Kreis Ahrweiler

Angebot des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr: Neue Reihe informiert über das Tabu-Thema Sterbehilfe

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Die Vereinsvorsitzende Ulrike Dobrowolny bei der Begrüßung respektive beim Dialog in lockerer Runde im Mehrzweckraum des stationären Hospizes im Ahrtal. Foto: Hospiz-Verein Rhein-Ahr/Simons

Sie können nicht mehr oder wollen nicht mehr. Menschen, die nicht mehr leben möchten, haben dafür verschiedene Gründe. Wenn sie einen Todeswunsch gegenüber anderen äußern, setzen sie bei diesen damit oft belastende Prozesse in Gang. Auf beiden Seiten tun sich Fragen auf. Erst recht, wenn ein Sterbewilliger sein Gegenüber auch noch bittet, ihm bei der Umsetzung seines Todeswunschs zu helfen, heißt es in einer Pressemitteilung des Hospiz-Vereins des Kreises Ahrweiler.

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„Beihilfe zur Selbsttötung“ oder „Assistierter Suizid“ wird das genannt. Im Juli haben dazu zwei Gesetzentwürfe von Abgeordnetengruppen verschiedener Parteien im Bundestag vorgelegen. Für keine hatte sich eine Mehrheit unter den Parlamentariern gefunden. Der Hospiz-Verein greift dieses Thema nun auf und veranstaltet eine Vortragsreihe dazu.

Die meisten Menschen wissen nicht genau Bescheid

„Über das Thema reden alle, aber eigentlich weiß keiner Bescheid“, sagte die Vorsitzende des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr vor mehr als 20 Anwesenden im Mehrzweckraum des stationären Hospizes im Ahrtal: „Wir machen die Erfahrung, dass die meisten Menschen nicht wissen, was in Sachen Sterbehilfe jetzt Gesetz ist und was diskutiert wird in Deutschland.“ Aufklärung leisten soll ein offenes Angebot des Hospiz-Vereins, für das das Treffen einen Auftakt darstellte.

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Die Vereinsvorsitzende Ulrike Dobrowolny bei der Begrüßung respektive beim Dialog in lockerer Runde im Mehrzweckraum des stationären Hospizes im Ahrtal.
Foto: Hospiz-Verein Rhein-Ahr/Simons

Zunächst trugen die Versammelten „einfach aus dem Bauch heraus“ zusammen, was ihnen zum Thema Sterbehilfe bekannt ist. Es fiel auf, dass sich zunächst alles um den „Assistierten Suizid“ drehte, der in Deutschland straffrei ist, über den aber große Unklarheit herrscht, weil sich der Bundestag eben bisher nicht auf Rahmenbedingungen dafür einigen konnte. „Es ist nicht hilfreich, wenn der assistierte Suizid erlaubt beziehungsweise straffrei ist, aber der Weg dahin nicht geklärt ist“, so die Vereinsvorsitzende Ulrike Dobrowolny. Gleichzeitig lenkte sie den Blick auf das, was in der Brainstorming-Runde so gut wie gar nicht auftauchte: Das, was bereits möglich, gesetzlich geregelt und verankert ist. „Man merkt, wie die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf bestimmte Aspekte gelenkt wird, aber andere Aspekte gar nicht in der öffentlichen Diskussion vorkommen oder bekannt sind“, so Dobrowolny.

Was ist in Deutschland eigentlich erlaubt?

„Assistierter Suizid scheint mir die Einfachlösung: Pille rein, Problem gelöst. Wenn unsere Gesellschaft diesen Weg gehen will, tut das weh“, sagte eine Frau. Eine andere Teilnehmerin sah darin durchaus eine Option, allerdings: „Wann genau will man denn ein tödliches Medikament nehmen oder noch schwerer: Wann soll einem ein Angehöriger dieses Medikament geben?“ Hospizleiterin Gabriele Ruggera gab zudem zu bedenken, dass Angehörige, die nicht mit dem Suizid einverstanden sind, im Nachhinein sehr zweifeln und mit sich zu kämpfen haben: „Sie denken ‚Unsere ganze Liebe hat nicht ausgereicht, den Menschen dazu zu bringen, bis zum natürlichen Ende zu leben‘. Die Angehörigen beziehen den Sterbewunsch auf sich und die Trauer, die dann folgt, ist schwerer als wenn jemand natürlich gestorben ist.“

In lockerer Atmosphäre brachten die Teilnehmenden viele Meinungen und Erlebnisse ein. Im Gespräch wurden vielen aber auch Begriffe klarer, die sie bisher durcheinander geworfen hatten. Differenziert wurde zwischen Sterbebegleitung und Sterbehilfe, indirekter und passiver Sterbehilfe, der palliativen Sedierung und dem freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken.

Die Anwesenden konnten ihre Erfahrungen teilen

Viele Einstellungen und Erfahrungen fanden Gehör: Der Druck, den Angehörige ganz ohne Worte oder nicht bewusst auf alte und kranke Eltern ausüben, weil das Geld für die Pflege bald aufgebraucht oder die Pflegeanstrengungen zu groß sind. Die Frage, ob es besser ist, Sterbeberater oder Lebensbegleiter auszubilden. Der Versuch, in einem durch und durch optimierten Leben Kontrolle zu behalten, bis zum Schluss. Auch, warum die Parlamentarier im Bundestag nicht zu einer Einigung gekommen sind, konnten die Teilnehmenden am Ende des engagierten Austauschs besser nachvollziehen.

Dobrowolny: „Darum ging und geht es uns: Die Facetten der Diskussion zu spiegeln, transparenter zu machen, wie umfassend die Fragestellungen beim Thema Sterbehilfe sind, was alles Leben bedeutet, was und wie die Gesellschaft damit umgehen kann und dass jeder Einzelne dabei zählt. Wir haben eine Ahnung davon bekommen, wie umfangreich und individuell ein Leben und ein Sterben sein kann und wie schwer es ist, für all das eine Regelung zu finden.“ red

Weitere Angebote wie etwa (Online-)Vorträge zum Thema sollen folgen, immer auch mit der Möglichkeit für die Teilnehmenden, sich auszutauschen. Weitere Infos unter www.hospiz-rhein-ahr.de oder unter Tel. 02641/207 79 69.