Kreis Ahrweiler

„Alle Kraft in den Wiederaufbau“: Ein nationaler Masterplan ist jetzt notwendig

Von Michael Stoll
Dieter Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ahrweiler, bei Aufräumarbeiten im Katastrophengebiet. Die Sparkasse will der Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten mit zahlreichen Maßnahmen zuverlässig zur Seite stehen.
Dieter Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ahrweiler, bei Aufräumarbeiten im Katastrophengebiet. Die Sparkasse will der Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten mit zahlreichen Maßnahmen zuverlässig zur Seite stehen. Foto: KSK

Die Kreissparkasse Ahrweiler (KSK) ist von der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal selbst mit zahlreichen Standorten betroffen, so auch das Hauptstellengebäude in Ahrweiler. Durch viele Helferinnen und Helfer konnten bereits Spuren der Katastrophe beseitigt werden. Auch die Nachbarsparkassen stellten und stellen viele Hilfeleistungen zur Verfügung. Jetzt geht es in der betroffenen Region an den notwendigen Wiederaufbau. Vor welch gigantischer Aufgabe die Region steht und was es jetzt dafür braucht, erläutert der Vorstandsvorsitzenden Dieter Zimmermann im Gespräch mit unserer Zeitung.

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Im Katastrophengebiet laufen zurzeit noch Aufräumarbeiten sowie die Wiederherstellung der notwendigsten Versorgung mit Strom, Wasser, Gas und mehr. Wie bringt sich die KSK hier ein?

Unsere Hilfe gestaltet sich vielschichtig. Wir haben unmittelbar nach der Katastrophe unseren Mitarbeitern großzügig Sonderurlaub für die Arbeiten im eigenen Bereich und bei Familie, Freunden und Nachbarn eingeräumt. Daneben sind eine Reihe von Mitarbeitern für das Ehrenamt (Feuerwehr, Rotes Kreuz) seit Beginn der Katastrophe freigestellt. Der Parkplatz unserer Hauptstelle dient als Lagezentrum für diverse Hilfsorganisationen.

Im Ahrtal geht es in den nächsten Monaten und Jahren um einen kompletten Wiederaufbau. Wie können Sie Privatleuten helfen, die ihr Hab und Gut ganz oder teilweise verloren haben? Wie den Handwerkern, Selbstständigen, Hoteliers, Gastronomen?

Neben der sparkassenpolitischen Arbeit über meine Funktion als stellvertretender Landesobmann haben mein Vorstandskollege und ich schon am ersten Tag ein Sonderkreditprogramm zum Wiederaufbau auf den Weg gebracht. Hier sind in der ersten Woche 2,5 Millionen Euro bereitgestellt worden. Daneben stellen wir auf Wunsch die Kredite der Kunden 12 beziehungsweise 24 Monate tilgungsfrei. Das hilft sehr! Außerdem sind wir mit der Politik im Gespräch, die Hilfsmittel des Kreises und des Landes unbürokratisch auszuzahlen. Ein weiterer Aspekt ist die schnelle Schadensaufnahme durch unsere Provinzialagentur. Wir haben die Kapazitäten aufgestockt.

In welchem Ausmaß sind Ihre Kunden direkt/indirekt betroffen?

Wir sind Marktführer im Kreis Ahrweiler, und damit sind auch viele unserer Kunden betroffen. An einer präzisen Schadensaufnahme arbeiten wir durch strukturierte Kundengespräche unter Einbindung all unserer Berater sowie unserer vielen Standortmitarbeiter, die die Situation vor Ort genau kennen. Das wird noch etwas dauern. Hilfsweise nutzen wir Angebote wie Geodaten, um die Betroffenheit schnell grob einschätzen zu können.

Noch ist viel zu tun, aber vielerorts sind schon Fortschritte beim Aufräumen zu sehen. Auch an der St.-Andreas-Kirche in Ahrbrück sind die Helferinnen und Helfer unermüdlich, um den Schlamm zu beseitigen.
Noch ist viel zu tun, aber vielerorts sind schon Fortschritte beim Aufräumen zu sehen. Auch an der St.-Andreas-Kirche in Ahrbrück sind die Helferinnen und Helfer unermüdlich, um den Schlamm zu beseitigen.
Foto: dpa

Ist ein regionales Kreditinstitut mit einer solchen Mammutaufgabe nicht überfordert? Erhalten Sie Unterstützung von anderen Sparkassen/vom Sparkassenverband?

Die Kreissparkasse Ahrweiler ist eine stabile, gut kapitalisierte Bank. Wir haben schon manche Krise erfolgreich gemeistert. Unser Krisenstab arbeitet hervorragend, und wir haben in kurzer Zeit aus eigener Kraft viele Fortschritte gemacht. Aber es gibt auch eine beispiellose Solidarität aus der ganzen Republik, insbesondere aber von unseren befreundeten Sparkassen in Rheinland-Pfalz. Wie zum Beispiel die fahrbare Geschäftsstelle, die jetzt an der Mittelahr unterwegs ist, einen Beratungstruck für Bad Neuenahr oder aber sonstige Sachmittel wie Pumpen, PCs bis hin zu Personalhilfen. Und der Sparkassenverband unterstützt uns auf der sparkassenpolitischen Ebene, zum Beispiel im Dialog mit den Förderbanken.

Eine Bank lebt immer auch von florierenden Geschäften in einer Region. Da wird es in den nächsten Monaten und Jahren im Ahrtal problematisch. Wie können Sie als Kreissparkasse diese Einbrüche kompensieren?

Wir sind und bleiben eine regionale Bank, und unser Regionalprinzip ist auf den Kreis Ahrweiler ausgerichtet. Damit sind wir eine Schicksalsgemeinschaft, und wir werden alle Kraft in den Wiederaufbau unserer Heimat stecken. Man muss allerdings auch sehen, dass ja zwei Drittel des Landkreises nicht direkt betroffen sind.

Haben Sie eine Vorstellung, wie der Wiederaufbau einer kompletten Region funktionieren soll, die von Tourismus, Weinbau und der Gesundheitsindustrie lebt? Muss nun ein Masterplan entwickelt werden?

Oberste Priorität hat die schnelle Wiederherstellung der Infrastruktur wie Brücken, Straßen, Fahrradwegen, Schienennetzen, Schulen oder Kindergärten. Das muss ein nationaler Kraftakt, ein nationaler Masterplan unter Einbindung der Gebietskörperschaften sein. Wenn hier etwas passiert, haben die Menschen Zuversicht und bleiben hier. Hinzu kommen die regionalen individuellen Anstrengungen der Betriebe und Bürger. Die Menschen sind zu vielem fähig, wenn man sie unbürokratisch lässt. Wenn die ersten Hotels, Restaurants, Weinwirtschaften wieder aufmachen, kommen andere nach.

In welchem Maße müssen beim Wiederaufbau Ihres Erachtens die Folgen des Klimawandels, Hochwasserschutz und Vorsorge für die Bevölkerung eine Rolle spielen?

Auch wenn die Katastrophe ein Jahrtausendereignis war, muss man die Lehren ziehen. Die Orte, die Baugebiete, Renaturierungsflächen müssen neu gedacht werden. Jetzt besteht die Chance dazu.

Können Sie etwas dazu sagen, in welchem Maße die KSK und ihre Mitarbeiter selbst von der Flutkatastrophe betroffen sind?

Wir haben etwa 80 bis 100 direkt betroffene Mitarbeiter, zuzüglich der Betroffenheit in den Familien. Da ist alles dabei, vom weggeschwommenen Auto bis zum zerstörten Haus. Die Sparkasse selbst ist und war insbesondere an der Mittelahr, in Bad Neuenahr und in der Hauptstelle in Ahrweiler betroffen. Wir waren zu jeder Zeit voll funktionsfähig. Unser Blick gilt jetzt voll und ganz unseren Kunden und der Region.

Die Fragen stellte Michael Stoll

Das Hilfsprogramm der KSK

Um die akute Notlage der Bevölkerung ein wenig zu lindern, stellt die Kreissparkasse Ahrweiler Spendenmittel in Höhe von einer halben Million Euro bereit. Damit soll jenen Kreisbewohnern, die durch die Flut in finanzielle Not geraten sind, schnell und unkompliziert geholfen werden. Darüber hinaus hat die Sparkassen-Finanzgruppe rund 5 Millionen Euro eigene Spendengelder gesammelt, der Löwenanteil fließt in den Kreis Ahrweiler.

Die KSK hat zudem ein Sonderkreditprogramm für die von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen aufgelegt, sowohl für private als auch gewerbliche Kunden. So können Betroffene bis zu 50.000 Euro schnell und unbürokratisch abrufen. Zu einem Zinssatz von 0,25 Prozent und mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren hat man eine Planungs- und Zinssicherheit. Die Nachfrage sei rege, rund 2,5 Millionen Euro konnten ausgezahlt werden, hieß es. Zudem gibt es für Betroffene auch die Möglichkeit, die Tilgung für bereits bestehende Kredite auszusetzen.

Volksbank RheinAhrEifel hilft mit Darlehen und Spenden

Auch die Volksbank RheinAhrEifel legt ein Hilfsprogramm auf: Insgesamt stellt die Genossenschaftsbank eine Spendensumme in Höhe von 500.000 Euro für die Menschen im Katastrophengebiet zur Verfügung. Darüber hinaus legt die Volksbank ein Sonderkreditprogramm mit einem Volumen von 50 Millionen Euro auf. Die Bank gewährt den Geschädigten Darlehen mit einem Zinssatz von 0,25 Prozent als Sofortmaßnahme, informiert sie auf ihrer Internetseite www.voba-rheinahrei fel.de. Dort heißt es: „Privatkunden und Unternehmen in der Region hilft die Volksbank unbürokratisch und zielgerichtet mit entsprechenden Liquiditätshilfen, Tilgungsaussetzungen und beispielsweise Vorfinanzierungen für Versicherungsleistungen.“

Überdies hat die Bürgerstiftung der Volksbank RheinAhrEifel ein Spendenkonto für Hochwassergeschädigte eröffnet. Die Bankverbindung lautet: DE71.5776.1591 0417.8949 00. Zudem hat die Bürgerstiftung „Viele schaffen mehr“ eine Crowdfunding-Kampagne zugunsten der Betroffenen gegründet, bei der bislang mehr als 1,4 Millionen Euro gespendet wurden.

Flutkatastrophe im Ahrtal
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