest einen Lichtblick nennen. Was die mit Unrat und Trümmern verstopften Brückenreste, die sogenannten Verklausungen, angeht, spricht er von guten Fortschritten der Arbeit: „Hier ist ein freier Abfluss gewährt.“
Im Landkreis seien 62 Brücken zerstört und 13 weitere beschädigt, erklärte Innenminister Roger Lewentz. Auch wurden nach Angaben des Ministers 19 Kindertagesstätten sowie 14 von 60 Schulen stark beschädigt oder zerstört. Einsatzkräfte hätten etwa 330 Menschen mit Hubschraubern von Dächern und Bäumen gerettet. Dennoch: Die Zahl der Todesopfer ist aktuell auf 128 gestiegen, 766 Menschen sind verletzt, 155 gelten als vermisst. Von den Toten seien bisher 62 identifiziert.
1600 Feuerwehrkräfte sind im Einsatz, Tausende Helferinnen und Helfer von THW und DRK, 800 Sanitätseinsatzkräfte, 200 der technischen Einsatzleitung und Verwaltungsstab sowie circa 1000 Polizisten. Die Bundeswehr, mit rund 850 Soldaten im Gebiet, hat allein an einem Tag 37 Tonnen Lebensmittel auf dem Landweg und 15 Tonnen auf dem Luftweg verteilt. Mittlerweile transportieren auch Abschleppunternehmen kaputte und demolierte Autos ab.
Neben einer Vielzahl an Fakenews im Netz und etlichen Straftaten macht der Polizei zunehmend auch der Hochwassertourismus Sorgen. Wie Florian Stadtfeld von der Polizeiinspektion Koblenz erklärt, soll es ein neues Verkehrskonzept geben, das vorsieht, die freiwilligen Helfer per Shuttlebussen ins Ahrtal zu bringen.
Die Kreisverwaltung Ahrweiler hat über die Landeshilfen hinaus ein eigenes Soforthilfeprogramm ins Leben gerufen.