Bachem

Ein Aufbau Hand in Hand: Mit Handwerkern und Freiwilligen kann die Sanierung im Ahrtal gelingen

Von Cordula Sailer
Bei Piet in Bachem ist Mitte Juni ein Ende der Hausbaustelle in Sicht.
Bei Piet in Bachem ist Mitte Juni ein Ende der Hausbaustelle in Sicht. Foto: Jens Weber

Vor der Hofeinfahrt türmt sich ein Haufen Kies. Sand und Steine liegen in der Einfahrt, die Hausnummer ist auf ein provisorisches Schildchen geschrieben – ein Jahr nach der Flut herrscht noch Baustellenbetrieb vor dem Einfamilienhaus in Bachem, einem Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Haustür steht offen: „Kommen Sie herein“, bittet der Hausherr, der in seiner Heimatstadt von allen nur Piet genannt wird.

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Gerade sind die Maler und Tapezierer im Erdgeschoss zugange. Es ist Mitte Juni. In vier Wochen jährt sich das schreckliche Hochwasser im Ahrtal. Bis dahin werden die Handwerksarbeiten im Haus wohl abgeschlossen sein.

„Es ist sehr gut gelaufen“, bilanziert Piet – das ist keine Selbstverständlichkeit, das ist ihm bewusst. Die Wasser- und Schlammmassen hatten vom 14. auf den 15. Juli 2021 Keller, Garage, Erdgeschoss und Garten seines Haues verwüstet. Dass die Sanierung so weit fortgeschritten ist, ist eine kleine Erfolgsgeschichte. Eine Erfolgsgeschichte, die nur möglich war, weil zahlreiche Akteure Hand in Hand gearbeitet haben, betont Piet. Der 65-Jährige spricht von einem „perfekten Zusammenspiel“ zwischen ihm, seiner Versicherung, Bauunternehmen und Handwerkern, Freunden, Bekannten und freiwilligen Fluthelfern.

Piet hat eine Elementarversicherung für sein Gebäude abgeschlossen. Die Versicherung vermittelt ihm ein Bauunternehmen aus Bonn, das schließlich 70 Prozent der Sanierungsarbeiten übernehmen kann. Rund 160 Quadratmeter sind wieder instand zu setzen. Der Sachverständige der Versicherung (ein Bauingenieur), der Bauunternehmer und er erarbeiten für jeden Bauabschnitt gemeinsam einen Plan. „Da waren wir uns relativ schnell einig“, sagt Piet. Probleme mit der Versicherung habe es bisher nicht gegeben: „Sie zahlt alle Leistungen, die im Vertrag vereinbart waren.“ Bereits wenige Wochen nach der Flut rücken Anfang August die ersten Handwerker an.

Hilfe aus allen Ecken

Davor hatte Piet bereits Hilfe von Freiwilligen. Schon am Wochenende nach der Flut kommen Helfer aus ganz Deutschland in Scharen in die Krisenregion – „wie zum Fußballspiel, statt Fahnen hatten sie aber Schaufeln und Besen über den Schultern“, sagt Piet. Teils sind 15 Leute gleichzeitig in seinem Haus, die eine Menschenkette bilden und den Schlamm mit Eimern aus seinem Keller abtransportieren. Wochenlang kommen immer wieder Helfer, nicht nur zu Piet. Doch allein bei ihm, so schätzt er, sind es um die 100 freiwillige Helfer, die nach der Flutkatastrophe spontan mit anpacken.

Den weitesten Anfahrtsweg hat eine Gruppe aus Wernigerode im Harz. „Das ist eine Anfahrt von 500 Kilometern“, betont Piet. Drei Monate lang fährt die Clique jedes Wochenende ins Ahrtal. Sie hilft auch anderen Betroffenen. Weitere Unterstützer kommen unter anderem aus Versmold (Kreis Gütersloh), Köln sowie aus Mainz und Umgebung. Freundschaften und Bekanntschaften entstehen. „Erst gestern hat mich eine Helferin aus Wernigerode über WhatsApp gefragt, wie es in Haus und Garten jetzt aussieht“, erzählt Piet.

Und auch auf Freunde und Bekannte, die er teils schon seit mehr als 40 Jahren kennt, kann Piet sich verlassen. Da ist etwa die Fußballtraditionsmannschaft seines Abiturjahrgangs 1973/74 am Peter-Joerres-Gymnasium. Kumpels aus der Mannschaft helfen ihm, die Handwerker für die restlichen Arbeiten zu akquirieren, die das Bonner Bauunternehmen nicht übernimmt. Da Handwerker aus dem Ahrtal selbst von der Flut betroffen sind, kommen die engagierten Betriebe aus dem Raum Bonn/Siegburg.

Seit Februar ist Piet zudem dabei, seinen Garten mit Freunden und Fluthelfern neu anzulegen. Gerade arbeitet er an einer Sitzecke und einem gekiesten Weg – daher auch der Kieshaufen vor der Hofeinfahrt. Auch der Garten war nach der Flut völlig verschlammt und durch allerlei Treibgut verwüstet: Gießkannen, Benzinkanister, Mülleimer. „Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde angeschwemmt.“ Darunter sind auch eine (schon etwas schief stehende) Holzgartenbank und ein schwerer Steinblumenkübel, die der Wassergewalt trotzten. Sie haben inzwischen einen Platz im Garten bekommen. „Die Blumen im Kübel haben dann noch den ganzen Sommer geblüht“, erinnert sich Piet.

Wie früher soll es sein

Auch die Hausratversicherung hat gezahlt – und zwar „unglaublich schnell“, sagt Piet. Doch bis alles wieder so eingerichtet ist, wie er möchte, werde es wohl bis nächstes Jahr im Mai dauern. Von seinem Wohnzimmermobiliar haben vier griechisch anmutende Steinvitrinen die Flut überstanden, die nun gut verpackt auf ihre Zweckbestimmung warten.

Es soll wieder genauso werden, wie es war. Ich habe mir das über 33 Jahre so aufgebaut, wie es mir gefallen hat.

Piet

Nur beim Anstrich der Hausfassade hat er eine neue Farbe gewagt. Doch alles lässt sich nicht wiederherstellen. Unwiederbringlich verloren ist etwa sein Foto-Archiv im Keller: Motorsportbilder, geschossen von seinem Vater, seinem Onkel und ihm. „Darunter waren circa 30.000 Schwarz-Weiß-Fotos sämtlicher großer Rennen am Nürburgring in den 1950er- und 1960er-Jahren“, erklärt Piet. Bei allem, was im und ums Haus zerstört wurde, schmerze dieser Verlust am meisten. Doch anderen Betroffenen sei deutlich Schlimmeres widerfahren. In seinem engeren Umfeld, so der 65-Jährige, sei niemand bei der Flut ums Leben gekommen.

Inzwischen wohnt Piet wieder in seinem Haus in Bachem. Der erste Stock ist bewohnbar. Dort lagert er Kisten mit Werkzeug in seinem Schlafzimmer. Doch das soll sich bald ändern.