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Koblenz

Musste der Stadtrat-Eklat wirklich sein? Das sagen CDU, Linke und OB Langner zur geplatzten Sitzung

Von Stephanie Mersmann, Jan Lindner
Viele leere Plätze im Koblenzer Stadtrat, die Sitzung geplatzt: Der Donnerstag geht als Tiefpunkt in die Geschichte der Stadtpolitik ein.  Foto: Sascha Ditscher
Viele leere Plätze im Koblenzer Stadtrat, die Sitzung geplatzt: Der Donnerstag geht als Tiefpunkt in die Geschichte der Stadtpolitik ein. Foto: Sascha Ditscher

Die jüngste Sitzung des Koblenzer Stadtrats ist in die Geschichte eingegangen – und hat Rat und Stadt einige Negativschlagzeilen eingebracht. Wegen eines Streits um offen getragene Antifa-Symbole ist die Sitzung am Donnerstag geplatzt: ohne eine einzige Beratung oder Entscheidung (wir berichteten). Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Koblenzer Stadtrats.

Lesezeit: 4 Minuten
Zwei Grünen- und drei Linken-Stadträte hatten die Symbole offen im historischen Rathaussaal getragen; rechtlich ist das zulässig. CDU, Freie Wähler, AfD, Wählergruppe Schupp und FDP hatten den Saal daraufhin verlassen. Während die beiden Grünen nach einiger Diskussion die Symbole wegpackten, weigerten sich die Linken-Stadträte beharrlich. Die fünf Fraktionen blieben draußen. ...
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So bewertet das Koblenzer Rechtsamt das Zeigen von Antifa-Symbolen im Stadtrat

Ein paar Tage vor dem Eklat am Donnerstag im Koblenzer Stadtrat hatte CDU-Stadtrat Andreas Biebricher eine Anfrage im Ältestenrat gestellt: Ist das offene Tragen von Antifa-Symbolen im Stadtrat zulässig? Biebricher nahm Bezug auf einen Vorfall im Bundestag, wo dessen Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) eine Abgeordnete der Linken wegen des Tragens eines Antifa-Stickers gerügt hatte.

Die Antwort des Koblenzer Rechtsamts im Wortlaut:

„Bei der sogenannten Antifa handelt es sich nach verbreitetem Verständnis nicht um eine bestimmte, klar umgrenzte Organisation oder Vereinigung, sondern um den Oberbegriff für verschiedene, im Regelfall eher locker strukturierte, ephemere autonome Strömungen der linken bis linksextremen Szene. Vor allem auf lokaler Ebene können auch schärfer umrissene und verstetigte Organisationsstrukturen in Gestalt einzelner Gruppierungen vorhanden sein. Eine Subsumtion solcher Antifa-Gruppen unter den strafrechtlichen Vereinigungsbegriff kann nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Einzelfall durch die zuständigen Ermittlungsbehörden unter Einbeziehung sämtlicher insofern relevanter Umstände vorgenommen werden.

Soweit aus der Literatur ersichtlich, wurden bislang weder im Im- noch im Ausland einzelne Antifa-Gruppierungen als kriminelle oder terroristische Vereinigungen eingestuft (zitiert aus der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags).

Da eine Sympathiebekundung mit der „Antifa“ nicht gegen Straftatbestände verstößt, die nicht fest organisierte Antifa als solche auch nicht als kriminelle oder gar terroristische Vereinigung eingestuft werden kann, die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes zudem ein hohes Gut ist, besteht weder Möglichkeit noch Anlass, gegen das Tragen solcher Symbole im Stadtrat vorzugehen.

Hieran ändert auch der Vorgang im Bundestag nichts, bei der der Vizepräsident Kubicki die Abgeordnete wegen des Tragens eines Antifa-Stickers förmlich gerügt und sogar ein Bußgeld angedroht hatte. Dieser umstrittene Vorfall, der sich nach Briefwechseln und einer Erklärung Kubickis, kein Bußgeld zu verhängen, weitgehend im Sande verlaufen hat, dürfte rechtswidrig gewesen sein. Zumal Kubicki nicht gegen andere Anstecker anderer Organisationen vorgegangen ist, die – folgte man denn seiner Einschätzung – ebenfalls die Würde des Bundestags verletzt haben dürften.“

Kommentar zur geplatzten Koblenzer Ratsitzung: Es reicht!

Donnerstag, 7. November 2019, geht in die Geschichte der Koblenzer Stadtpolitik ein. Und zwar als der Tag, an dem sich der Stadtrat bis auf die Knochen blamiert hat. Auf der Tagesordnung standen wichtige Entscheidungen zu Bebauungsplänen, Investitionen, Straßen, zu Dingen, die viele Koblenzer ganz unmittelbar spüren.

Es sind Entscheidungen, auf die viele – Kinder, Eltern, Firmen, Feuerwehren, Anwohner et cetera – schon sehr lange warten. Von denen diese erwarten, dass sie von ihren gewählten Kommunalpolitikern endlich entschieden und vorangetrieben werden. Aber was macht der Stadtrat? Er lässt diese wichtige Sitzung wegen ein paar Stickern einfach platzen. Ohne eine einzige Entscheidung, ohne ein einziges Vorankommen. In diesem immer noch neu zusammengesetzten Gremium geht es oft nicht um die Sache, nicht um Themen. Vieles, zu viel, dreht sich um die Frage: Welche Seite hat die Oberhand? Grün-Rot-Rot oder das andere Abstimmungslager um CDU, AfD, Freie Wähler, Wählergruppe Schupp und FDP. Bislang haben beide ihren Wettkampf in teils heftigen Debatten ausgetragen. Dabei zielten einige Verbalattacken deutlich unter die Gürtellinie. Das war unschön, aber grade noch auszuhalten.

An diesem Donnerstag aber haben sie maßlos übertrieben. Die einen – Grüne und Linke – hatten durch die Sticker-Aktion ihre ganz gezielte und gewollte Provokation. Sie wussten um die vorhersehbare Reaktion von CDU und Co. Danach hätten auch die Linken ihre Sticker wegpacken beziehungsweise verdecken sollen.

Die anderen haben dieser Provokation erst ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt, indem sie den Saal verlassen haben. Sie haben damit ihr Zeichen gesetzt. Sie müssen sich fragen lassen, ob das weitere Fernbleiben angemessen war. Der Eklat jedenfalls war perfekt.

Es war ein extrem unwürdiges Schauspiel, das komplett zulasten der Bürger geht. Dieser Koblenzer Rat muss jetzt schnellstens zur Besinnung kommen. Die Stadträte müssen sich an die Versprechen erinnern, die sie ihren Wählern gegeben haben. Sie müssen sich zusammenraufen und endlich stärker zur Sacharbeit finden. Szenen wie an diesem Donnerstag dürfen sich keinesfalls wiederholen.

E-Mail: jan.lindner@rhein-zeitung.net

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