Die WHU. Otto Beisheim School of Management steht in einer schwierigen Zeit, nämlich der Corona-Pandemie, am besten da. Wie das Statistische Landesamt in einer Pressemitteilung unlängst veröffentlichte, machten gerade im Sommersemester 2020, das mit der ersten Lockdownphase zusammenfiel, weniger Studenten ihren Abschluss an den Hochschulen des Landes. Dennoch war die WHU Spitzenreiter der Auswertung im positiven Sinne, denn hier war die Anzahl der Absolventen sogar gestiegen. Rektor Prof. Dr. Markus Rudolf gibt eine Einschätzung, woran das gelegen haben könnte.
Herr Rudolf, worauf führen Sie das starke Plus an Absolventen zurück?
Das hat zwei Gründe. Der erste ist, dass wir durch den schnellen Wechsel zum digitalen Unterricht für jeden Studierenden das Angebot aufrechterhalten konnten. Niemand musste eine Studienverzögerung hinnehmen durch Corona. Deshalb haben ebenso viele Studierende in 2020 graduiert, wie es ohne Corona der Fall gewesen wäre. Dass es sogar mehr Graduierende gab, liegt darin begründet, dass die Bewerbungen für unsere Masterprogramme seit einigen Jahren stark wachsen und dass im Frühjahr 2020 der erste Jahrgang eines neuen, zusätzlichen Masterprogramms seinen Abschluss machte.
Gerade in den ersten Monaten der Pandemie scheinen andere Hochschulen Schwierigkeiten gehabt zu haben, wie hat die WHU auf die Corona-Einschränkungen reagiert?
Wir waren praktisch die Ersten, die auf die neue Situation reagiert haben – weil wir mussten. Denn wir waren die erste Hochschule, die Anfang März 2020 wegen eines einzigen Corona-Falls vom Gesundheitsamt geschlossen wurde. Sprichwörtlich über Nacht haben wir unseren gesamten Betrieb auf Online-Formate umgestellt. Unsere Studierenden konnten praktisch alle ihre Lehrveranstaltungen und Prüfungen ohne Unterbrechung weiterführen. Lediglich einige Auslandsmodule mussten storniert werden. Insgesamt waren wir gut vorbereitet und haben entschlossen reagiert. Zum Beispiel haben wir sehr schnell digital aufgerüstet, um den Studierenden auch im Online-Unterricht unsere gewohnt hohe Qualität und ein interaktives Lernerlebnis bieten zu können. Im Juni 2020 hatten wir den gesamten Campus nach den Corona-Vorgaben und viele Hörsäle mit Plexiglaswänden und Videotechnologie ausgestattet, sodass wir von da an bis zum nächsten Lockdown im Dezember Hybridunterricht anbieten konnten. Das heißt, die Studierenden hatten die Wahl, auf dem Campus oder online an den Vorlesungen, Übungen und Veranstaltungen teilzunehmen. Auch unser Career Center hat sich gewaltig ins Zeug gelegt, um die Studierenden bei der Suche nach Alternativen zu geplatzten Pflichtpraktikumsstellen zu unterstützen. Außerdem haben wir viel getan, um auch in dieser schwierigen Zeit das Gemeinschaftsgefühl an der WHU zu pflegen. Als private Institution müssen wir unsere Studierenden natürlich als Kunden betrachten und alles tun, damit sie die Leistung bekommen, die sie mit ihren Studiengebühren bezahlt haben. Denn ohne ihre Studiengebühren können wir nicht weitermachen.
Glauben Sie, dass diese Reaktionen ein Schlüssel dafür sind, warum mehr Studenten einen Abschluss gemacht haben?
Sie sind zumindest der Grund dafür, dass alle unsere Studierenden ihr Studium in der vorgesehenen Zeit absolvieren können. Und sie sind der Grund dafür, dass wir im Herbst 2020 und auch im Herbst 2021 mehr Bewerberinnen und Bewerber für ein Studium an der WHU hatten als jemals zuvor. Denn dass es bei uns anders läuft als in vielen anderen Universitäten und Hochschulen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Den Jahrgang, der im Sommersemester 2020 seinen Abschluss gemacht hat, hat das alles aber weniger betroffen. Denn anders als an staatlichen Hochschulen läuft unser Sommersemester nur bis Ende April, und ab März schreiben die Studierenden in der Regel nur noch ihre Bachelor- beziehungsweise Masterarbeiten. Ob sie das am Campus oder zu Hause machen, macht keinen allzu großen Unterschied.
Wie würden Sie den Abschlussjahrgang beschreiben?
Der Abschlussjahrgang im Sommersemester 2020 war wie gesagt von den Corona-Einschränkungen, was das Studium betrifft, nur mehr wenig betroffen. Was mir sehr leidtut, ist, dass sie die üblichen Abschlussfeiern und Abschlussfahrten ausfallen lassen mussten und auch die Graduierungsfeier im September nur in sehr abgespeckter Form online stattfinden konnte. Auf den Bachelor-Ball in der Rhein-Mosel-Halle musste dieser Jahrgang leider ganz verzichten. Und dennoch hat auch dieser Jahrgang an der WHU ein Gemeinschaftsgefühl zwischen den Studierenden und den anderen Angehörigen der Hochschule erlebt, das schon noch etwas intensiver war als sonst.
Das Landesamt vermutet, dass weniger nicht bestandene Prüfungen auf Kulanz zurückzuführen sind: Hat die WHU in dem besagten Semester auch vermehrt Kulanz wirken lassen oder war dies nicht notwendig?
Das war in keiner Weise notwendig. Die Prüfungen waren für diesen Jahrgang ja fast alle schon gelaufen.
Wie bewerten Sie das Minus, das das Landesamt generell ermittelt hat?
Ich gehe davon aus, dass das mit der geringeren Flexibilität und budgetären Ausstattung der staatlichen Universitäten zu tun hat. Sie konnten einfach nicht so rasch auf die neuen Gegebenheiten reagieren, Vorlesungen fanden nicht mehr statt, und Prüfungen konnten nicht durchgeführt werden. Und sie waren, vor allem in Hinblick auf die Digitalisierung, nicht so gut vorbereitet wie wir. Vielleicht hat es auch ein wenig mit einem anderen Mindset zu tun. Denn wir haben beispielsweise schon im Sommer 2020 beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen, und mit unseren Erfahrungen aus dem Online-Unterricht ein ganz neues globales Online-MBA-Programm aufgesetzt, das bereits im Oktober 2020 startete.
Die Fragen stellte Stefanie Braun.