Sinzig

Angebot in Regenbogenschule verlängert: Wo es in Sinzig warme Mahlzeiten für Flutopfer gibt

Von Silke Müller
Koordinieren Hilfe und Verpflegung und vieles mehr im Coworking-Space Sinzig: Selim Cubuk, Songül Erdem, Fatih Tanaydin von den Vereinen Merida und Time to help sowie Anas Alakkad und Hasan Alradi von der Initiative Syrische Freiwillige in Deutschland, Claudia Henn vom Kirchencafé der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Melanie Kai Brücken, Inhaberin des Coworking-Spaces.
Koordinieren Hilfe und Verpflegung und vieles mehr im Coworking-Space Sinzig: Selim Cubuk, Songül Erdem, Fatih Tanaydin von den Vereinen Merida und Time to help sowie Anas Alakkad und Hasan Alradi von der Initiative Syrische Freiwillige in Deutschland, Claudia Henn vom Kirchencafé der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Melanie Kai Brücken, Inhaberin des Coworking-Spaces. Foto: Silke Müller

Eigentlich hätte die Versorgung der Flutopfer mit einer warmen Mahlzeit am Tag in der Regenbogenschule in Sinzig eingestellt werden sollen. So jedenfalls hatte das Land entschieden, das weiterhin für die Einsatzleitung verantwortlich zeichnet. Doch jetzt kann das Angebot doch vorerst aufrechterhalten werden. Und es ist nicht das einzige seiner Art in der Barbarossastadt.

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Dass in der Regenbogenschule und auch im Kurpark in Bad Bodendorf einmal am Tag weiterhin warme Speisen ausgegeben werden, geht auf die Initiative von Bürgermeister Andreas Geron zurück. „Dass das Angebot eingestellt worden ist, war nicht von der Stadt geplant“, betont er. Über die Einsatzleitung habe er nun eine Verlängerung erreicht. Die Ausgabe übernimmt die Freiwillige Feuerwehr Sinzig, für deren Engagement Geron, wie er der RZ sagt, sehr dankbar ist. Wie lange das Angebot aufrechterhalten wird, konnte der Bürgermeister am Donnerstag nicht sagen. „Die Einsatzleitung hat ja nach wie vor das Land. Der Bürgermeister kann aber die eine oder andere Weiche stellen, und ich bin froh, dass das so geklappt hat“, so Geron. Unterstützung wird die Feuerwehr von dem Pfadfinderstamm Albert Schweitzer aus Remagen erhalten. „Wir werden helfen, das Essen auszuteilen“, sagt Stammesführerin Franziska Geil. Die Pfadfinder bieten ihre Hilfe auch für andere Angelegenheiten an. „Einfach melden“, so Franziska Geil. Zu erreichen ist der Pfadfinderstamm per E-Mail an stammesfuehrung.as@gmail.com.

Alle Hände voll zu tun hat an diesem Donnerstagmittag auch Giorgio Younes, Inhaber des Restaurants Casa da Giorgio, Markt 9, in Sinzig. Seit geraumer Zeit bietet auch er für Flutopfer täglich von 12 bis 14 Uhr einen kostenlosen Mittagstisch an. „Ich bin seit 43 Jahren hier und seit 36 Jahren selbstständig. Ich habe Höhen und Tiefen erlebt und kann nachvollziehen, wie es ist, wenn man sein Haus verliert“, sagt er über seine Motivation. Um die 50 Menschen nehmen Younes zufolge das Angebot täglich an. Unterstützung erhält er von der Khan Paletten GmbH und von Sahin Arslan. Die Kosten für das Kochen trägt Younes selbst. Mindestens zwei Wochen will er noch weitermachen, vielleicht aber auch länger. Das sei schon anstrengend, meint Younes. „Aber solange ich die Kraft habe, werde ich das Angebot aufrechterhalten“, so Younes im Gespräch mit der RZ.

Übrig gebliebenes Essen wegzuschmeißen, kommt für den Chef von Casa da Giorgio nicht infrage. Er bringt es lieber zum Coworking-Space in die Bachovenstraße 3 – nur ein paar Häuser weiter. Die Einrichtung, die Melanie Kai Brücken im März 2020 eröffnet hat, ist zu einem Dreh- und Angelpunkt geworden, wenn es um Hilfe für Flutopfer geht. Deshalb wurde sie auch vorübergehend in das Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig umbenannt. Vor dem Laden stehen Holzbänke und Tische, an der Markise hängt ein Zettel. „Essen und Getränke gratis – auch zum Mitnehmen“, steht dort geschrieben. An der Seite der Einrichtung steht eine Tafel, auf der Such- und Bietangebote eingetragen sind, etwa für Wohnungen.

An diesem Tag kommt gerade eine Freiwillige mit einem frisch gebackenen Kuchen vorbei, um ihn abzugeben. Ein Mann fragt nach einer Maske – und erhält sie umgehend. Generell herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Auch im Coworking-Space werden die Betroffenen versorgt. Morgens gibt es Frühstück, abends eine warme Mahlzeit. Am Herd steht unter anderem Hatice Kaya, die auf Halal-Basis kocht. „Die Speisen sind aber auch vegetarisch, vegan und allergikerfreundlich“, erläutert Melanie Kai Brücken. Die Inhaberin des Coworking-Spaces Sinzig hat sich nach einer ersten Schockstarre nach der großen Flut sofort dazu entschlossen, etwas zu tun. Noch in der Nacht nach der Katastrophe postete sie auf Facebook: „Wir haben Strom, Wasser und Internet. Um 10 Uhr gibt es Frühstück, und jeder ist eingeladen. Vielleicht hat ja auch jemand Zeit, eine Suppe zu kochen.“ Ein Aufruf, der Gehör fand. Bereits am frühen Morgen antwortete Songül Erdem, Vorsitzende des Vereins Merida. Ja, sie wolle einen Topf Suppe vorbeibringen. Damit war der Grundstein für das Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig gelegt – ein Ort, an dem sich die Helfer und Hilfesuchende vernetzen.

Das Restaurant Casa da Giorgio bietet ebenfalls eine kostenlose Mahlzeit am Tag für die Flutopfer an.
Das Restaurant Casa da Giorgio bietet ebenfalls eine kostenlose Mahlzeit am Tag für die Flutopfer an.
Foto: Silke Müller

„Am ersten Tag sind wir überrannt worden. Es gab ja noch keine anderen Strukturen“, erinnert sich Melanie Kai Brücken. Auch Merida, dessen Räumlichkeiten sich in der Koblenzer Straße befinden, hat anfangs die Menschen mit Frühstück und warmen Speisen versorgt, wie Songül Erdem erzählt. Noch jetzt werden von der Flut Betroffene bei Bedarf versorgt. Im Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig kommen derzeit täglich um die 50 Flutopfer, um dort zu frühstücken oder das Abendessen einzunehmen, wie Melanie Kai Brücken berichtet. „Viele holen die Speisen aber auch ab, bringen selbst Töpfe oder Thermoskannen mit oder lassen sich das Essen bringen“, erzählt sie. Mit im Boot sind bei der Koordinierung von Hilfe, die weit über das Versorgen mit Lebensmitteln hinausgeht, der Verein Time to help aus Offenbach, das Kirchencafé der katholischen Kirchengemeinde St. Peter, eine Gruppe namens Paw Patrol und jede Menge Privatleute wie die Dame, die nur mal schnell einen Kuchen vorbeibringt.

Am 21. Juli ist das große Team vom Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig noch einmal verstärkt worden. Anas Alakkad von der Initiative Syrische Freiwillige in Deutschland kam mit 24 Leuten aus der ganzen Republik in die Barbarossastadt, um zu helfen. Und eigentlich könnten es noch mehr sein. „Das größte Problem ist die Unterkunft, wenn wir 200 Plätze erhalten würden, dann würden noch mal 200 Helfer kommen können“, sagt Alakkad. Während die einen noch mit dem Aufräumen oder bei weiteren Arbeiten helfen, erledigen die anderen alles Weitere, was so anfällt, sammeln und waschen zum Beispiel Wäsche. „Wir vervollständigen uns gegenseitig“, bringt es Melanie Kai Brücken auf den Punkt. „Dabei kannten wir uns vorher gar nicht“, so Songül Erdem.

Bei den vielen Hilfsaktivitäten, die im Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig koordiniert werden, mache die Ausgabe von Mahlzeiten nur einen geringen Prozentsatz aus. Besonders wichtig sei derzeit vor allem die Seelsorge, sagt Melanie Kai Brücken – vor allem auch bei den Helfern. „Während man anfangs nur funktioniert hat, hat man nun realisiert, was da passiert ist“, erläutert sie. Da helfe es, sich mit einer Tasse Kaffee einfach mal hinzusetzen, runterzukommen – und zu reden. „Der Redebedarf ist riesengroß“, weiß sie.

Anas Alakkad hat derweil ein neues Angebot entwickelt. Im Internet unter der Adresse https://forms.gle/41rZSqdBc9DjQzXi8 können sich Flutopfer anmelden und ganz konkret um Hilfe – beispielsweise Estrich entfernen – anfordern. Wer das Fluthilfe-Basecamp Coworking Sinzig finanziell unterstützen möchte, kann dies tun. Ein Spendenkonto ist eingerichtet worden. Zu finden ist es im Internet unter www.gofundme.com/f/fluthilfe-basecamp- coworking-sinzig

Von unserer Redakteurin Silke Müller