In der Rückschau wird das Jahr 2020 stets untrennbar mit der Corona-Krise verbunden bleiben. Doch ungeachtet der Pandemie nahm das Leben auch in den zurückliegenden Monaten seinen Lauf – mit all seinen positiven, aber auch negativen Begleiterscheinungen. So auch am 28. September, als die Nachricht vom Tod Jacqueline Diffrings in Koblenz große Trauer auslöste. Mit der Künstlerin starb eine der bedeutendsten Töchter der Stadt im Alter von 100 Jahren. Dabei galt Diffrings Verhältnis zu ihrer Geburtsstadt ebenso wie zu Deutschland aufgrund der antisemitischen Erfahrungen in ihrer Jugend stets als gespalten.
Diffring wird am 7. Februar 1920 in Koblenz geboren. Ihre Eltern vermitteln ihr bereits in jungen Jahren eine leidenschaftliche Begeisterung für Kunst, Theater, Musik und Tanz. In der Folge schlägt sie – wie auch ihre beiden Geschwister – eine künstlerische Laufbahn ein: Anton wird Schauspieler, Ruth Fotografin, Jacqueline Diffring Bildhauerin.
Aufgrund der jüdischen Herkunft des Vaters sieht sich die Familie seit den frühen 1930er-Jahren allerdings zunehmend antisemitischer Anfeindung und Ausgrenzung ausgesetzt. Jacqueline Diffring und ihre Geschwister ziehen daraufhin 1937 nach Berlin, um dort an der profilierten Reimann-Schule zu studieren und in der Großstadt unterzutauchen. Zwei Jahre später gelingt Diffring die Flucht nach London, wo sie ihre künstlerische Ausbildung wegen finanzieller Nöte erst 1944 am Cambridge Technical College und später an der Chelsea School of Art fortführen kann.
Ihrer Rückkehr nach Koblenz 1954 folgt schließlich eine längere Phase, in der sich die Künstlerin kaum zum kreativen Ausdruck befähigt sieht. Ändern soll sich dieser Zustand erst 1960 mit ihrem Umzug ins französische Anjou, wo sie sukzessive zurück zur Kunst findet. Abschließen wird sie diesen Prozess jedoch erst 1977 im neuen Refugium in Châteauneuf-Grasse, wo sie bis zu ihrem Tod lebt.
In Koblenz findet Diffring derweil über Jahrzehnte hinweg kaum Beachtung. Erst mit der Auszeichnung als Kulturpreisträgerin der Stadt 2014 rückt die mutige, emanzipierte und inspirierende Künstlerin wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. „Es erfüllt Koblenz mit Stolz, Geburtsstadt einer international anerkannten und bedeutenden Künstlerin zu sein“, heißt es in einem Kondolenzschreiben von Oberbürgermeister David Langner und Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz an die Angehörigen.
Doch nicht nur Diffrings Leben, auch das Œuvre der Künstlerin ist von großem Facettenreichtum geprägt. Die Auseinandersetzung mit ihrem Werk ist immer auch eine persönliche Begegnung mit Jacqueline Diffring, ihrem Ringen um sich und die sie umgebende Welt. Sie selbst sagte einst: „Ich drücke das aus, was ich erlebt habe. Es ist fast wie eine Autobiografie.“ An die Künstlerin erinnert in Koblenz heute die Installation „Jacqueline Diffring – Das Atelier“ im Mittelrhein-Museum. Dort ist auch die von ihr geschaffene Skulptur „Confluentia“ zu sehen.
Antje Kraus/sts