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Koblenz

Jahresrückblick 2020: Corona, oder die Vollbremsung der Kultur

Von Claus Ambrosius
Große Teile des Kulturbetriebs hat die Corona-Pandemie infolge der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung lahmgelegt – für den Bonner Künstler Dennis Josef Meseg wurde 2021 zum bislang turbulentesten Jahr. Seine Installation „It is like it is“, die mit Absperrband umwickelte ausrangierte Schaufensterpuppen an markanten Punkten markiert, war in Dutzenden Städten zu sehen, um auf Auswirkungen der Pandemie aufmerksam zu machen. Schließlich stammen die Schaufensterpuppen großteils aus Geschäften, die in Zuge der Einschränkungen den Betrieb beendeten. In Koblenz sorgte Meseg mit 111 Puppen vor dem Kurfürstlichen Schloss und anschließend am Deutschen Eck für Aufsehen.
Große Teile des Kulturbetriebs hat die Corona-Pandemie infolge der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung lahmgelegt – für den Bonner Künstler Dennis Josef Meseg wurde 2021 zum bislang turbulentesten Jahr. Seine Installation „It is like it is“, die mit Absperrband umwickelte ausrangierte Schaufensterpuppen an markanten Punkten markiert, war in Dutzenden Städten zu sehen, um auf Auswirkungen der Pandemie aufmerksam zu machen. Schließlich stammen die Schaufensterpuppen großteils aus Geschäften, die in Zuge der Einschränkungen den Betrieb beendeten. In Koblenz sorgte Meseg mit 111 Puppen vor dem Kurfürstlichen Schloss und anschließend am Deutschen Eck für Aufsehen. Foto: Claus Ambrosius

Nach jeder Katastrophe meldet sich mindestens einer, der es immer schon vorher gewusst hat. Doch auch in dieser Hinsicht überraschte das Corona-Jahr 2020, denn trotz der Erfahrungen mit Pandemien der vergangenen Jahrzehnte schien lange, allzu lange niemand hierzulande das Virus erst zu nehmen, das im fernen chinesischen Wuhan grassierte.

Lesezeit: 3 Minuten
Man kann nur selbstkritisch mit dem Kopf schütteln, wenn man Revue passieren lässt, wie lange man das Coronavirus, seine Kontaktfreudigkeit samt möglicher Gesundheitsschäden auf dem heimischen Bildschirm wie ein Horror-Märchen aus fernen Ländern im Fernsehen erlebte – den Transfer zur eigenen Lebensrealität aber partout noch nicht leisten wollte. . Ende Januar ...
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Abschied von Jacqueline Diffring

In der Rückschau wird das Jahr 2020 stets untrennbar mit der Corona-Krise verbunden bleiben. Doch ungeachtet der Pandemie nahm das Leben auch in den zurückliegenden Monaten seinen Lauf – mit all seinen positiven, aber auch negativen Begleiterscheinungen. So auch am 28. September, als die Nachricht vom Tod Jacqueline Diffrings in Koblenz große Trauer auslöste. Mit der Künstlerin starb eine der bedeutendsten Töchter der Stadt im Alter von 100 Jahren. Dabei galt Diffrings Verhältnis zu ihrer Geburtsstadt ebenso wie zu Deutschland aufgrund der antisemitischen Erfahrungen in ihrer Jugend stets als gespalten.

Diffring wird am 7. Februar 1920 in Koblenz geboren. Ihre Eltern vermitteln ihr bereits in jungen Jahren eine leidenschaftliche Begeisterung für Kunst, Theater, Musik und Tanz. In der Folge schlägt sie – wie auch ihre beiden Geschwister – eine künstlerische Laufbahn ein: Anton wird Schauspieler, Ruth Fotografin, Jacqueline Diffring Bildhauerin.

Aufgrund der jüdischen Herkunft des Vaters sieht sich die Familie seit den frühen 1930er-Jahren allerdings zunehmend antisemitischer Anfeindung und Ausgrenzung ausgesetzt. Jacqueline Diffring und ihre Geschwister ziehen daraufhin 1937 nach Berlin, um dort an der profilierten Reimann-Schule zu studieren und in der Großstadt unterzutauchen. Zwei Jahre später gelingt Diffring die Flucht nach London, wo sie ihre künstlerische Ausbildung wegen finanzieller Nöte erst 1944 am Cambridge Technical College und später an der Chelsea School of Art fortführen kann.

Ihrer Rückkehr nach Koblenz 1954 folgt schließlich eine längere Phase, in der sich die Künstlerin kaum zum kreativen Ausdruck befähigt sieht. Ändern soll sich dieser Zustand erst 1960 mit ihrem Umzug ins französische Anjou, wo sie sukzessive zurück zur Kunst findet. Abschließen wird sie diesen Prozess jedoch erst 1977 im neuen Refugium in Châteauneuf-Grasse, wo sie bis zu ihrem Tod lebt.

In Koblenz findet Diffring derweil über Jahrzehnte hinweg kaum Beachtung. Erst mit der Auszeichnung als Kulturpreisträgerin der Stadt 2014 rückt die mutige, emanzipierte und inspirierende Künstlerin wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. „Es erfüllt Koblenz mit Stolz, Geburtsstadt einer international anerkannten und bedeutenden Künstlerin zu sein“, heißt es in einem Kondolenzschreiben von Oberbürgermeister David Langner und Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz an die Angehörigen.

Doch nicht nur Diffrings Leben, auch das Œuvre der Künstlerin ist von großem Facettenreichtum geprägt. Die Auseinandersetzung mit ihrem Werk ist immer auch eine persönliche Begegnung mit Jacqueline Diffring, ihrem Ringen um sich und die sie umgebende Welt. Sie selbst sagte einst: „Ich drücke das aus, was ich erlebt habe. Es ist fast wie eine Autobiografie.“ An die Künstlerin erinnert in Koblenz heute die Installation „Jacqueline Diffring – Das Atelier“ im Mittelrhein-Museum. Dort ist auch die von ihr geschaffene Skulptur „Confluentia“ zu sehen.

Antje Kraus/sts

Nicht alles war schlecht im Pandemiejahr

„In der Krise beweist sich der Charakter“, soll Altbundeskanzler Helmut Schmidt einmal gesagt haben. Dass der bei vielen Koblenzern nicht unwesentlich von Wertschätzung für die lokale Kulturszene geprägt ist, offenbarten im Corona-Jahr zahlreiche Solidaritätsaktionen für die arg gebeutelte Branche.

Da waren zum einen die Einzelkämpfer, die sich in der Pandemie mit Herzblut für die Kultur einsetzten. Gleich zu Beginn der Krise rief etwa der Ehrenbreitsteiner Mediziner Karl Heinz Kienle in den sozialen Netzwerken zu einer Gutscheinaktion für die durch das Virus lahmgelegte Kreativszene auf. Immer wieder verwiesen Einrichtungen und Veranstalter zudem auf das große Verständnis vonseiten des Publikums. Der Großteil der (potenziellen) Besucher verzichtete ganz selbstverständlich auf die Rückerstattung von Tickets für ausgefallene Konzerte, manche unterstützten von ihnen geschätzte Einrichtungen auch gleich durch Spenden.

Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel für gelebte Solidarität lieferten jüngst Thomas Huber und Caroline Nies: Das Koblenzer Paar produzierte – unentgeltlich – ein Benefiz-Sampler mit Künstlern aus der Region. Die Einnahmen aus den Verkäufen gehen in vollem Umfang an fünf ausgewählte Koblenzer Klubs. Weitere Alben für den guten Zweck sind bereits in der Planung.

Unterstützung erhielt die Branche auch vom Koblenzer Kulturverein: Der rief im Mai das (fiktive) „Bleibt weg und helft“-Festival ins Leben. Kulturfreunde konnten hierfür Tickets erwerben, die dadurch erzielten Einnahmen wurden zu gleichen Teilen an private Theater- und Musikbühnen, an Klubs und weitere freie Kulturschaffende in der Stadt verteilt. Anfang Oktober legte der gemeinnützige Verein unter Leitung der Koblenzer Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz dann sogar noch einmal nach: Unter dem Motto „#RettetKoblenzerKultur“ wurden erneut Spenden gesammelt. Auffällige Plakatierungen machten zudem auf die prekäre Lage der Kulturszene aufmerksam.

Und auch die Stadt blieb in der Pandemie nicht untätig: Zu einem im Oktober vorgestellten Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Corona-Krise gehört etwa ein Solidaritätsfestival, das an verschiedenen Koblenzer Kulturorten stattfinden soll, sobald die Infektionslage eine solche Veranstaltung zulässt. sts

Thomas Metz geht in Ruhestand

Seit 2007 war Thomas Metz Chef der Generaldirektion Kulturelles Erbe – bereits 2001 hatte er die Leitung des Landesmuseums Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein übernommen.

Thomas Metz
Thomas Metz
Foto: dpa

Und so bestimmte der studierte Architekt ganz zentral die nachhaltige Öffnung der Festung zu einem der größten Besucherattraktionen der Region mit. Ob mit großformatigen Familienausstellungen zu populären deutschen Herstellern wie Lego oder Haribo oder aber mit szenischen Führungen der Serie „Living History“ wie „Der ewige Soldat“ – unter der Ägide von Thomas Metz wurde die Festung zu einem beliebten Ausflugsziel, das durch die rechtzeitig zur Bundesgartenausstellung 2011 durch die Seilbahn spektakulär mit dem Stadtzentrum verbunden wurde. Mit dem neuen Jahr geht Metz in den Ruhestand – seine Nachfolgerin bei der GDKE ist die promovierte Archäologin Heike Otto.

Heike Otto
Heike Otto
Foto: gdke

Förderer der Festung bündeln ihre Kräfte

Über viele Jahre hinweg verfolgten der Verein der Freunde und Förderer des Landesmuseums Koblenz und der Förderkreis Kulturzentrum Ehrenbreitstein dasselbe Ziel: das reichhaltige (kulturelle) Angebot auf der Festung finanziell zu unterstützen, es zu erhalten und im Idealfall sogar weiter auszubauen.

2020 haben sich die beiden Vereine nun in einer einzigen Großdirektion zusammengeschlossen. Deren Vorstand gehören unter anderem Andreas Schmauder, Direktor des Landesmuseums Koblenz und Leiter des Kulturzentrums Festung Ehrenbreitstein, und die Koblenzer Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz an.

Hans-Ulrich Stelter, seit 2011 Vorsitzender des Förderkreises Kulturzentrum Festung Ehrenbreitstein, wurde zum Vorsitzenden gewählt. Der verschmolzene Großverein hat 1867 Mitglieder und firmiert unter dem Namen Förderverein Kulturzentrum Ehrenbreitstein und Landesmuseum Koblenz.

Ursel Steinacker: Ein Leben für die Kunst

Der Markenbildchenweg 13 in Koblenz war für Kunstliebhaber lange Zeit eine geschätzte Adresse. Hier, in einem von Otto Nebel erbauten Haus, hatte Ursel Steinacker ihre Galerie. Gleich beim Eintritt fand man sich inmitten von Kunst – im Flur, im Treppenhaus, in den lichten Galerieräumen im ersten Stock.

Hier ein gestischer Karl Otto Götz, da ein sinnenfreudiges Aquarell von Edvard Frank, Bilder der Wiener Fantastischen, Arbeiten von Künstlern aus Rheinland-Pfalz. Dabei lag Steinacker die Förderung von jungen Künstlern stets besonders am Herzen, ebenso wie die „Bekehrung“ weniger interessierter Gäste. 2010 lud sie zu ihrer letzten Vernissage ein. Am 6. November dieses Jahres starb Steinacker nach langer Krankheit im Alter von 85 Jahren. Der Koblenzer Kultur, so viel steht fest, wird sie fehlen. ls

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