Verbandsgemeinde Mendig schaffte Containerdorf für fast 300 Menschen - Jetzt gibt es auch endlich einen Betreiber
Ab heute wohnen hier Flutopfer: Containerdorf für fast 300 Menschen in Mendig
Immer noch leer: 280 Menschen können im Containerdorf am Flugplatz Mendig unterkommen, Familien bekommen eine ungeteilte Containereinheit.
Stefanie Braun

Nach der Flutkatastrophe, die Hunderte Anwohner der Ahrregion obdachlos gemacht hat, hat die Verbandsgemeinde Mendig binnen kürzester Zeit ein Containerdorf auf dem Flugplatzgelände aufgebaut. Container, ehrenamtliche Helfer und sogar Willkommenspakete stehen seit Tagen bereit – nun sollen endlich auch von der Katastrophenflut betroffene Menschen dort einziehen. Das teilte die Aufsichtsbehörde ADD am Abend mit. Demnach wird die Anlage heute endlich in Betrieb genommen.

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Immer noch leer: 280 Menschen können im Containerdorf am Flugplatz Mendig unterkommen, Familien bekommen eine ungeteilte Containereinheit.
Stefanie Braun

Noch im Laufe des Donnerstags gab es einen Austausch zwischen der ADD und der Kreisverwaltung Ahrweiler, auf RZ-Nachfrage kam die Ansage, dass der Betrieb des Dorfes sichergestellt ist: „Bisher konnte der Bedarf an Wohnraum im Landkreis Ahrweiler über anderweitige Angebote gedeckt werden. Da dies zunehmend nicht mehr der Fall ist, wurde gemeinsam entschieden, nun das Dorf zu belegen“, begründete die ADD die Entscheidung am Abend.

Später gab es von der Landesbehörde in Trier dann auch noch eine offizielle Bestätigung, dass das Dorf „kurzfristig“ von der Firma I-Motion in Mülheim-Kärlich betrieben wird. Sie hatte die Container auch auf dem Flugplatzgelände aufgestellt. Zuvor war spekuliert worden, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) das Dorf übernehmen könnte.

Ausgestattet sind die Container mit medizinischen Feldbetten, Kleiderspinden, Tischen und Stühlen sowie einem Willkommenspaket.
Stefanie Braun

Vermutlich wird heute auch über eine Wohnungsbörse informiert, die die Kreisverwaltung Ahrweiler für von der Flut betroffene Menschen einrichten wird. Und alternativer Wohnraum ist äußerst gefragt. Nach der verheerenden Flut in der Ahrregion stehen viele Menschen vor dem Nichts. Häuser, Möbel, Erinnerungen – zerstört oder einfach weggespült. Als der dringende Hilferuf des Landes nach Wohnraum kam, hatte die Verwaltung der Verbandsgemeinde am Montag nach der Flut bereits ein Konzept ausgearbeitet, erzählt Verbandsbürgermeister Jörg Lempertz (CDU). Am Dienstag erfolgte die Prüfung durch das Land, am Mittwoch kam dann das offizielle Go. In weniger als zehn Tagen stand die Infrastruktur: Die Container der Firma I-Motion – die sonst für das Techno-Festival Nature One bekannt ist – sollen 280 Menschen Platz bieten, Ingenieure und Bauhof erarbeiten ein Entwässerungskonzept, das DRK stellt ein 1000 Quadratmeter großes Zelt als Begegnungsstätte auf. Ein Caterer übernimmt die Essensversorgung, DRK und AOK bieten Beratungsstellen, auch für vertrauliche Fragen, die Firma Stryker stellt zudem 200 medizinische Feldbetten, die noch in den Containern installiert werden sollen – organisiert von der CDU-Bundestagsabgeordneten Mechthild Heil. Zwei Wohneinheiten kann es pro Container geben, Familien beziehen jedoch einen ungeteilten Container. Zur Ausstattung gehören Stühle, Tische, Betten, Kühlschrank, Kleiderspinde, Strom, aber auch WLAN, teils sogar Klimaanlagen – und ein Willkommenspaket der Verbandsgemeinde mit Hygieneartikeln, aber auch Spielzeug und Freikarten fürs Schwimmbad und einer eigens erstellten Broschüre mit Infos, etwa zur Busverbindung nach Ahrweiler, zu Kitas und Schulen oder auch Telefonnummern von Pizzalieferanten in der Umgebung.

VG-Bürgermeister Jörg Lempertz (im DRK-Begegnungszelt): „Wir wollen die Menschen mit offenen Armen willkommen heißen.“
Stefanie Braun

Man wolle die Flutopfer aus dem Ahrtal mit offenen Armen empfangen, sagt Lempertz, und man will „vermeiden, dass sich diese Menschen abgeschoben fühlen“. Die Wohncontainer schenken den obdachlosen Flutopfern erst mal Sicherheit, Sauberkeit, eine Bleibe. Dazu wächst ein beachtliches Hilfsangebot. So hat sich ein pensionierter Arzt bereit erklärt, sich um die Leute zu kümmern, drei Erzieherinnen wollen nach der Arbeit vorbeikommen, um die Kinder zu beschäftigen, die Gruppe „Mendig hilft“ hat ihren Shop in 500 Meter Entfernung aufgebaut, ein Blumenladen stellt Sträuße für die Container bereit: „Einfach um es etwas wohnlich zu machen.“

Um die 40.000 Quadratmeter Fläche wächst viel Grün, hinter dem DRK-Zelt wolle man dies nutzen für einen Spielplatz für Kinder, entsprechendes Gerät werde von Firmen bereitgestellt. Im Begegnungszelt soll es auch Spielmöglichkeiten geben, zudem soll hier ein Ort des Austauschs entstehen, zwischen Opfern selbst und auch Seelsorgeprofis.

Derzeit leben bereits 120 psychosoziale Notfallseelsorger vom Landesverband Baden-Württemberg, die im Ahrtal im Einsatz sind, in dem Dorf. Sie werden aber ihre Container räumen, sobald Bedarf besteht. Über kulturelle Angebote werde nachgedacht, aber „wir wollen die Menschen nicht überfrachten, das soll keine Kirmes werden“. Doch falls Ablenkung gewünscht und von den Profis empfohlen wird, sei man auch dazu bereit, sagt Lempertz. „Wir brauchen erst mal ein Gespür für die Menschen, die da kommen.“ Sie sollen zunächst einmal durchatmen, zur Ruhe kommen und sich dann mit den Zukunftsfragen beschäftigen: „Aber erst mal abschalten von den Bildern der Krise.“

Der Bürgermeister hofft, dass irgendwann in dem Containerdorf etwas Campinggefühl aufkommt, nicht nur das Empfinden von Not. Dafür wolle man auch in Kontakt treten mit Gartenausstattern, um eventuell Campingstühle vor Container stellen zu können: „Da entsteht gleich ein anderes Bild.“

Doch auch Corona ist noch nicht vom Tisch: So gehören auch FFP2-Masken und Schnelltests zum Willkommenspaket. Eine Testinfrastrukur ist beim Kreis Mayen-Koblenz schon einmal angefragt, aber muss mit dem Betreiber des Containerdorfs noch geregelt werden. Zudem wurde ein Grundschulkonzept geschaffen, die Realschule plus hat angeboten, im Zwei-Schichten-Modell eine komplette Schule aufzunehmen. Nur die Kitaversorgung könnte problematisch sein: „Die Frage ist: Kommen nun 20 Kinder oder 150?“

In Mendig geht man davon aus, dass die Plätze in dem Containerdorf voll belegt werden, sagt Lempertz. Das Dorf bleibe bestehen, solange der Bedarf da sei, er schätzt das auf drei bis vier Monate. Für den Winter sei dies keine adäquate Lösung. Stefanie Braun

Laut Kreisverwaltung Ahrweiler gibt es in Kürze eine Plattform, mit der Betroffenen Wohnraum vermittelt sowie Freiwilligen Unterkünfte angeboten werden können.

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